Bewegende Begegnung in Rheinbach Die junge Geigerin Judith Stapf und Holocaust-Überlebender Michael Emge beeindrucken im SJG

RHEINBACH · Letztlich könne wohl niemand ermessen, was ein Holocaust-Überlebender wirklich durchgemacht hat, sagt Judith Stapf. Dennoch ist da diese Verbundenheit zwischen der 15-jährigen Ausnahme-Geigerin aus Merzbach und Michael Emge (82), der auf Schindlers Liste stand und das Konzentrationslager überlebte.

Judith Stapfs hoch emotionales Geigenspiel und so manche verstohlen weggewischte Träne im Studio-Publikum des Sankt-Joseph-Gymnasiums (SJG) sprachen gestern eine deutliche Sprache davon, dass eine Annäherung an das Schicksal der Nazi-Opfer auch über die Generationen hinweg sehr wohl möglich ist.

Mit ihrer musikalischen Lesung auf der Grundlage des Buches "Spiel mir das Lied vom Leben. Judith und der Junge von Schindlers Liste" bewegten die Autorin Angela Krumpen sowie Judith Stapf und Michael Emge rund 150 Schülerinnen der neunten und achten Klasse.

Ohne Pathos, aber mit eindringlichen Details aus der Jugend Emges im Krakauer Ghetto und später im KZ Plaszow ließ die dramaturgische Lesung mit wechselnden Elementen wie Gespräch, Musik und historischen Fotos per Powerpoint-Präsentation das Unvorstellbare erahnen.

Michael Emge, der in Köln lebt und seinen Namen Mitte der 90er Jahre ändern ließ, um erneuten antisemitischen Schmähungen zu entgehen, war selbst ein vielversprechender junger Geiger, bevor er mit seiner Familie ins KZ kam. Seine Mutter arbeitete in Oskar Schindlers Fabrik, daher stand die Familie auf der berühmten Liste. Emge überlebte im Gegensatz zu seiner Familie.

Hauptsächlich deshalb, weil er zum Hundepfleger avancierte. Judith Stapf wurde durch die Filmmusik und den Trailer zu Steven Spielbergs Oscar-gekröntem Film "Schindlers Liste" für die Grausamkeiten des Holocausts sensibilisiert.

"Ich wollte jemandem in die Augen sehen, der all das Schreckliche wirklich erlebt hat. Um spielen zu können, muss ich doch verstehen", erklärt die Jugendliche, warum sie nicht eher locker ließ, bis sie Michael Emge endlich kennenlernen und seine Geschichte von ihm selbst hören durfte. Aus ihrer beider Geschichte sind längst das Buch von der hochsensibel moderierenden Angela Krumpen (48) sowie eine im WDR ausgestrahlte Fernsehdokumentation entstanden.

Gegen Ende der gemeinsamen Lesereise hatte die junge Rheinbacherin nun einmal samt ihren Eltern Gelegenheit, die Menschen vor Ort zu bewegen. Vater Wolfgang Klein-Richter begleitete Judith am Klavier, Mutter Silke sang gemeinsam mit Michael Emge ein jüdisches Lied. Den Kontakt stellten Deutschlehrer Michael Weyer und Schülerinnen einer Projektarbeit her.

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