Ein Jahr nach der Flut Gemeinden veranstalten Familienfeste für die Flutopfer
Rhein-Sieg-Kreis · Ein Jahr nach der Flutkatastrophe haben die stark betroffenen Orte Heimerzheim, Oberdrees und Odendorf Familienfeste ausgerichtet. Hier sollten die Flutopfer einen Ort finden, um abzuschalten, aber auch um sich auszutauschen.
Zum ersten Jahrestag der Flutkatastrophe hatten sich die vom Hochwasser besonders heimgesuchten Orte Heimerzheim, Oberdrees und Odendorf etwas Besonderes einfallen lassen. Familienfeste und „Schwafel-Tafeln“, organisiert von örtlichen Arbeitskreisen und Initiativen, boten Betroffenen, Nachbarn und Freunden jede Menge Gelegenheit, „einmal abzuschalten, sich auszutauschen und einen gemeinsamen Nachmittag zu verleben“, erzählte Nicole Caspers vom Infopoint Odendorf, der die Organisation am Zehnthof übernommen hatte.
Hüpfburg, Spiele und eine Märchenerzählerin unterhielten die jüngsten Besucher, für Live-Musik sorgte Klaus Jansen, Initiator der örtlichen Gedenktafel für die Opfer der Flutkatastrophe. Auch zwölf Monate nach der traumatischen Erfahrung der steigenden Wassermassen in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli wird bei vielen noch saniert. Häufig verzögern sich die Bauarbeiten – wegen fehlender Handwerker oder Corona beziehungsweise Quarantäne.
Die Erlebnisse beschäftigen noch viele Anwohner
Bei dem einen oder anderen liegen das entsprechende Gutachten und die Bewilligung der Anträge auf Fördergelder erst seit kurzem vor. So auch bei Jutta Bartels, die erst jetzt einen Architekten beauftragen konnte. Die Zeit vor einem Jahr wird auch bei der 59-jährigen „auf ewig eingebrannt bleiben“. In ihrem alten Fachwerkhaus (1780) an der Orbachstraße beobachteten sie und ihre Kinder am 14. Juli voller Panik, wie der Bach gegen 19 Uhr immer weiter anstieg. An ein Verlassen des Hauses war nicht zu denken, erst am Folgetag konnten sie sich an der Sammelstelle der Schule in Sicherheit bringen. Die nächsten Tage verbrachte die Familie bei einem Freund in Euskirchen. Dort lebt noch immer die 19-jährige Tochter, zwei Kinder sind seitdem bei ihrer Oma in Meckenheim untergebracht.
Bis vor zwei Wochen hat ein Stützbalken des Technischen Hilfswerkes für die Stabilität einer Hauswand gesorgt, bis heute fehlen im Erdgeschoss die Versorgungsleitungen für Strom und Wasser, in der Küche muss noch ein Fenster eingesetzt werden. „Das Schlimme an der Flut war das Gefühl, kein Zuhause mehr zu haben. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich seitdem bei anderen privaten Schicksalsschlägen nur noch funktioniere“, hat Bartels festgestellt.
Traumatisch war die Erfahrung auch für Alfred Ippendorf. In seiner Wohnung in der Essigerstraße stand das Wasser 15 Zentimeter hoch. „Wir saßen im Wohnzimmer auf Stühlen, die Füße hochgelegt und haben erst einmal abgewartet“, erzählte der 55-jährige. Lebhaft erinnert er sich an die schlammigen Straßen und wie er seine Schwiegereltern aus deren Haus in der Orbachstraße herausgeholt hat. Dann sei das Gerücht aufgetaucht, das Dorf müsse evakuiert werden, weil die Steinbachtalsperre breche, keiner habe jedoch Konkretes gewusst, auch die Polizei nicht, sagte Ippendorf.
Scharfe Worte findet der Odendorfer für Kreis- und Gemeindeverwaltung, die nach seiner Ansicht „Informationen über die Pegelstände gehabt und systematische Vorkehrungen hätten treffen können“. Doch nichts sei passiert. Odendorf sei nicht evakuiert, sondern planlos geräumt worden. Seine Wohnung hat mittlerweile neue Fliesen und eine neue Fußbodenheizung. Auch das Mobiliar wurde bereits geliefert.
„Beim halben Meter sind wir raus“
Zahlreiche Besucher tummelten sich auch auf dem Gelände des Alten Klosters in Heimerzheim. Zu den Besuchern gehörte Hans-Jürgen Schmitz, den die Erinnerungen an die Flut bis heute nicht loslassen. Bei ihm stieg das Wasser im Erdgeschoss bis zu 1,94 Meter, „beim halben Meter sind wir raus. Vier Stunden haben wir zum Sammellager an der Turnhalle am Höhenring gebraucht“, erinnerte sich der 56-jährige ehemalige Metzgermeister. Das Erdgeschoss war eine Schneise der Verwüstung. Ein Kompromiss mit dem Vermieter – er bezahlt die Materialien - ermöglichte die Sanierung des Gebäudes, denn „wir hätten sonst nicht gewusst wohin“, so Schmitz. Er selbst räumte mit einigen Helfern das Erdgeschoss leer, schlug den Putz ab und legte einen neuen Boden. Die Heizung wurde gerade eingebaut, neue Möbel im Juni geliefert. Rund neun Monate dauerten die Sanierungsarbeiten, in der Zwischenzeit lebte die Familie mit acht Personen auf 50 Quadratmetern im ersten Stock. Den zahlreichen Helfern ist er bis heute dankbar, denn „ohne sie wären wir untergegangen“.
In gleich zweifacher Hinsicht haben die beiden Tage den Oberdreeser Vartan Nazarian getroffen. So hat er nicht nur Möbel und Geräte in seiner Pizzeria an der Oberdreeser Straße verloren, auch das Erdgeschoss seines Hauses in der Frankenstraße war völlig verwüstet. Große Unterstützung beim Aufräumen leisteten die Nachbarn. Und so war es kein Wunder, dass er bei der „Schwafel-Tafel“ anin „seiner Straße“ dabei war. Die Idee dazu hatten der Ortsausschussvorsitzende Hans-Peter Eich und Gregor Häuser während der Aufräumarbeiten. Und so wurden die Franken- und Schulstraße gesperrt, Fähnchen und Luftballons an den Fassaden angebracht, Tische und Bänke rausgestellt. „Indem wir uns gegenseitig geholfen haben, hat das die Nachbarschaft zusammengebracht“, freute sich Nazarian. Diese wird ihm auch helfen, wenn er Herd und Kühlschränke in die Räumlichkeiten seiner neuen Pizzeria neben seinem Wohnhaus schleppen wird.