Vivian Immik aus Swisttal Glasveredlerin räumt mit Gesellenstück mehrere Preise ab

Rheinbach/Swisttal · Für Vivian Immik ist Glas nicht nur starr und zerbrechlich, es ist flexibel, haltbar und „eine Wissenschaft für sich“, die die 22-Jährige an der Glasfachschule in Rheinbach gelernt hat. Mit ihrem Gesellenstück hat die Swisttalerin gleich mehrere Preise abgeräumt und verrät, was Hamlet und Leondardo da Vinci damit zu tun hatten.

 Glasveredlerin Vivian Immik zeigt stolz eine Scheibe ihres Gesellenstücks, mit dem sie mehrere Preise gewonnen hat.

Glasveredlerin Vivian Immik zeigt stolz eine Scheibe ihres Gesellenstücks, mit dem sie mehrere Preise gewonnen hat.

Foto: Matthias Kehrein

Erster Platz im Landeswettbewerb, zweiter Platz im Bundeswettbewerb des Deutschen Handwerks, erster Platz im bundesweiten Kreativwettbewerb. Dass die Glasveredlerin Vivian Immik aus Swisttal in ihrer Fachrichtung Glasmalerei und Kunstverglasung mit ihrem unkonventionellen Gesellenstück so viele Preise abräumen würde, hätte die 22-Jährige nicht gedacht. Erst recht nicht, als sie in ihrem ersten Ausbildungsjahr zwei Glasscheiben zerbrach. „Ich habe gedacht, ich muss abbrechen“, sagt Immik. Ihr Klassenlehrer beruhigte sie aber glücklicherweise. „Glas ist empfindlich und unpraktisch“, sagt die Glasveredlerin. Und trotzdem fasziniert sie gerade die Haltbarkeit und Flexibilität des Werkstoffes.

In der Oberstufe war Immik von Rheinland-Pfalz ins Rheinland gezogen, ging aber nach einem Jahr vom Gymnasium ab. „Mir ist klar geworden, dass ich das nicht machen will.“ Über eine Freundin kam sie zur Glasfachschule in Rheinbach und begann die dreijährige Ausbildung. Glas war für die junge Frau, die in der Nähe von Trier aufwuchs, schon immer besonders: „Dort gibt es viel Römerglas und Keramik.“

Immik fasziniert, dass Glas ein Werkstoff ist, „der nicht vergeht“. Beweis dafür sind die vielen Römergläser, die Jahrhunderte später ausgegraben werden und Aufschluss über das Leben der Menschen geben können. Inspiration holt sich Immik auch gerne in Kirchen, wo es oft sehr alte Fenstergläser gibt. „Wenn ich dann durch das Glas schaue, denke ich an die Menschen, die vor hunderten Jahren dadurch geschaut haben“, sagt sie.

Jeder Glasveredler entwickelt eigene Farbpalette

Glasmaler und Kunstverglaser haben oft Betriebe, die auf ältere Kunst, zum Beispiel von Kirchen, spezialisiert sind, erzählt Immik. „Manche arbeiten aber auch mit Künstlern zusammen oder für höheres Klientel.“ In ihrer Probezeit in Rheinbach hatte Immik Stationen in allen Werkstätten der Schule, am besten gefiel es ihr bei der Glasmalerei. Die sei „eine Wissenschaft für sich“. Die Grundfarben seien vorgegeben, aber keiner halte sich daran. „Jeder entwickelt eine eigene Farbmischung“, sagt die Glasveredlerin. Im zweiten Lehrjahr mischte sie einmal 36 Farben. Für Immik ist Glas nicht nur starr und zerbrechlich, sondern flexibel: Sie kann es gießen, formen und färben.

 Das Gesellenstück von Vivian Immik ist ein Mobile aus drei Glasscheiben, die unterschiedlich bearbeitet wurden.

Das Gesellenstück von Vivian Immik ist ein Mobile aus drei Glasscheiben, die unterschiedlich bearbeitet wurden.

Foto: Glasfachschule Rheinbach

Immiks erster Entwurf für ihr Gesellenstück war vom Stück „Hamlet“ von William Shakespeare beeinflusst. Sie wollte die Ophelia im Wasser abbilden, zeichnete ihren Körper aber sehr minimalistisch. „Die grobe Struktur hat mir gefallen und damit habe ich weitergemacht“, erzählt die 22-Jährige. Die Glasveredlerin fertigte sehr viele Entwürfe an und dachte dabei an Leonardo da Vinci, der für jede Figur der Sixtinischen Kapelle mehrere hundert Skizzen gemacht hatte. „Ich wollte, dass die Scheibe so bräunlich und vergilbt aussieht wie seine alten Zeichnungen“, sagt Immik. So entwarf sie am Ende für ihre Gesellenprüfung ein Mobile aus drei Scheiben, die sie mit den unterschiedlichsten Techniken ihrer Ausbildung bearbeitete.

Immik stupfte mit dem Pinsel, radierte und wischte mit dem Finger über das Material, um die Farbe zu verteilen. Ein Glas behandelte sie mit Gelbbeize, auch Silbergelb genannt, einem stark eisenhaltigen Stoff, der sich beim Brennen auf das Glas überträgt und einen gelblichen Schimmer hinterlässt. Eine andere Scheibe bedruckte sie mit einer Tabelle, auf der Gliedmaßen auf Latein aufgeführt und nummeriert sind. Auf der untersten Scheibe ist ein Siebdruck eines Körpers mit den entsprechenden Nummern abgebildet. Um die Scheiben zu verbinden, musste Immik in das Glas bohren. „Es war sehr schwer, das Glas dabei nicht zu zerbrechen“, erinnert sie sich.

36 Stunden Zeit für das Gesellenstück

Immik musste viel herumprobieren, bis der Entwurf zum Gesellenstück im Winter abgesegnet wurde. Eine Scheibe entwickelte zum Beispiel beim Brennen einen Regenbogenschimmer, der so gar nicht zum Konzept passte. Zu viel Probieren konnte Immik aber nicht. „Das ist teures Zeug“, sagt sie. Im Mai 2020 hatte die Swisttalerin dann 36 Stunden Zeit, um das Gesellenstück fertigzustellen.

Als Abschlussbeste fragte die Schulleitung die junge Gesellin, ob sie beim Wettbewerb der Handwerkskammer mitmachen wolle. „Ich habe nicht damit gerechnet, dass ich so weit komme“, sagt sie. Umso größer war die Freude, als sie gleich mehrfach ausgezeichnet wurde. So kann die 22-Jährige eigentlich beruhigt in die Bewerbungsphase gehen. Sie hat die Wahl: Als Gesellin arbeiten, den Meisterbrief machen oder doch ein Studium der Restauration. Deshalb macht Immik gerade noch ihr Fachabitur.

Wegen Corona wird sie vermutlich aber erst einmal arbeiten und den Meister machen, erzählt sie. Immer wieder kommen Sorgen hoch, dass sie keinen Job finden wird. „Alle zwei Tage sagt meine Mutter: Guck dir den Pokal an“, erzählt Immik und lacht. Gerade bereitet sie alles für die Bewerbungen vor, die in ihrem Fach mindestens deutschlandweit verschickt werden müssen. „Dann mache ich mich auf die Jagd.“

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