Leben ohne Plastik Rheinbach auf dem Weg zur Null-Müll-Stadt

Rheinbach · Yvonne und Lars Pfliegner wollen ihren Kindern eine saubere Umwelt hinterlassen. Deshalb haben sie einen Unverpackt-Laden in Rheinbach eröffnet. Und nicht nur die Pfliegners setzen sich für mehr Umweltschutz in ihrer Stadt ein.

 Lars Pfliegner vom Unverpackt-Laden „Anti-Plasti“ in Rheinbach füllt in seinem Geschäft ein Behältnis mit Bohnen auf. Kunden können Lebensmittel in mitgebrachten Gefäßen transportieren und so die Plastikverpackung einsparen.

Lars Pfliegner vom Unverpackt-Laden „Anti-Plasti“ in Rheinbach füllt in seinem Geschäft ein Behältnis mit Bohnen auf. Kunden können Lebensmittel in mitgebrachten Gefäßen transportieren und so die Plastikverpackung einsparen.

Foto: Matthias Kehrein

„Dass wir die Welt nicht retten können, ist uns klar“, sagt Yvonne Pfliegner. Ihr Mann Lars stimmt ihr zu. Aber weniger Verpackungsmüll zu produzieren sei ein Anfang, finden die beiden. Deshalb eröffneten sie im November 2020 den Unverpackt-Laden „Anti-Plasti“ in Rheinbach.

Zum Sortiment gehören Lebensmittel, aber auch Haushaltswaren, wie zum Beispiel Spülbürsten aus Naturfasern oder Zahnbürsten aus Holz. Es gibt festes Shampoo und Seifen und Kunden können sich Spül- und Waschmittel in mitgebrachte Behältnisse abfüllen lassen.

Mit der richtigen Menge weniger verschwenden

So werde nicht nur Plastikmüll vermieden, sondern auch Verschwendung entgegengewirkt. „Man kauft nur das, was man braucht“, beobachtet Yvonne Pfliegner das Verhalten ihrer Kunden. Statt zu viel zu kaufen, kann man sich im Unverpackt-Laden genau die richtige Menge selbst abfüllen und so nichts verschwenden.

Kunden kaufen im Supermarkt oft Nahrungsmittel oder Haushaltswaren, die durch die Verpackung beworben werden, die sie aber gar nicht brauchen, vermutet Lars Pfliegner. Und seine Frau weiß: je kleiner die Verpackung, desto aufwendiger und dadurch teurer. „Viele haben das Vorurteil, dass Unverpackt-Läden teuer sind. Das kann man so nicht sagen“, bedauert Yvonne Pfliegner.

Sie möchte dazu ermutigen, den Unverpackt-Laden unverbindlich kennenzulernen. „Man muss hier ja nicht direkt einen Großeinkauf machen.“ Auch die Pfliegners haben Schritt für Schritt angefangen, plastikfrei zu leben. So ganz ohne Plastik geht es auch bei ihnen nicht, reduziert haben sie dennoch. Einen Gelben Sack füllen sie als vierköpfige Familie im Monat noch.

Müllsammelaktionen gegen den Plastikmüll

Für weniger Müll in der Stadt setzt sich auch die Initiative „Rheinbach ohne Plastikmüll“ ein. Die Initiative gründete sich im September 2019 nach einem Treffen der Steuerungsgruppe Rheinbach Fairtrade Town, berichtet Mitglied Karen Beuke. Die Gruppe trifft sich einmal im Monat. Auf dem Rheinbacher Feierabendmarkt stellt sie mit einem Informationsstand ihre Projekte vor. Dabei geht es zum Beispiel um umweltfreundliche Reinigungsmittel oder Mehrweg-Alternativen für Verpackungen oder Müllsammelaktionen im Stadtgebiet. Im Gespräch mit der Stadt plant die Initiative ein Patenschaftsprojekt, bei dem Bürger auf freiwilliger Basis wilden Müll auf einer ihnen zu gewiesenen Fläche sammeln.

