"Der Hexenschöffe" spielt in Rheinbach "Die Faszination des Grauens"

Rheinbach · Der Hexenschöffe" heißt der neue historische Krimi der aus Rheinbach-Oberdrees stammenden Autorin Petra Schier. Er befasst sich mit dem Leben von Hermann Löher, der 1636 aus Angst vor dem Tod auf dem Scheiterhaufen aus Rheinbach ins liberale Amsterdam floh.

 Vor dem Hexenturm: Petra Schier hat einen historischen Roman über die Zeit der Hexenverfolgung in ihrer Heimatstadt Rheinbach geschrieben.

Vor dem Hexenturm: Petra Schier hat einen historischen Roman über die Zeit der Hexenverfolgung in ihrer Heimatstadt Rheinbach geschrieben.

Foto: Wolfgang Henry

Petra Schier stellt ihr Werk am kommenden Dienstag, 30. September, ab 19.30 Uhr in der Aula der Grundschule an der Bachstraße vor - quasi im Schatten des Hexenturms. Mit ihr sprach Hans-Peter Fuß.

Die Eifel ist die Krimilandschaft Nummer eins in Deutschland. Sie bewohnen eins von acht Häusern in Niederheckenbach in der Nähe von Altenahr. Begünstigen die Einsamkeit und die raue Landschaft Gedanken an Mord und Totschlag?
Petra Schier: Ich schreibe ja nicht nur über Mord und Totschlag. Ich lebe gerne in dieser einsamen und rauen Natur. Während der Wanderungen mit unserem Hund kann ich gut abschalten und über meine Geschichten nachdenken. Auf jeden Fall kommt die Einsamkeit meiner Produktivität zugute.

Wie kamen Sie dazu, Krimis und historische Romane zu schreiben?
Schier: Ich habe schon in der Grundschule gerne Geschichten geschrieben. Mit elf Jahren habe ich dann angefangen, Tagebuch und längere Geschichten zu schreiben. Meinen ersten Roman habe ich zum Ende meiner Schulzeit verfasst. Daraus wurden später die Bücher "Die Eifelgräfin" und "Die Gewürzhändlerin".

Sie haben bereits zwölf historische Romane veröffentlicht. Warum bevorzugen Sie das Mittelalter als Handlungszeitraum?
Schier: Das späte Mittelalter ist meine Lieblingsepoche in der Geschichte. Es hat starke Frauen hervorgebracht, die sich mehr Rechte erkämpft haben als die Frauen im 18. und 19. Jahrhundert. Sie führten Geschäfte, Handwerksbetriebe und organisierten sich in Zünften. Deshalb spielen auch oft starke Frauen in meinen Büchern wichtige Rollen.

Warum widmen Sie sich erst jetzt Ihrer Heimatstadt?
Schier: Ich habe mich lange gedanklich mit dem Thema Hexen beschäftigt. Um aber einen Roman darüber zu schreiben, musste ich auch als Autorin reifen. Ich musste schwere Kost angemessen bearbeiten. Es ist schwer, wahre Begebenheiten in Romanform zu gießen und sich in Menschen wie Hermann Löher zu versetzen, die wirklich gelebt haben. Aber ich bin sehr zufrieden. "Der Hexenschöffe" ist mein Meisterstück.

Wie viel historische Wahrheit steckt in Ihrem Roman?
Schier: Etwa 75 Prozent. Ich habe mich eng an den historischen Quellen orientiert wie etwa an Löhers "Wehmütige Klage". Wo die historischen Quellen schweigen, habe ich die Dinge so beschrieben, wie sie wahrscheinlich hätten sein können.

Ein Beispiel?
Schier: Hermann Löher hatte acht Kinder. Es ist aber nur ein Name, Bartholomäus, überliefert. Also habe ich die übrigen Kinder mit den damals üblichen Namen versehen.

Wie kamen Sie auf das Hexen-Thema?
Schier: Als Jugendliche habe ich das alte Buch "Die Rheinbacher Hexe" von Cl. Wüller gelesen. Das hat mich fasziniert. Seitdem hat mich das Thema immer wieder auf die eine oder andere Weise gestreift. Meine Motivation, den "Hexenschöffen" zu schreiben, war es auch, Hermann Löher eine Stimme zu geben. Deshalb beginnt jedes Kapitel mit einem Zitat aus seiner "Wehmütigen Klage".

