Kreisbrandmeister zur Flut-Nacht „Mehrere Faktoren führten zum Ausfall“

Region · Über die teilweise schlecht funktionierende Kommunikation während der Flutkatastrophe vom 14. und 15. Juli spricht Kreisbrandmeister Dirk Engstenberg mit GA-Redakteur Jörg Manhold.

 Das Hochwasser ist in Heimerzheim bis in die Bornheimer Straße gestiegen.

Das Hochwasser ist in Heimerzheim bis in die Bornheimer Straße gestiegen.

Foto: Justin Restel/Picifiart

Herr Engstenberg, in der ersten Phase nach Beginn der Hochwassergeschehnisse in Swisttal und Rheinbach war die Kommunikation zwischen Kreiskrisenstab und den Krisenstäben in Swisttal und Rheinbach nur eingeschränkt vorhanden. Woran lag das genau?

Dirk Engstenberg: Die üblichen Kommunikationswege mittels Digitalfunk sowie Festnetz und Mobilfunknetz fielen zum Teil gleichzeitig aus oder funktionierten nur noch partiell. Für die Einsatzführung vor Ort, aber auch für die Kommunikation mit den Führungsstellen ist im Einsatzgeschehen der Digitalfunk von besonderer Bedeutung. Der Ausfall dieser besonders geschützten Kommunikationstechnik ist als hochverfügbares Netz von den Netzbetreibern, Bund und Land, ausgelegt, der Ausfall hat alle Einsatzkräfte sehr überrascht.

Gibt es keine Vorkehrungen gegen Stromausfälle? Welche Redundanzen sind vorgesehen?

Engstenberg: Für die Sicherstellung der Funktionsfähigkeit ist eine Bundesbehörde zuständig, die gemeinsam mit den Ländern entsprechende Sicherheitskonzepte – auch vor Stromausfällen – erstellt hat. Ich kann mir nur vorstellen, dass mehrere Einflussfaktoren das Ausfallszenario beeinflusst und zu diesem unerwarteten Ausfall geführt haben. Grundsätzlich sollte der Digitalfunk die veraltete analoge Funktechnik gänzlich ersetzen. Im Rhein-Sieg-Kreis sind wir im Nachhinein sehr froh darüber, dass wir diese analoge Funktechnik noch weiter vorhalten, so dass uns nach einiger Zeit in Teilen wieder eine Funkkommunikation zur Verfügung stand. Im weiteren Einsatzverlauf wurden durch Einheiten des Katastrophenschutzes weitere analoge Relaisstellen provisorisch in Betrieb genommen.

Warum hat der Einsatz der vorhandenen Satellitentelefone nicht befriedigend funktioniert?

Engstenberg: Diese Frage kann ich Ihnen technisch nicht erklären und das ist ein Bestandteil unserer Aufarbeitung.

Wieso ist der analoge Funk dem digitalen Funk in dieser Situation überlegen gewesen?

Engstenberg: Der große Unterschied zwischen dem analogen und dem digitalen Funksystem ist, dass analog auch mit einer schlechten Sprachübermittlung eine Verständigung möglich ist – der Digitalfunk funktioniert so eben nicht. Ein Dazwischen gibt es nicht. Grundsätzlich ist der Digitalfunk technisch sehr komplex und deckt mit einer Vielzahl von kleineren Funkzellen relativ kleine Gebiete ab. Der analoge Funk kommt mit viel weniger Sendeinfrastruktur aus, die zwar auch ausfallen kann, jedoch ohne leitungsgebundene Netzwerkverbindungen auskommt. Kurzum: komplexe Techniksysteme erfordern ein Vielfaches an Sicherheit und Redundanz.

Wieso war es keine Option, mit der mobilen Leitstelle vor Ort zu fahren, um wenigstens die „Laufwege“ zu verkürzen?

Engstenberg: In der Einsatzleitung werden Entscheidungsfindungen nach einem Beurteilungsverfahren getroffen. Der Einsatzleitwagen des Kreises ist im Fachjargon gesprochen „nicht watfähig“, d.h. er hätte die stark betroffenen Kommunen in den ersten 24 Stunden einfach nicht erreichen können. Zudem ersetzt das Fahrzeug nicht eine Digitalfunkinfrastruktur und darf nicht als mobile Leitstelle verstanden werden –auch mit den Geräten dieses Fahrzeuges hätte im Schadensgebiet nicht gefunkt werden können. Schlussendlich und vor allem wurde die technische Ausstattung für die Funktionsfähigkeit der Einsatzleitung in Siegburg benötigt. Somit war eine andere Verwendung des Fahrzeuges kein Option.

Für welche Szenarien ist der Vor-Ort-Einsatz der mobilen Leitstelle sinnvollerweise vorgesehen?

Engstenberg: Das Fahrzeug wird regelmäßig bei örtlich begrenzten Schadenslagen eingesetzt, zuletzt bei einem Industriebrand in Siegburg. Bei großflächigen Schadensszenarien stellt das Fahrzeug die Führungsinfrastruktur für die übergeordnete Leitung und Koordination sicher.

Hätte man nicht kurzfristig mobile Handyfunkmasten aufstellen können, zumindest in den Tagen nach der Flut?

Engstenberg: Die Sicherstellung der Telekommunikationsinfrastruktur liegt in der Verantwortung und Durchführung bei den Netzbetreibern. Ich kann mir nur vorstellen, dass der Ausfall des Netzes zu weiträumig war, um eine solche Notversorgung aufbauen zu können.

Was müssen die für den Katastrophenschutz zuständigen Behörden aus den Ereignissen lernen? Und wie ist jetzt der behördliche Weg dazu?

Engstenberg: Die Weiterentwicklung des Katastrophenschutzes hat in der Kreisverwaltung bereits begonnen, erste Gespräche wurden auch mit dem Innenministerium geführt. Von Seiten der Feuerwehr habe ich einen Prozess der Einsatznachbetrachtung angestoßen, der unter Einbindung aller Feuerwehrangehörigen zu einem kreisweiten Meinungsbild zusammengeführt wird. Aus diesen Meinungen und Vorschlägen werden die Verbesserungspotenziale aus Feuerwehrsicht gewonnen und in die weiteren Beratungen eingebracht. Die Katastrophenvorsorge ist ein durchgängiger Prozess und muss auf allen Ebenen als Gemeinschaftsaufgabe verstanden werden.

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