Viel Müll ist in den vergangenen zwei Jahren durch Take-Away-Food angefallen. Zuvor waren Plastikabfälle durch geliefertes oder mitgenommenes Essen schon ein Problem, in der Pandemie nahmen die Bestellungen und damit der Müll aber noch einmal zu. Ab dem 1. Januar 2023 tritt europaweit das Verpackungsgesetz für die Gastronomie in Kraft. Es verpflichtet gastronomische Betriebe mit einer Fläche von mehr als 80 Quadratmetern und mehr als fünf Angestellten dazu, Kunden eine Mehrweg-Alternative zu der üblichen Verpackung anzubieten.

Mehrwegbehälter gegen Pfand könnten die Lösung sein

Unternehmen wie „Vytal“ aus Köln stellen in Partnerschaft mit den Gastronomiebetrieben Mehrwegbehälter zur Verfügung. Kunden können die Behälter dann bei jedem Partnerbetrieb von „Vytal“ zurückgeben. Das Unternehmen verwendet für die Rückgabe eine App. Mit einem QR-Code wird verfolgt, bei wem das Behältnis gerade ist. So wird kein Pfand fällig. Andere Anbieter wie „recup“ setzen ein Pfand ein, sodass für die Ausleihe kein Smartphone notwendig wird.

Karen Beuke kennt sich mit den Anbietern aus und hat zu einigen Kontakt aufgenommen. In Rheinbach hat sie bereits einigen Gastronomen die Alternative zur Einweg-Verpackung vorgestellt. Die Resonanz sei zwar immer noch verhalten, aber mehrheitlich positiv, zieht Beuke Bilanz.

Mehrweg-Angebot wird für Gastronomen zur Pflicht

Der Aufwand, der mit der Einrichtung eines digitalen Rückgabesystems einhergeht, schrecke viele Gastronomen noch ab. Beuke empfiehlt den Betrieben dennoch, sich über die Möglichkeiten zu informieren. Ab Januar 2023 wird das Mehrweg-Angebot schließlich für einige Betriebe zur Pflicht. Aktuell können Kunden bereits ihre eigenen Behältnisse mitbringen, um sich Lebensmittel darin mitzunehmen. Wie Karen Beuke weiß, akzeptieren das die meisten Gastronomie- und Einzelhandelsbetriebe in Rheinbach.

Die Stadt Rheinbach digitalisiert für weniger Müll das Verwaltungssystem

Wie berichtet, hat der Rat der Stadt Rheinbach im Juni 2021 beschlossen, dass die Stadt zur „Zero-Waste-City“, einer Null-Abfall-Stadt, werden soll. Ein Master-Plan der Zero-Waste-Städte in Europa beinhaltet Richtlinien, denen auch die Stadt Rheinbach in Zukunft folgen will. Dabei ist der Anspruch nicht, Müll um jeden Preis zu vermeiden, sondern verantwortlich mit entstandenem Müll umzugehen. Die Rhein-Sieg-Abfallwirtschaftsgesellschaft, die für die Abfallbewirtschaftung in Rheinbach zuständig ist, strebe dafür laut Stadtverwaltung zum Beispiel eine ökoeffiziente Verwertung und das Recycling von Abfall durch richtige Mülltrennung an.

Um Müll zu reduzieren, sollen außerdem die Verwaltungsprozesse der Stadt Rheinbach digitalisiert werden. Es werde an der digitalen Bereitstellung von Dienstleistungen über das Kommunalportal NRW gearbeitet, heißt es vonseiten der Stadt. Seit Ende April können Bürger zum Beispiel den Antrag auf Wohngeld online stellen, so die Verwaltung. In der Beratung über den Haushaltsplan für 2022 und darauffolgende Jahre seien zudem finanzielle und personelle Ressourcen für die Umsetzung von weiteren Projekten im Bereich Klimaschutz vorgesehen.

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