Wie und wo haben Sie recherchiert?
Schier: Ich habe mich von Wüllers Buch inspirieren lassen und dann in Archiven, Bibliotheken und im Internet recherchiert. Besonders unterstützt hat mich Dietmar Pertz vom Rheinbacher Stadtarchiv und Dr. Thomas Becker von der Uni Bonn.

Vor zwei Jahren hat der Rheinbacher Stadtrat die Opfer der Hexenverfolgung rehabilitiert. Halten Sie dies 400 Jahre nach den Verbrechen noch für sinnvoll?
Schier: Ja, denn die Menschen haben sehr gelitten. Während der Recherche sind mir einige Sachen doch sehr an die Nieren gegangen. Ich beschreibe ja die Kahlrasur vor der Folter, denn man glaubte, dass der Teufel in den Haaren steckt, und die Folter selbst. So versuchte man durch die Nadelprobe festzustellen, ob jemand eine Hexe war. Floss kein Blut, war das ein Beweis für Teufelswerk. Die Verbrennung beschreibe ich nicht direkt, sondern aus den Perspektiven der Augenzeugen.

Hatten die Verbrennungen in Rheinbach den Charakter von Volksfesten?
Schier: Es waren schon einige hundert Zuschauer dabei, wenn die Delinquenten vom Hexenturm zum Richtplatz vor der Stadtmauer gebracht wurden. Man kann wohl von der Faszination des Grauens sprechen. Darunter waren aber auch etliche, die nur deshalb zuschauten, weil sie sich nicht der Gefahr aussetzen wollten, selbst als Hexe bezichtigt zu werden. Es gab aber auch Leute wie den Schultheißen von Flerzheim, Augustin Strom, der hat während der Verbrennungen hoch zu Ross Wein aus dem Zuckerhut getrunken.

Waren die Menschen damals roher, brutaler?
Schier: Im Mittelalter und der frühen Neuzeit, gerade während des Dreißigjährigen Krieges, war der Tod durch Kampfhandlungen, Krankheiten und Hungersnöte allgegenwärtig. Für Missernten und andere Katastrophen wurden Sündenböcke gesucht. Da der Aberglaube noch weit verbreitet war, hatten die Hexenkommissare leichtes Spiel. Ein weiterer Ansporn und Grund vieler Hexenprozesse war die Tatsache, dass die Hexenkommissare eine Art Kopfgeld pro verurteilter Hexe erhielten und zudem noch am konfiszierten Vermögen der Opfer beteiligt wurden.

Wie lief die Verbrennung ab?
Schier: In Rheinbach wurden die Opfer nicht auf den Scheiterhaufen gestellt, sondern in einer Verbrennungshütte angebunden. Wenn sie nicht schon vor ihrer Verbrennung vom Henker erwürgt wurden, erstickten sie schnell in dem Rauch, ehe sie verbrannten. Das war noch relativ gnädig.

Gab es keinen Widerstand gegen diese Barbarei?
Schier: Viele Pfarrer haben sich mit dem Hinweis auf das Gebot "Du sollst nicht töten" gegen die Verbrennungen aufgelehnt und wurden dadurch oft selbst zum Opfer. Auch der Rheinbacher Pfarrer Hartmann war ein Gegner der Hexenprozesse.

Was erwartet die Besucher Ihrer Lesung?
Schier: Es wird eine Mischung aus Vortrag und Plauderei. Ich berichte, wie ich recherchiert habe, und beantworte natürlich auch Fragen.

Die Lesung beginnt am Dienstag, 30. September, 19.30 Uhr, in der Katholischen Grundschule an der Bachstraße in Rheinbach. Der Eintritt kostet 9,99 Euro. Vorverkauf in der Buchhandlung Kayser in Rheinbach, Hauptstraße.

Zur Person

Petra Schier, 36, stammt aus Oberdrees. Sie besuchte die Grundschule an der Bachstraße in Rheinbach, dann die Tomburg-Realschule. Am Are-Gymnasium in Bad Neuenahr machte sie ihr Abitur, studierte Geschichte und Literatur an der Fernuniversität Hagen und arbeitet seit 2003 als freie Autorin.

Neben Kurzgeschichten und Einzelromanen veröffentlichte Petra Schier Hörbücher für Kinder sowie zwei historische Reihen. Sie lebt mit Ehemann und Schäferhund in Niederheckenbach im Kreis Ahrweiler.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort