Freizeitangebot für Ältere Diese schräge nordische Sportart begeistert in Rheinbach

Rheinbach · Für 14 Boßel-Freunde aus Rheinbach und Umgebung ist das gesellige Outdoor-Spiel zum monatlichen Ereignis geworden. Was die Spieler – alle über 50 – daran begeistert.

 Juergen Schaefer und seine Mitstreiter treffen sich jeden Monat zum Boßeln. Bei der 100. Tour wirft hier Joe Giessler.

Juergen Schaefer und seine Mitstreiter treffen sich jeden Monat zum Boßeln. Bei der 100. Tour wirft hier Joe Giessler.

Foto: Axel Vogel

Wenn man so will, ist bei diesem Spiel in Gottes freier Natur der Weg das Ziel. Vor allem ist es egal, ob es Sommer oder Winter ist, findet Inge Solbieda (75): „Auch wenn wir gefroren haben wie verrückt, und die Finger kaum bewegen konnten, läuft die Kugel.“ Das Spiel heißt Boßeln und wird auch Kloothschießen genannt. Der Rheinbacher Jürgen Schäfer organisiert seit 2012 regelmäßige Partien, jeden letzten Freitag im Monat, Startpunkt ist der Raiffeisenmarkt. „Ich freue mich jedes Mal dabei zu sein, es macht einfach unheimlich viel Spaß“, sagt Inge Solibieda. Warum? „Weil das Spielprinzip für mich genau die richtige Mischung bringt“, führt die rüstige Seniorin aus: „Laufen, sich unterhalten und unterwegs Kugeln werfen finde ich ideal.“ Vor allem habe sie anschließend „immer ein gutes Gefühl“.

Kein Einzelfall in Schäfers bestens gelaunter Boßeltruppe, die an diesem Freitag ihre 100. Tour absolviert: 14 Aktive, aufgeteilt in zwei Mannschaften, ziehen mit großem Hallo auf einem Wirtschaftsweg in Richtung Oberdrees. Die verschiedenfarbigen Kugeln, von denen jede Mannschaft eine eigene hat, bestehen aus Hartschaum und sind in etwa so groß ist wie eine Kegelkugel. Ebenso unentbehrlich ist der Bollerwagen, bestens gefüllt mit fester und flüssiger „Marschverpflegung“. Der Wagen wird zur ersten Pause nach etwa 45 Minuten zum allgemeinen Sammelpunkt. Schauplatz des munteren Treibens gegen 15.45 Uhr ist eine Brücke über die Rheinbacher Umgehungsstraße nahe der JVA. Natürlich gibt es auch etwas zu trinken: Sekt gefällig, Bier, oder doch lieber ein Wasser? Alles liegt griffbereit im Bollerwagen. Die Aufschriften „ZWAR“ und „100“ prangen darauf.

Kulturexport aus Norddeutschland

„100“ steht dabei natürlich für die hundertste Tour, „ZWAR“ steht für „Zwischen Arbeit und Ruhestand“: Eine Art Freizeittreff, den in Rheinbach 2010 die ZWAR-Zentralstelle Dortmund in Zusammenarbeit mit der Stadt und der Caritas aus der Taufe gehoben hatte. Willkommen ist jeder über 50, die älteste Aktive sei 99 Jahre alt, merkt Schäfer an. Einzugsgebiet des Treffs ist Rheinbach und Umgebung, weitere Aktivitäten sind gemeinsame Besichtigungen, Kegeln und Boule. Das Boßeln hat der Berufssoldat Schäfer von seiner Stationierung im hohen Norden mit nach Rheinbach gebracht.

Dazu eignet sich am besten ein einsamer, befestigter Weg mit viel Platz. Gebraucht werden ferner besagte Hartschaumkugeln sowie zwei Mannschaften, wobei Ehepaare ausdrücklich getrennt antreten. Die Spielerinnen und Spieler schleudern oder werfen die Kugeln abwechselnd so weit wie möglich über die zuvor festgelegte Strecke, in diesem Fall der zwei Kilometer lange Wirtschaftsweg in Richtung Oberdrees. Gewonnen hat, wer für die gesamte Strecke die wenigsten Würfe braucht. Auf dem Rückweg hat die unterlegene Mannschaft die Chance zur Revanche.

Fehlwürfe sind für alle ein großer Spaß

Ein großer Spaß seien unterwegs die „Fehlwürfe“, verrät Joe Giessler, etwa wenn die Kugel im Maisfeld lande und dort anschließend gesucht werden müsse. Mit einem breiten Grinsen zeigt der 78-Jährige einen Schnappschuss von einer früheren Tour, wo einer solcher Fall dokumentiert ist: Zu sehen sind, zwischen mannshohen Maispflanzen, die Hinterteile der Suchenden. „Normalerweise muss der Werfer dann einen Schnaps trinken“, sagt Schäfer amüsiert. „Bei uns gibt es dafür aber nur dumme Bemerkungen der Mitspieler“. Rund zwei Stunden sind die Rheinbacher Boßeler unterwegs.

Missen möchte nach Auskunft von allen Aktiven keiner mehr diese vergnügliche Runde, die bei Wind und Wetter stattfindet. Als ein Glücksfall empfindet das Spiel beispielsweise auch Rita Stein. Ihr liege einfach der Bewegungsablauf beim Boßeln, meint die 79-Jährige: „Ich kann das noch ganz gut“, so die Seniorin, die deutlich jünger wirkt. Vor allem habe sie eine „gute Technik“,, bescheinigt Mistreiter Joe Giessler: Sie komme weit mit der Kugel, ohne groß Schwung zu holen. „Wahrscheinlich hat sie die Kugeln verhext“, sagt er grinsend und lässt sich in der Pause einen Sekt einschenken. Das sei überhaupt mit das Schönste beim Boßeln, sind sich die Aktiven spontan einig: „Die Pausen.“ Darum bringt Jürgen Schäfer das Erfolgsgeheimnis des Spiel auch so auf den Punkt: „Klar will man gewinnen, aber dabei sein ist alles.“

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