Campus in Rheinbach Getunte Flugobjekte segeln zum Abschluss der Kinderuni
RHEINBACH · Eine Reihe von "Todsünden" gibt es während der Schulzeit, die garantiert zum Klassenbucheintrag führen: mit nassen Schwämmen zu werfen oder heimlich Papierflieger zu basteln und provokant durch die Klasse segeln zu lassen etwa.
Bei Dr. Michael Heinzelmann, Professor für Technische Mechanik vom Fachbereich Angewandte Naturwissenschaft am Rheinbacher Campus der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, liegt kein Klassenbuch auf dem Pult, dafür gleiten die Papierflieger kreuz und quer durch Lehrsaal A050.
Doch anstatt energisch ob der Störung zu intervenieren, spendet der Physikprofessor Beifall für gelungene Kurz- und Mittelstreckenflüge. Mit "Tricks beim Bau von Papierfliegern" endet das erste Semester der ersten Kinderuni im Rhein-Sieg-Kreis.
Das aus berufenem, habilitiertem Munde Gehörte setzen die jungen Zuhörer im Alter von acht bis zwölf Jahren flugs um. Doch bevor sich die 50 Mädchen und Jungen auf die Stapel mit weißem Papier stürzen, um ihre eigenen, aerodynamisch optimalen Flieger zu basteln, erklärt Heinzelmann, was Bananenflanken im Fußball und Flugzeugflügel gemeinsam haben.
"Luftwiderstand, Auftrieb, und Gewichtskraft müssen günstig zueinander liegen", berichtet er den neugierigen Zuhörern. Mit 360 Mädchen und Jungen geht das erste Kinderunisemester in die Semesterferien. Das gemeinsame Lehrangebot der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg und der Alfterer Alanus Hochschule steht unter der Überschrift "Grün, Grün, Grün sind alle meine Fragen".
Im Wintersemester, also wenige Wochen nach den Sommerferien, gibt es die Fortsetzung des Pilotprojekts. "Wir freuen uns, dass es im nächsten Semester weitergeht", sagt Michael Flacke, Leiter der Pressestelle der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. Die Resonanz auf die erstmals angebotene Kinderuni nennt Flacke "überwältigend".
Wie alle Veranstaltungen der Kinderuni ist auch die letzte in Rheinbach mehr als ausgebucht. Teilnehmer, die an mindestens vier der zehn Lehrstunden teilnehmen, erhalten ein Diplom. Im Wintersemester geht es mit "Auf Spurensuche" weiter.
Dass Daniel Bernoulli kein italienischer WM-Sturmkollege von Mario Balotelli, sondern ein wichtiger Mathematiker ("Bernoulli-Effekt") in Bezug auf Strömungsforschung ist, ist den jungen Zuhörern schnell klar. Den Trick, Büroklammern im Papierflieger zu verbauen, um die gewünschte Schwerpunktverlagerung zu erreichen, nennt Heinzelmann jedoch "unehrenhaft". Unter allen Faltoptionen bevorzugt der Professor die Y-Stellung, also wenn das selbst gebaute, mit Tricks getunte Flugobjekt, von vorne betrachtet wie ein Y aussieht.
Doch dass alle Theorie nur grau sein kann, diese Auffassung vertritt Drittklässler Nikolai (8) aus Siegburg. Er faltet, wirft, faltet erneut, wirft und faltet so lange, bis die Flugeigenschaften seinem hoch fliegendem Anspruch entsprechen. Einen Professorentipp verinnerlicht Nikolai aber sofort: "Wirf langsam", meint Heinzelmann, nachdem der Papiergleiter des Achtjährigen einen Absturz hinlegt. Und dann gleitet der Flieger mit sanftem Anschub aus Kinderhand elegant durch den Campusflur. Nicolai grinst zufrieden.