Ein-Mann-Firma aus Volksdorf Hamburger bringt Bautrockner nach Rheinbach

Rheinbach · Kai Lingner betreibt in Hamburg seine Ein-Mann-Firma Blaue Elise Bautrocknung. Seine Geräte bringt er von dort persönlich ins Hochwassergebiet an der Ahr und in Rheinbach. Denn Bautrockner sind gerade Mangelware.

 Kai Lingner (l.) aus Hamburg hat Martin Groß einen Bautrockner für dessen Keller mitgebracht.

Kai Lingner (l.) aus Hamburg hat Martin Groß einen Bautrockner für dessen Keller mitgebracht.

Foto: Matthias Kehrein

Einen Bautrockner zu ergattern ist momentan ein bisschen wie ein Sechser im Lotto. „Europaweit gibt’s vor Dezember keine mehr zu kaufen“, weiß Kai Lingner, Inhaber der Blaue Elise Bautrocknung. Seine Ein-Mann-Firma sitzt in Volksdorf, einem Stadtteil im Nordosten von Hamburg. Als er von der Not der Menschen im Ahrtal und in der Umgebung hörte, zögerte er aber nicht, seine verfügbaren Geräte zur Verfügung zu stellen. Einen Bautrockner brachte er persönlich zur Familie Groß in Rheinbach.

Etwa drei Tage nach der Flut habe er den ersten Anruf eines Bonners erhalten, der fragte, ob er einen Bautrockner leihen könnte. „Ich dachte erst mal, das ist ein Scherz“, sagt er. Er sei früher schon mal auf einen Fake-Einkäufer hereingefallen, dem er einen Bautrockner lieh, den er dann nie wieder sah. Aber der Bonner hinterließ eine Kaution, alles lief ordnungsgemäß ab. „Ab da klingelte das Telefon Sturm.“ Mittlerweile seien Hunderte Bautrockner in die Region geliefert worden, auch eine befreundete Firma aus der Nähe von Hamburg habe ihre Geräte zur Verfügung gestellt, sogar aus Polen seien Bautrockner eingetroffen.

Angefangen hatte Lingner vor zehn Jahren, als er mit drei Bautrocknern seine nach dem „Rosaroter Panther“-Charakter benannte Firma gründete. Seitdem hat er sich stetig gesteigert und verfügt mittlerweile über gut 50 Geräte. 38 von ihnen seien momentan an der Ahr und in Rheinbach im Einsatz. Den Kontakt nach Rheinbach zur Familie Groß stellte das „Heimat Echo“ her – die Wochenzeitung für Hamburgs Nordosten. Wie Sport-Redakteur Sebastian Conrad dem GA erzählt, ist er mit dem Familienvater Martin Groß befreundet, der einst von Hamburg nach Rheinbach zog.

Hamburger hilft in Rheinbach und entwickelt Idee

Nach dem Hochwasser half Conrad seinem alten Freund, den vollgelaufenen Keller in dessen Haus in der Nähe des Ramershovener Bachs leerzuräumen. Dabei lernte der Redakteur die Not der Menschen vor Ort aus nächster Nähe kennen und entwickelte die Idee, Hamburger Unternehmen um Unterstützung für NRW zu bitten. Lingner steuert seine Hilfe gerne bei, sagt der Trocknungsexperte. In zwei Wochen will er noch einmal acht Bautrockner in die Region fahren, die bisher vermietet oder in Reparatur waren – obwohl seine Heimat mittlerweile selber Opfer von Starkregen geworden ist. „Ich hätte hier auch gut 30 Bautrockner vermieten können. Aber ich habe gesagt, die Menschen in NRW brauchen sie dringender.“

Den ersten Bautrockner brachte Conrads Bruder Mathias Conrad wenige Tage nach der Flut zur Familie Groß. Wie sich herausstellte, reicht aber ein Gerät für den etwa 20 Quadratmeter großen Keller nicht, berichtet Martin Groß. Ein Gutachter habe festgestellt, dass der verschachtelte Keller eigentlich zwei Bautrockner nötig habe. Sechs bis sieben Wochen müssen die Geräte laut Lingner ungefähr laufen. „Man rechnet pro Zentimeter Estrich etwa eine Woche“, erklärt der Fachmann.

Den zweiten Bautrockner brachte Lingner kürzlich selbst vorbei, versorgte nebenbei Groß‘ Nachbarschaft und lieferte weitere Geräte nach Hönningen-Liers, einer 1000-Einwohner-Gemeinde im Landkreis Ahrweiler. Die Miete für die Bautrockner berechnet Lingner regulär, aber sämtliches Equipment wie Windmaschinen, Kondensatpumpen, Schläuche und Kabelverlängerungen stellt er den Flutopfern kostenlos zur Verfügung.

„Wir sind über die Bautrockner wirklich sehr glücklich. Die sind kaum zu bekommen“, sagt Martin Groß. Das Hochwasser hat er selbst nicht miterlebt. Er war im Urlaub in Nordspanien, schildert er. Zu Hause hielt sein 17-jähriger Sohn die Stellung. „Mittwochnachmittag war noch alles super“, erinnert er sich. Sein Sohn habe sich am Telefon noch gefreut, weil er wegen des Regens die Blumen nicht gießen musste. Dann kam die Flut, das Strom- und Telefonnetz brach zusammen. Der Keller lief voll, nur drei Zentimeter unter der Eingangstreppe machte das Wasser Halt. In der Nacht zu Freitag pumpte die Feuerwehr Groß zufolge den Keller leer.

Müllberg begrüßt Reiserückkehrer aus Spanien

Zwei Tage brauchte der Familienvater von Spanien nach Hause. Dort begrüßte ihn am Freitag ein riesiger Müllberg vor dem Haus. „Das war ein Moment, da musste ich ehrlich schlucken. Wenn man vor den Trümmern dessen steht, was man aufgebaut hat, ist das ein Anblick, der einen innehalten lässt“, sagt er. Eine Elementarschadenversicherung hat die Familie abgeschlossen, eine Hausratversicherung nicht. Waschmaschine, Gefrierschrank, Werkzeug – alles fiel den Fluten zum Opfer. Nur Kleinigkeiten wie ein paar Weihnachtsbaumanhänger und metallene Kerzenhalter haben überlebt.

Nachdem der Sperrmüll beseitigt und nach zwei Wochen die Stromversorgung wiederhergestellt war, stellte sich die Frage nach der Trocknung. „Es wurde schnell klar, dass wir hier nichts organisieren können“, sagt Groß. Firmen, die seine Versicherung ihm nannte, waren entweder nicht zu erreichen oder setzten ihn auf endlose Wartelisten. Der private Kontakt nach Hamburg sei da ein Glücksgriff gewesen.

Groß weiß, dass die Familie im Vergleich zu anderen glimpflich davongekommen ist. Der Keller riecht muffig, trocknet dank der Bautrockner aber langsam. Was mit dem Estrich passiert, muss eine Spezialfirma noch beurteilen. Groß hofft, im Herbst wieder Putz an den Wänden und die ersten Regale stehen zu haben. In der Zwischenzeit versuche er, gelassen zu bleiben. „Was anderes bleibt uns auch nicht übrig.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort