Hilfsbereitschaft und Verbundenheit Vor 77 Jahren evakuierte Eicherscheider spenden für Rheinbacher Flutopfer

Rheinbach · Im Zweiten Weltkrieg waren Einwohner aus Eicherscheid in der Eifel nach Rheinbach evakuiert worden. Nun erwiderten sie die Hilfsbereitschaft mit einer Spendenaktion für die Flutopfer.

 Zeitzeugen der Evakuierung aus Eicherscheid bei der Ausstellung in der dortigen Kirche.

Zeitzeugen der Evakuierung aus Eicherscheid bei der Ausstellung in der dortigen Kirche.

Foto: privat

September 1944: Im kleinen Eifelörtchen Eicherscheid bei Simmerath im damaligen Kreis Monschau ist dumpfer Kanonendonner von der näher rückenden Front zu hören. Die ersten Orte des Monschauer Landes sind bereits durch amerikanische Truppen eingenommen. Am 8. und 9. Oktober 1944 ergeht die Anordnung des Gauleiters der Nationalsozialisten: Die etwa 750 Bewohner müssen Eicherscheid verlassen.

Damit wurde die bereits am 11. September vom Oberkommando der Wehrmacht in Berlin getroffene Entscheidung zur Evakuierung der Ortschaften am Westwall umgesetzt. Für die Eicherscheider war als „Aufnahmekreis“ Bonn/Euskirchen festgelegt. So kamen etwa 300 von ihnen mit ihren wenigen erlaubten Habseligkeiten als sogenannte Evakuierte nach Rheinbach und in einige Nachbarorte. Die freundliche Aufnahme, die sie dort erlebten, haben die älteren Einwohner bis heute nicht vergessen. Mit einer Spendenaktion für die Flutbetroffenen drückten sie jetzt ihre Verbundenheit aus.

1944 waren die Eicherscheider auf Hilfe aus Rheinbach angewiesen

Vor 77 Jahren waren die Eicherscheider die Betroffenen. In mehrtägigem Fußmarsch machten sich Großfamilien und Gruppen gemeinsam auf den Weg. „Es durfte nur das Nötigste mitgenommen werden, unter anderem persönliche Dinge, Kleidung, alltäglicher Hausrat, wenige Fahrräder und ähnliches. Wer ein Pferd hatte, konnte sich glücklich schätzen und dies samt Karre und zwei an die Karre festgebundenen Kühen mitnehmen. Das restliche Vieh wurde größtenteils vorher von Weißrussen (Hilfswillige-Hiwis mit deutscher Uniform, aber ansonsten ohne Rechte) abgetrieben und geschlachtet“, so die festgehaltenen Erinnerungen, zusammengetragen vom Arbeitskreis Geschichte Eicherscheid aus der Schulchronik, aus Dokumenten und aus Berichten von Zeitzeugen. „Am Evakuierungsort wurde gearbeitet. Man half bei den Gastgeber-Familien in der Landwirtschaft, im Gewerbe oder auch in öffentlichen Einrichtungen, soweit es ging. Schließlich war man auch auf die karge Verpflegung in den Familien vor Ort angewiesen.“

Bis heute erzählen die Zeitzeugen noch liebevoll von ihren Herbersfamilien

Die gemeinsame Zeit schuf Verbundenheit bis heute. „Und so war die Idee entstanden, eine Spendenbox zugunsten der Flutopfer aufzustellen, die gezielt Rheinbachern zugutekommen sollten“, sagte Ludwig Siebertz vom Geschichtskreis Eicherscheid dem GA. 1057 Euro konnten auf das städtische Spendenkonto für die Flutopfer in Rheinbach eingezahlt werden, als Zeichen der Dankbarkeit für damalige freundliche und selbstlose Aufnahme der Evakuierten durch die Herbergsfamilien.

Christof Huppertz, Ansprechpartner des Eicherscheider Ortskartells, des Zusammenschlusses der Ortsvereine, und Ludwig Siebertz vom Arbeitskreis Geschichte hatten dazu etwa 30 Personen im Alter von 80plus als Zeitzeugen befragt und immer nur positive Erinnerungen erfahren. Auch seine Eltern und sein Bruder, Jahrgang 1940, hätten immer nur liebevoll von ihrer Herbergsfamilie Pfahl in der Weiherstraße 17 gesprochen, so Siebertz.

Der 75-Jährige selbst hat zwar keine Erinnerung an die Evakuierung, jedoch an einen Besuch als Fünf- oder Sechsjähriger, bei dem auch er die Freundschaft mit der Herbergsfamilie erleben konnte. Sein Bruder habe sich immer an eine regelmäßige Begebenheit erinnert, wie er dem GA erzählte: Ein behinderter Onkel der Familie sei mit in Rheinbach evakuiert gewesen, wo seine Aufgabe das Sägen von Holz auf einem Platz gewesen sei. Als Lohn habe der Onkel immer drei bis vier Butterbrote bekommen, so Siebertz. Und sein Bruder erzählte später noch, wie sehr er jeden Tag die Heimkehr des Onkels wegen dieser Brote herbeigesehnt habe.

Auf einer Liste der Toten des Fliegerangriffs auf Rheinbach vom 29. Januar 1945 findet sich auch die Eicherscheid evakuierte Olga Förster.

Auf einer Liste der Toten des Fliegerangriffs auf Rheinbach vom 29. Januar 1945 findet sich auch die Eicherscheid evakuierte Olga Förster.

Foto: Gerda Saxler-Schmidt

Bis heute teilen Rheinbach und Eicherscheid Freude und Leid

Dass die Evakuierten und Herbergsfamilien in Rheinbach Freud und Leid teilten, zeigt auch die Erinnerungstafel an die Opfer des Fliegerangriffs auf Rheinbach vom 29. Januar 1945: Die Eicherscheiderin Olga Förster kam bei dem Angriff auf ein Lazarett ums Leben.

77 Jahre später feierte das 1250 Einwohner zählende „Golddorf“ Eicherscheid, gelegen im heutigen Nationalpark Eifel am Rande des Hohen Venn, am ersten September-Wochenende sein 600-jähriges Bestehen. Allerdings wegen der Corona-Pandemie mit einjähriger Verzögerung. Auch hier wären Rheinbach dabei gewesen: Der Museumspädagoge Dr. Christian Peitz aus Rheinbach wollte mit seinem Team vom „Projekt Past Present“ mittelalterliche Ritterspiele darstellen, Aber er musste den Veranstaltern mitteilen, dass alle Requisiten durch die Flutkatastrophe vom 14./15. Juli vernichtet worden waren. Eine Not, in der nun die Eicherscheider für die Rheinbacher da waren.

Freude teilen die Menschen beider Orte sonst im Karneval: Der Musikverein „Eifelklänge“ aus Eicherscheid ist stets im Rheinbacher Veilchendienstagszug mit von der Partie und hat auch schon beim größten Prinzenempfang der Region der ortsansässigen Unternehmer im Gewerbepark Nord aufgespielt.

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