Gespräch am Wochenende mit Martin Semmelrogge "Habe mein Leben auf Reset gestellt"

Die Hose ist kurz, trotz nahezu einstelliger Plusgrade, die Kopfhörer baumeln um den Hals herum. Tiefenentspannt wie ein Yogajünger erscheint Schauspieler Martin Semmelrogge zur Theaterprobe in der früheren Trinkhalle im Bad Godesberger Stadtpark. Mit dem 59 Jahre alten Mimen mit der unverwechselbar markanten Stimme sprach Mario Quadt.

 Spiel mit der Kamera: Martin Semmelrogge, der mit "Biedermann und die Brandstifter" in Bad Godesberg und Oberpleis auftritt, feixt während des Gesprächs mit dem GA auch mit dem Fotografen.

Spiel mit der Kamera: Martin Semmelrogge, der mit "Biedermann und die Brandstifter" in Bad Godesberg und Oberpleis auftritt, feixt während des Gesprächs mit dem GA auch mit dem Fotografen.

Foto: Axel Vogel

Das Mountainbike sieht nach einer Route querfeldein über Stock und Stein aus, die Hose ist kurz, trotz nahezu einstelliger Plusgrade am Morgen, die Kopfhörer baumeln lässig um den Hals herum. Tiefenentspannt wie ein Yogajünger erscheint Schauspieler Martin Semmelrogge zur Theaterprobe in der früheren Trinkhalle im Bad Godesberger Stadtpark. Vorbei die Zeiten, da er mehr mit Haftbefehlen und Sufffahrten Schlagzeilen machte. Doch die seien passé, berichtet Semmelrogge, der ab Montag, 26. Oktober, in "Biedermann und die Brandstifter" im Kleinen Theater auf der Bühne steht und am Freitag, 30. Oktober, im Rheinbacher Stadttheater gastiert. Mit dem 59 Jahre alten Mimen mit der unverwechselbar markanten Stimme sprach Mario Quadt.

Nicht zum ersten Mal sind Sie bei uns in der Region zu Gast, um mehr als zwei Monate lang Theater zu spielen. Was mögen Sie an der Region?

Martin Semmelrogge: Ich lebe ja auf Mallorca, was ja wunderschön ist - mit meiner Frau Sonja, zwei Hunden und drei Katzen. Aber mit meinem Trainer Ali aus dem Fitnessstudio habe ich schon Kontakt aufgenommen, bevor ich Anfang der Woche hier hinkam. Für mich ist es wichtig, in jeder Stadt, in der ich länger bin, ein Fitnessstudio zu haben. Das ist für mich Heimat, Stabilität und Entspannung. Ich bin froh, dass ich so pumperlgesund bin - mit fast 60. Hier gehe ich ins "Health-City" - das ist so eine Mischung aus Entspannung, Physiotherapie, Massage und zum Training. Dann hab ich noch den Rudi, Chef im Café Schöner. Mit dem bin gestern noch den Schlangenweg hochgefahren, ein bisschen durch den Wald gebrettert - mit dem Mountainbike, aber nur die kurze Strecke...

Gibt's was, was Sie nervt, wenn Sie so lange unterwegs sind?

Semmelrogge: Nun ja, ich bin froh, wenn wir bis Ende November spielen und ich an Weihnachten zu Hause bin. Am 18. Januar geht es dann weiter. Ich suche mir bewusst aus, was ich arbeite. Ich bin ein Theatertier. Am Theater hier mag ich das direkte Feedback und die Kreativität. Das gibt es bei einem Film dann ungefähr ein Jahr später.

Das Stück "Biedermann und die Brandstifter" aus der Feder von Max Frisch könnte angesichts der Wanderungsbewegungen innerhalb Europas aktueller kaum sein.

Semmelrogge: Ja, so langsam gehe ich an die Klassiker. Es ist ein tolles Stück und sehr aktuell zurzeit. Es geht um Bösewichte, die die Welt brennen sehen und den Menschen ihre Identität nehmen wollen. Überall hinterlassen wir im Stück brennende Ruinen, überall wird beschissen. Im Stück steckt ein schöner Sarkasmus - was ich liebe. Und der Chef, Walter Ullrich, macht selbst Regie. Wir lassen es auf der Bühne richtig brennen - mit Beamern und tollen Effekten. So entstehen schnelle Bildfolgen. Als Nächstes wage ich mich an Shakespeare. Der Othello ist schon gebucht. Und dann gehe ich an den Goethe - den Mephisto wollte ich immer schon spielen.

Was dürfen die Zuschauer von einem Theaterstück erwarten, bei dem der Name Semmelrogge ganz oben auf der Besetzungsliste steht?

Semmelrogge: Dass ungemein viel Semmelrogge drinsteckt. Es ist wie ein Auto, bei dem ich weiß, dass ein guter Motor drinsteckt. Das Stück lebt von tollen Typen. Ich habe tolle Kollegen - alle wie sie hier sind. Es ist ein Gesamtkunstwerk, das einfach knallt. Ist nichts zusammengeschustert, sondern ein Klassiker.

Sie wiesen eingangs darauf hin, dass Sie bald 60 Jahre werden - am 8. Dezember ist es soweit. Denkt man da nicht schon mal ein wenig an ruhestandsähnliche Zustände?

Semmelrogge: Wenn die Leute mich nicht mehr sehen wollen, gehe ich. Ich habe immer in einer anderen Welt gelebt. Ich habe ein tolles Hobby, das ich professionell mache. Ich finde es toll, so viel mit jungen Leuten zusammenarbeiten zu können. Das ist eine Energie, die gegenseitig beflügelt. Man wird ja immer reifer. Wenn man 60 Jahre so getobt hat wie ich, macht man sich keine Sorgen, was die nächsten zehn Jahre bringen. Ich habe mein Leben auf Reset gestellt, was war, ist vorbei. Ich gucke nur nach vorne, und wenn ich so gesund mit 70 bin, kann ich noch mal zehn Jahre Gas geben.

Am Montag waren Sie in Bad Godesberg im Kino. Wann ist Martin Semmelrogge selbst auf der großen Kinoleinwand zu sehen?

Semmelrogge: Ich habe gerade drei Filme in der Pipeline. Beim Film "Radio Heimat" von Frank Goosen mache ich mit - zusammen mit Heinz Hoenig, Ralf Richter oder Peter Lohmeyer. Es ist einfach schade, dass diese Alten nicht mehr so oft im Kino zu sehen sind. Das wird eine geile Geschichte werden. Der deutsche Film ist meines Erachtens auch kaum existent - außer "Fack ju Göhte" oder Til Schweiger. Deswegen gehe ich zum Theater.

Zu sehen ist Martin Semmelrogge ab Montag, 26. Oktober, in "Biedermann und die Brandstifter" im Kleinen Theater Bad Godesberg. Am Freitag, 30. Oktober, 20 Uhr, gastiert das Ensemble im Rheinbacher Stadttheater. Karten gibt's per E-Mail anregine.prause@stadt-rheinbach.de, unter Tel. 0 22 26/917-502, oder in den Bonnticketshops der GA-Zweigstellen.

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