Gespräch am Wochenende Musikpoet Oliver Steller über seinen Auftritt beim Lesefest in Rheinbach

Rheinbach · Poesie und seine Gitarre "Frieda" - damit schafft Musikpoet Oliver Steller regelmäßig eine besondere Atmosphäre auf der Bühne. Mit dem GA sprach er über sein Gastspiel in Rheinbach beim Lesefestival "Seitenknistern".

 Mit seiner unvergleichlichen Stimme und Gitarre Frieda gastiert Oliver Steller am Sonntag beim „Seitenknistern“ in Rheinbach.

Mit seiner unvergleichlichen Stimme und Gitarre Frieda gastiert Oliver Steller am Sonntag beim „Seitenknistern“ in Rheinbach.

Foto: Büro Steller

Welches Publikum ist härter: weibliche Zuhörerinnen, die sich von ihrer Stimme und ihren Worten verzaubern lassen, oder Kinder, die auf ihre Lieblingslieder warten?

Oliver Steller: Ich würde sagen, dass Kinder das härtere Publikum sind: Kinder sind gnadenlos. Die würden auch reinrufen, wenn irgendwas langweilig ist. Die fangen an zu reden, sind unruhig, wenn man sie nicht kriegt mit den Texten, Liedern oder Zaubertricks. Wir Erwachsene sind im Theater zunächst mal mit uns selbst beschäftigt: Wie ist das Bühnenbild, wer kommt da auf die Bühne, wie sieht er aus, was hat er an...? Dann sind wir als Erwachsene höflich und gewähren erst mal. Die Kinder tun das nicht, die wollen von Anfang an unterhalten werden – mit Vollgas.

Wie lange muss ein Musikpoet üben, um mit seiner Stimme solche Atmosphären zu erzeugen?

Steller: Das Erste ist, viel zu trinken – Wasser, nichts anderes. Möglichst drei Liter am Tag, um die Stimmbänder feucht zu halten. Das Zweite ist die Atmung. Man versucht, in den Bauch zu atmen und mit dem Zwerchfell zu arbeiten, um Druck zu entwickeln. Und das Dritte ist: viel auftreten (lacht). Unser Körper ist ein Wunderwerk, der gewöhnt sich an alles. Wenn die Jungs einmal im Jahr ihre Tour de France machen, weiß der Körper sofort, was los ist, wenn die Tour beginnt. So ist das mit der Stimme auch: Die weiß, wann sie auf Tournee geht.

Mit auf der Bühne haben Sie immer Frieda, ihre Steelgitarre. Was kann sie, was Sie nicht können?

Steller: Frieda eröffnet die zweite musikalische Ebene. Wenn ich bei Kinderprogrammen bis zu 300 Kinder vor mir sitzen habe, nehme ich die Frieda in die Hand und spiele einen Ton. Dann habe ich plötzlich Ruhe. Wenn es auch vorher noch wuselig war, ist Ruhe, und alle wollen hören, was passiert. Frieda sieht auch noch so toll aus, ist ein Blickfang und klingt anders als andere Gitarren. Frieda ist wie ein Bühnenpartner, der Aufmerksamkeit ziehen kann und die zweite Ebene – nach der Stimme – eröffnet. Die dritte Ebene ist dann die Zauberei.

Als Profimusiker sind Ihnen mehrere Gitarren zu Diensten – alle haben weibliche Namen. Warum?

Steller: Sagen wir mal so: Die Gitarre ist weiblich. Der Artikel ist weiblich, darum liegt es nahe. Große Gitarristen wie BB King haben ihre Gitarre Lucille genannt. Sie hat in gewisser Weise auch eine weibliche Form – eine Taille. Vielleicht liegt es daran. Irgendwann habe ich das angefangen vor 25 oder 30 Jahren. Es liegt aber hauptsächlich daran, dass die Gitarrenkoffer, die alle von der gleichen Firma stammen, alle von außen gleich aussehen. Das heißt: Die Koffer sind von außen beschriftet, damit ich weiß, wer drin ist. Damit ich mich nicht vergreife. Die stehen alle in Reih und Glied, und mir ist es einmal passiert, dass ich die falsche Gitarre mitgenommen habe.

