12. Rheinhexenslam Ein Kampf der spitzen Zungen

RHEINBACH · 150 Besucher im Pfarrzentrum am Lindenplatz bildeten eine stimmungsvolle Kulisse bei der Abschlussveranstaltung der Rheinbacher Lyriktage.

 Christian Bartels trägt in Rheinbach vor.

Christian Bartels trägt in Rheinbach vor.

Foto: Gerd Engel

In der Applausabstimmung des Finales hatte die pointenreiche Satire des Bonner Lesebühnenveteranen Christian Bartel über den Besuch in einer Spielzeugabteilung etwa ein halbes Dezibel Vorsprung vor dem politischen Text "... und Du nennst mich weltfremd" des Leverkuseners Christian Schmitt, der seinem Künstlernamen "No Limit" alle Ehre machte. Die beiden Bühnenprofis krönten einen furiosen Abend, der Lust auf mehr machte.

Den in der Szene "Opfertext" genannten Eröffnungstext sprach - außerhalb der Konkurrenz ? kein Geringerer als der Rheinbacher WDR-Sprecher Martin Groß. Als habe er sein Leben lang nichts anderes als Slam-Poetry gemacht, legte er mit seinen Betrachtungen über die Liebe die Messlatte beachtlich hoch und wurde mit frenetischem Applaus gefeiert.

Die Siegburger Schauspielerin Julia Torres startete den Abend mit wunderbaren kurzen, zu thematischen Blöcken zusammengefassten Gedichten. Kendra Löwer aus Neidenbach bei Bitburg überzeugte in Anwesenheit ihrer Rheinbacher Oma mit ihrem persönlichen Text "Wir sind alle ungeschliffene Diamanten". Erst kurz vor dem Wettbewerb hatte Moderator Lasse Samström den 27-jährigen Doktoranden der Psychologie Hank M. Flemming aus Tübingen überzeugt, bei dem Poetry-Slam mitzumachen. Er erzählte in Prosa von der "Familienplanung mit Oma" und hatte damit die Lacher auf seiner Seite.

Mit Christian Bartel trat nun einer an, der es 2005 schon in das Finale der Deutschen Meisterschaften gebracht hatte. Der vielfache Buchautor, TAZ-Kolumnist und Mitglied der Bonner Lesebühne "Ferkel im Wind" ließ das ehrwürdige 80er-Jahre-Pfarrzentrum mit einem Text über den Kauf eines Smartphones vor Lachen erbeben. "No Limit" aus Leverkusen bot mit kunstvoll verknüpften Wortspielen aus Sprichwörtern und Redewendungen einen der Höhepunkte des Abends. Beispiel gefällig? "Die jüngsten Bauern haben die schicksten Pantoffeln." Die Zwischenrunde bestritt er dann mit Christian Bartel, Kendra Löwer und Hank M. Fleming. Hier konnten sich die beiden erfahrenen Slammer durchsetzen.

Christian Bartel legte mit einer Satire über das Zusammenpanschen eines Mitbring-Weines und den anschließenden Pflichtbesuch bei den gut verdienenden Bekannten ordentlich vor. Sehr mutig konterte "No Limit" mit einem nachdenklichen Text über einen Flüchtling, der es bis auf ein überfülltes Flüchtlingsboot auf das Mittelmeer geschafft hat - und verwandelte die Stimmung im Saal in eine Gänsehaut-Stille. Im finalen Duell holte Bartel den gefühlten Vorsprung des Leverkuseners noch ein und bekam gegen 23 Uhr den Siegerpreis in Form eines Hexenturms in Silber aus dem Rheinbacher CF-Atelier verliehen.

Anders als bei anderen Slams ist die Moderation Lasse Samströms Teil des Programms: Seine ortskundigen Frotzeleien, die nostalgischen Anspielungen auf seine Rheinbacher Schulzeit und die charmanten Scharmützel mit seiner "Assistentin" Steffi Scherer sind Komik pur.

Was den Rheinbacher Slam besonders macht, ist die ungewöhnliche Zusammensetzung des Publikums. Der jüngste Besucher war zehn und der älteste über 75 Jahre alt. "Die hören echt gut zu!", lobten die Slammer unisono.

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