Interview mit Autorin Petra Schier Ihre Frauengestalten müssen selbstbewusst sein

Rheinbach · Am Samstag, 10. August, kommt die 40-Jährige Petra Schier zum „Autoren-Spezial“ in die Rheinbacher Buchhandlung Kayser.

 Recherche ist das A und O: Bei ihr gebe es keine historischen Details, die nicht stimmen, sagt Petra Schier.

Recherche ist das A und O: Bei ihr gebe es keine historischen Details, die nicht stimmen, sagt Petra Schier.

Foto: Axel Vogel

Petra Schier ist eine Vielschreiberin par excellence: Sei es der jüngst erschienene Roman „Flammen und Seide“, der die Leser mit ins Rheinbach des Jahres 1673 nimmt, „Strandkörbchen und Wellenfunkeln“ oder „Der Ring des Lombarden“, der 2020 erscheint.

In der alten Zeit sind Sie literarisch zu Hause – vor allem im Mittelalter. „Flammen und Seide“ spielt aber im 17. Jahrhundert. Wie lange braucht es, um sich adäquat in eine Epoche hineinversetzen zu können? Es dürfte nicht alles der Fantasie überlassen sein?

Petra Schier: Das ist unterschiedlich. Durch den „Hexenschöffen“ habe ich schon mal im 17. Jahrhundert recherchiert. Dadurch ging es etwas schneller. Grundsätzlich dauert es einige Monate. Um eine ganze Epoche zu recherchieren, brauche ich sechs Monate.

Wie wichtig ist Ihnen die Recherche und wie reagieren die Leser darauf?

Schier: Die Recherche ist mir absolut wichtig. Bei mir gibt es keine historischen Details, die nicht stimmen. Ich würde auch niemals ein geschichtliches Datum verschieben, nur damit es in die Geschichte passt. Meine Geschichten müssen zur Historie passen – und nicht umgekehrt. Mir sind die Details wichtig, wie die Menschen damals gelebt, gedacht, gefeiert, gegessen, sich angezogen oder sich gewaschen haben – wenn sie sich gewaschen haben.

Ihre Hauptprotagonistin Madlen Thynen erscheint mir als sehr zupackende Frau. Im Angesicht des nahenden Krieges unternimmt sie alles, um den Tuchhandel ihres Vaters aufrecht zu erhalten. Sie ist eine richtige Chefin. Dabei spielt sie sich nicht auf, und was sie sagt, findet Gehör. Würden Sie widersprechen?

Schier: Nein, überhaupt nicht. Das ist tatsächlich so. Ich habe viel in Archiven zu diesem Thema recherchiert. Oft waren es die Frauen, die den Betrieb geführt haben und die diejenigen waren, die überhaupt lesen und schreiben konnten. Deswegen sind meine Frauengestalten oft sehr zupackend und selbstbewusst – oder sie lernen, selbstbewusst zu sein. Natürlich hat sich die Rolle einer Bäuerin im 17. Jahrhundert stark unterschieden von der einer reichen Kaufmannstochter oder einer Adeligen. Um mir diese Geschichten anzueignen, wühle ich in der Historie, lese viel in Quellen, Gerichtsakten oder Testamenten. Dort gibt es ganz viel, was sich zwischen den Zeilen lesen lässt.

Nach Rheinbach bringen Sie Ihr neuestes Werk „Strandkörbchen und Wellenfunkeln“ mit. Auf der Vorderseite des Buches ist ein flauschiger Golden-Retriever-Welpe zu sehen. Die erste große Liebe der Tierärztin Luisa steht überraschend vor der Tür und hält das winselnde Fellknäuel auf dem Arm – spielend in der Jetzt-Zeit. Es muss eine Lust sein, derart zwischen den Zeiten und Genres zu springen?

Schier: Ja, sonst würde ich es wohl auch nicht machen. Ich war schon immer der Typ, der sich nicht nur an ein Thema hält. Ich springe gerne in verschiedenen Genres umher. Es ist eine ganz andere Herausforderung, einen historischen Roman zu schreiben als einen Liebes- oder Weihnachtsroman oder einen Action-Thriller in der Gegenwart. In vielen meiner Liebesromane spielen auch die Hunde eine große Rolle, die gedanklich ihren Senf dazugeben dürfen. Da bekomme ich immer viele Rückmeldungen, dass es mir offensichtlich sehr gut gelingt, den Hunden eine Stimme zu verleihen. Viele sagen, dass sie ihre Hunde mit anderen Augen betrachten und sich fragen, was ihr Hund wohl gerade denken mag. Ja, es macht Spaß, solch unterschiedliche Geschichten zu schreiben.

In beiden Büchern spielen die jeweiligen Jugendlieben eine nicht unbedeutende Rolle. Weiß Ihr Mann davon?

Schier (lacht): Mein Mann ist auch meine Jugendliebe. Der weiß davon, natürlich. Das ist tatsächlich reiner Zufall, dass das so parallel zusammengekommen ist.