Vermutlich war es weit weg von den anderen Gitarrenkoffern...

Steller: Oft ist es weit. Dann kann ich nicht zurückfahren und muss das mit der Gitarre bestreiten, die ich dabei habe. Das ist eine Qual, wenn man die falsche dabei hat. Da macht man sich als Nicht-Gitarrist keine Vorstellung von.

„Wer nichts weiß, muss alles glauben.“ Dieses schöne Zitat stammt von Marie von Ebner-Eschenbach. Wie tief müssen Sie graben, um solche Schätze zu heben?

Steller: Tief, sehr tief. Ich sitze gerade über dem neuen Programm – dem Robert-Gernhardt-Programm. Es ist ja nicht so, als würde ich bei Gernhardt völlig unbeleckt an die Sache herangehen. Ich beschäftige mich seit 20 Jahren mit ihm. Aber wenn ich ein Programm schreiben will, dauert es zwei Jahre, in denen ich mich intensiv damit beschäftige. Ich grabe im Werk, das ich intensiv lese, ich grabe aber auch in der Sekundärliteratur. Und bei Robert Gernhardt kann man auch im Netz graben. Bei Youtube gibt's alte Sendungen aus den 60er Jahren. Bei zehn Sendungen, die ich mir anschaue, fallen zwei Sätze ab, die ich mir aufschreibe, und ein halber Satz schafft es ins Programm. Diese Programme koche ich immer weiter runter. Ich habe bei vier Programmen ein Buch dazu geschrieben. Das ist dann die Fünf-Stunden-Version des Programms, welche ich auf der Bühne herunterkoche auf zwei Stunden.

Ein Mann, eine Gitarre, betörende Worte und zwei Stunden Zeit: Wie schwer ist es, Rezitation zu etwas Eigenem zu machen?

Steller: Ich würde sagen, es ist nicht schwer. Die Stimme ist wie ein Instrument. Als ich mit acht Jahren angefangen habe, Gitarre zu spielen, habe ich das aus einem bestimmten Grund getan: Ich habe welche gesehen, die das besonders gut gemacht haben. Damals spielte BAP bei uns in der Grundschule für zwei Mark - mit zwei anderen Bands. Da waren die noch unbekannt. Ich dachte mir: So was will ich auch.

Also wurde geübt und geübt?

Steller: Bei meiner Stimme war es genauso. Ich hatte gute Lehrer, mein wichtigster war mit Sicherheit Lutz Görner. Mit dem war ich lange auf Tournee. Und je mehr man sich dem Publikum gegenüber öffnet, je mutiger man wird, desto eher hat man die Chance, an etwas Eigenes ranzukommen und das Eigene zu transportieren. Das ist ein Prozess, der viele Auftritte erfordert und nicht die Routine, sondern das Neue sucht. Wenn ich Zuschauer bin, merke ich, wenn sich jemand verstellt.

Ihr Terminkalender ist gut gefüllt. Wie ist es für einen Schöngeist zu reisen? Juckt es nicht, ein Lied über Gasthäuser zwischen Usedom und Garmisch zu komponieren?

Steller: Das wäre ein unglaublich vielfältiges Lied. Ich mag unser Land unheimlich gern. Es ist wahnsinnig vielfältig in seinen Bildern und Mentalitäten. Ich mag manche Landstriche ganz besonders gern. Das Ruhrgebiet etwa: Manches ist schon schön, manches verbaut. Aber ich mag die Leute dort. Ich mag Sprüche wie: „Besser wird's nicht, und woanders ist auch scheiße“ (lacht). Das entspricht dieser Mentalität, hat so was Ehrliches. Bei uns im Rheinland merkt man, dass wir Französisch besetzt waren: Wir sind redselig und katholisch. Ich animiere meine Frau immer dazu, dass wir in Deutschland Urlaub machen.

Am Sonntag gastiert er um 12.30 Uhr im Glasmuseum Rheinbach. Karten kosten sieben, für Kinder fünf Euro.

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