Interview mit Kabarettist Jürgen Becker „Fake-News gab es schon bei Adenauer“

Rheinbach · Der Kölner Kabarettist Jürgen Becker gastiert am Freitag, 10. März, ab 20 Uhr im Rheinbacher Stadttheater. Im GA-Gespräch verrät der Kölner Kleinkünstler und Gastgeber der „Mitternachtsspitzen“, was er über Burkas, Trump, Luther und seinen Auftritt in der Glasstadt denkt.

Am Freitag, 10. März, gastiert Kabarettist Jürgen Becker im Rheinbacher Stadttheater.

Am Freitag, 10. März, gastiert Kabarettist Jürgen Becker im Rheinbacher Stadttheater.

Foto: Simin Kianmehr

Es sind tolle Zeiten für Kabarettisten: Solange Menschen wie Donald Trump politische Ämter bekleiden, geht feinen Beobachtern wie Jürgen Becker der Satirestoff nicht aus.

Als Philipp Rösler Vizekanzler war, sehnten sich viele nach polternden Politikkanten wie Wehner und Strauß zurück. Zurzeit haben wir Trump, Wilders und Frau Petry auf dem politischen Parkett. Ist es eine gute Zeit für Kabarettisten?

Jürgen Becker: Ja, wie man's nimmt (lacht). Ich habe gestern eine Umfrage gelesen, nach der die Deutschen mehr Angst vor Trump als vor Putin haben. Man weiß bei Trump gar nicht, ob das Rote, das an ihm herunterhängt, seine Krawatte ist oder seine Zunge. Da sieht man, wie es ist, wenn man testosterongesteuert an die Macht kommt und nicht die Vernunft walten lässt, wie wir das von Angela Merkel gewohnt sind. Insofern wünscht man sich den vernunftorientierten Politiker zurück.

Becker: Nein, man muss seine Urlaubspläne ändern. Reisen in die USA sind stark zurückgegangen. In Zukunft will Trump an den Grenzen alle Laptops und Handys überprüfen lassen. Wer mal auf einer Anti-Trump-Seite gewesen ist, darf nicht in die USA reisen. Wer auf islamischen Seiten war, wird direkt verhaftet. Und wer auf seinem Rechner Bilder hat, bei denen alte Männer nackte Frauen anpacken, der wird Mitglied in Trumps Regierung.

Becker: Ja, auf jeden Fall. Das einer Klartext redet, das mögen die Leute. Das sieht man auch bei Martin Schulz oder Wolfgang Bosbach – das ist ja in Ordnung, solange es vernunftgeleitet ist. Bei Trump ist es doch eher eine Persönlichkeitsstörung. Aber ich freue mich, dass Parteien wie die AfD oder Seehofer von der CSU, die Trump gelobt haben, jetzt ein bisschen bedröppelt dastehen. Ich hoffe, dass die Leute vernünftig werden und merken, dass Abschottung und Nationalismus keine Lösung ist. Wenn Trump 35 Prozent Strafzölle auf deutsche Autos verhängt, wird jeder, der in Amerika einen VW kauft, mit 35 Prozent höheren Preisen bestraft. Als wenn ein VW-Diesel nicht schon Strafe genug wäre... Wenn in Ostdeutschland die ersten Autofabriken zumachen, möchte ich sehen, wie die AfD das bejubelt.

Apropos Trump: Fake-News sind ja in aller Munde. Was steht uns noch an gefakten Nachrichten bevor?

Becker: Man hat ja jetzt das Prinzip einmal durchschaut. Aber Fake-News gab es schon früher. Man kennt das – wo wir in Rheinbach nicht weit weg von Bonn sind – von Adenauer. Der sagte: Man soll mit dem Sack Wahrheit nicht so um sich werfen. Wir wissen ja, wie Bonn Hauptstadt geworden ist. Er hat seine vielfältigen Kontakte mit handfesten Unwahrheiten versorgt. Dem US-Botschafter hat er gesagt: 'In gewissen Kreisen Frankreichs denkt man noch immer an eine besondere Regelung für das linke Rheinufer. Die Franzosen wollen uns bis zum Rhein annektieren. Solche Bestrebungen sind zur Aussichtslosigkeit verurteilt, wenn eine linksrheinische Stadt Sitz der Bundesregierung wird'. Ist völliger Quatsch. Aber so weiß man, warum er nicht gleich Rhöndorf zur Bundeshauptstadt gemacht hat – auf der Schäl Sick.

Becker: Man entdeckt das ja auch in der Politik sehr stark. Bei Trump sind es mit Sicherheit Minderwertigkeitskomplexe, die Freud im sexuellen Gebiet ausfindig machen würde. Er kompensiert es durch Machogehabe. Deswegen ist Sexualität immer auch politisch – darum habe ich den Titel „Volksbegehren“ gewählt. Das hat Bill Clinton schon kennengelernt, und das wird Donald Trump noch kennenlernen. Die Russen habe ja die entsprechenden Unterlagen in der Schublade, um sie bei passender Gelegenheit herauszuholen.

Becker: Ich finde beides schön. Ich bin gerne bei den Leuten. Hinterher gibt es immer Freibier, dann kann man noch ein bisschen erzählen. Man kriegt dann sehr gut mit, was so läuft in der Welt.

Becker: Die Angst vor dem Fremden ist irgendwo immer in den Menschen drin. Die ist vor Jahrmillionen angelegt worden. Der Fremde war der potenzielle Fressfeind. Das ist heute der Terrorist – die Personifizierung des Löwen, der in die Höhle kommt und uns fressen will. Wir haben immer noch Angst vor Spinnen, obwohl es in Deutschland nicht eine einzige Spinne gibt, die gefährlich ist. Im Wesentlichen kommt die Angst aus der Abgrenzung der eigenen Gruppe gegenüber einer anderen. Jede Gruppe denkt: Das, was sie macht, ist normal, was der Fremde macht, ist unnormal. Denken Sie mal an die Burka. Ich mache immer Urlaub in Mecklenburg-Vorpommern, weil ich das Gefühl habe: Ich bin im Ausland, aber ich kann die Sprache. Jetzt habe ich da noch nie eine Frau mit einer Burka gesehen. Trotzdem war sie bei der Landtagswahl Thema Nummer eins.

Becker: Das liegt daran, dass sich die Burka extrem mit den Bekleidungstraditionen dieses Bundeslandes beißt. Da haben viele am Strand fast gar nichts an. Zu DDR-Zeiten ist da FKK groß rausgekommen. Ich kann sagen: Wenn Sie mal drei Wochen lang über 60 Jahre alte Ostdeutsche am Strand beobachtet haben, dann gibt es Momente, da findet man eine Burka gar nicht so falsch.

Becker: Ich freue mich, dass wir zwei Kandidaten haben, die man beide respektieren kann. Wir haben Glück, dass wir keine Le Pens oder Trumps haben. Das sage ich nicht als Kabarettist sondern als Bürger.

Becker: Meine Theorie ist ja, dass es unglaublich gut ist, dass wir zwei große Kirchen haben. Ich erinnere mich: Als noch der Kommunismus existierte, war der Kapitalismus viel besser. Seitdem die Mauer gefallen ist, ist der Kapitalismus in der Krise. Ich glaube, dass die Evangelische Kirche enorm davon profitiert, dass es die Katholische Kirche gibt. Ich habe nichts gegen die Ökumene, aber ich würde auf jeden Fall die beiden Mannschaften erhalten.

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