Nach dem Roman ist vor dem Roman: Wovon handelt Ihre nächste Geschichte?

Schier: Der nächste Roman, der erscheint, wird wieder ein Weihnachtsroman sein – ein Liebesroman mit Hund, der zur Weihnachtszeit spielt. Zwei Personen, die sich nicht ausstehen können, treffen sich nach einem Jahr wieder. Daraus sind 508 Seiten Weihnachtsroman geworden, in der auch ein Hund eine Rolle spielt, aber alles nur noch mehr durcheinanderbringt.

Haben Sie schon einen Titel für das Buch?

Schier: Es heißt „Stille Nacht, flauschige Nacht“. Dieser Titel ist nicht aus einer Idee von mir entsprungen. Der Verlag denkt sich diese Titel aus. Als ich den Titel hörte, habe ich erst mal geschluckt. Aber ich denke, ich habe beim Schreiben den Bogen so hinbekommen, dass es eine flauschige Nacht wird. Wie, das verrate ich noch nicht. Es ist oftmals so, dass ich den Titel des Buches erst während des Schreibens erfahre.

Schlummern bei Ihnen noch Primärquellen historischer Art, die darauf warten, zu Literatur zu werden?

Schier: Im Moment nicht. Dafür schlummern andere Ideen. Im Moment habe ich noch Verträge für meine Reihe, die im Köln des 15. Jahrhunderts spielt. Der erste Band „Das Gold des Lombarden“ ist vor zwei Jahren erschienen. Im Moment bin ich im Lektorat zum zweiten Band „Der Ring des Lombarden“. Nächstes Jahr wird „Die Rache des Lombarden“ erscheinen, und wenn es nach mir geht, auch ein vierter Band: „Das Vermächtnis des Lombarden“. Bevor ich die nicht geschrieben habe, befasse ich mich nur am Rande mit neuen Themen. Natürlich kommen immer Ideen dazu, und diese Ideen sammle ich dann. Vor Ende nächsten Jahres komme ich gar nicht dazu, ganz neue Dinge zu überlegen.

Ist es anno 2019 schwierig, von Literatur leben zu können?

Schier: Es ist schwierig, absolut schwierig. Gerade, wenn man es hauptberuflich macht, reichen ein oder zwei Bücher im Jahr nicht aus, um davon zu leben. Es gibt so viele Verlagsneuerscheinungen und die ganzen Neuerscheinungen im Selbstverlag – eine Wahnsinnskonkurrenz an Titeln. Man muss schon gute Geschichten abliefern, aber man muss auch sichtbar sein. Es geht nicht nur darum, zu recherchieren und zu schreiben: Mehr als die Hälfte meiner Zeit geht für Marketing drauf. Die Verlage sind froh, wenn ihre Autoren in allen sozialen Netzwerken vorhanden sind, eine eigene Homepage und womöglich noch einen Blog haben.

So wie Sie...

Schier: Da geht alles in allem richtig viel Zeit drauf. Dann kommen noch Lesungen dazu oder Besuche auf Buchmessen. Viele sind ganz erstaunt, dass ich antworte, wenn sie mich auf Facebook anschreiben. Es macht mir auch Spaß, im direkten Dialog zu sein. Ich habe es geschafft, recht ordentlich davon zu leben – bei vier bis sechs Büchern im Jahr.

Man kennt Sie auch unter dem Pseudonym Mila Roth. Schreibt es sich als Alter Ego anders?

Schier: Da habe ich noch nicht drüber nachgedacht. Anders? Die Themen sind vielleicht anders. Was ich als Mila Roth schreibe, sind immer Serien – Serien im TV-Format tatsächlich. Es sind vergleichsweise kurze Episoden von 150 bis 240 Seiten Länge, die wie Fernsehserien in Staffeln erscheinen. Von meiner Serie „Spionin wider Willen“ umfasst eine Staffel zwölf Episoden, wie im TV, also kurze Feierabendlektüre. Das Schreiben an sich oder die Figurenentwicklung ist nicht wesentlich anders. Die Planung einer Serie ist aber anders. Ich kann mich da mal austoben: Schießereien, Verfolgungsjagden, Explosionen – was das Herz begehrt.

Am Samstag, 10. August, ist Petra Schier mit einem „Autoren-Spezial“ von 11 bis 12.30 Uhr in der Rheinbacher Buchhandlung Kayser, Hauptstraße 28, zu Gast. Unter anderem signiert sie „Strandkörbchen und Wellenfunkeln“. Der Eintritt ist kostenlos. Der GA und die Autorin verlosen fünf signierte Bände von „Flammen und Seide“. Wer das Buch über das Rheinbach des Jahres 1673 samt Signatur gewinnen möchte, sendet bis Montag, 5. August, 12 Uhr, eine E-Mail an vorgebirge@ga.de.

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