Aus fünf Jahrhunderten Neuer Standort für alte Grabsteine in Rheinbach gesucht

RHEINBACH · Sie lehnen ungeschützt an der Friedhofskapelle, und manchmal verschwindet auch einer: Historische Grabsteine auf dem Friedhof Sankt Martin. Stadtarchivar Dietmar Pertz sucht nach einem neuem Standort für die bis zu 500 Jahre alten Grabmale.

 Auf dem Friedhof St. Martin gibt es eine Reihe von Grabsteinen aus fünf Jahrhunderten, die Dietmar Pertz und Hajo Henk bei einem Rundgang des Eifel- und Heimatvereins Interessierten erläuterten.

Auf dem Friedhof St. Martin gibt es eine Reihe von Grabsteinen aus fünf Jahrhunderten, die Dietmar Pertz und Hajo Henk bei einem Rundgang des Eifel- und Heimatvereins Interessierten erläuterten.

Foto: Gerda Saxler-Schmidt

59 historische Grabsteine, teils fünfhundert Jahre alt, auf dem Friedhof Sankt Martin sind in einer Dokumentation von 1985 mit Fotos und wichtigen Eckdaten erfasst. Dass es inzwischen „unter 50“ sind, nahmen die rund 25 Interessierten eines Rundgangs über den Friedhof mit dem Eifel- und Heimatverein mit einigem Erstaunen zur Kenntnis. „Es kommen aus unerklärlichen Gründen Steine weg. Manche finden sich dann auf Privatgrundstücken wieder“, mussten Stadtarchivar Dietmar Pertz und Hajo Henk, Ur-Rheinbacher und profunder Kenner der Historie, feststellen.

Seit der Erstellung der Dokumentation haben die Steine „sich nicht wesentlich verschlechtert“, so Pertz. Leider lehnen sie aber unbefestigt außen an der Friedhofskapelle, was zum einen „das Wegkommen“ begünstige, besonders aber für die beidseitig beschrifteten historischen Steine bedauerlich sei, denn die Rückseite ist bei dieser Lagerung nicht zu sehen.

Wünschenswert wäre es, so Pertz, das von Georgsring und Neuen Pfade begonnene Projekt umzusetzen, die Steine so aufzustellen, dass sie beidseitig zu sehen sind. Konkret war geplant, die Steine rund um den durch Pflasterung wieder sichtbar gemachten Grundriss der 1798 abgebrannten Kirche Alt-Sankt Martin (siehe Kasten) zu positionieren. Das Projekt wurde aber aus verschiedenen Gründen nicht umgesetzt. Wie Werner Gerhards vom Georgsring dem GA auf Nachfrage erklärte, sei jetzt vorgesehen, etwa fünf der historisch wertvollsten Steine im Inneren der Friedhofskapelle fachmännisch vom Steinmetz aufstellen zu lassen. Dazu seien aber noch Abstimmungen mit dem städtischen Friedhofsamt notwendig – auch zu den Kosten.

Gedenkstein für Hermann Löhr

Der historisch bedeutendste Stein ist kein Grabstein, sondern ein Gedenkstein für Hermann Löher und dessen Vater Gerhard, errichtet am 30. April 1685 von Hermanns Sohn Bartholomäus. Die Inschrift nennt den Namen des Stifters über den kreuzförmig angeordneten Buchstaben GSDSG für „Gott sei deiner Seele gnädig“ sowie die Namen und Sterbedaten von Gerhard Löher – 1625 1. May – und Hermann Löher – 1678 12. November. Die dritte Zahl, „16“, ist unvollendet und sollte wahrscheinlich das Sterbedatum von Bartholomäus selbst aufnehmen. Hermann Löher ist eine wichtige Persönlichkeit in der Rheinbacher Stadtgeschichte: Er war mit 36 Jahren jüngster Schöffe am Hochherrengericht und Rheinbacher Bürgermeister in den Jahren 1627 und 1631.

Als Gerichtsschöffe war er zunächst an den im Jahr 1631 beginnenden Hexenprozessen beteiligt. Als er selbst in den Verdacht der Hexerei geriet, floh er mit seiner Familie nach Amsterdam. Bis heute gibt Löhers Schrift „Hochnötige Unterthanige Wemütige Klage der Frommen Unschültigen“ einen einzigartigen Einblick in die Hexenverfolgung.

Zeitgenosse Löhers war Pfarrer Winand Hartmann, dessen Grabkreuz von 1667 ebenfalls erhalten ist. Der Pfarrer sei ein vehementer Gegner der Hexenverfolgung gewesen und habe mit Löher noch nach dessen Flucht nach Amsterdam in Briefkontakt gestanden, so Pertz. Erhalten ist ein Brief Hartmanns an Löher aus dem Jahr 1647, in dem er beklagt, dass es in Rheinbach, das ihm nun nur noch ein „Neinbach“ sei, Ungerechtigkeit und keine gute Ordnung mehr gebe, Ehebrecher und Versoffene hätten das Sagen.

Amt des Bürgermeisters war nicht beliebt

Erhalten ist auch ein Grabstein für Jacobus Horst, der 1716 für ein Jahr Bürgermeister war und ab 1752 sogenannter „Ratsverwandter“. An seinem Beispiel erläuterte Henk, dass das damals auf ein Jahr begrenzte Amt des Bürgermeisters nicht beliebt gewesen sei, weil dieser für die Stadtkasse in Vorlage treten musste und darauf zu achten hatte, dass die Bürgerpflichten wie das Säubern von Gräbern auch eingehalten wurden.

Manche Steine tragen Namen auf der Vor- und der Rückseite, wie der des ehemaligen Bürgermeisters und Gerichtsschöffen Henricus Diebendal, verstorben am 3. Januarius 1707, und seiner Frau Lambertina, die auf der Rheinbacher Hauptstraße das Wirtshaus „Zum Hirsch“ führten.

Noch erhalten beziehungsweise restauriert ist die Mauer, die den früheren Kirchhof umgab. Dass die Mauer aus dem 11. bis 12. Jahrhundert stammt, könne man daran erkennen, dass Gussbetonstücke der römischen Eifel-Wasserleitung (Römerkanal) verwendet wurden, wie Henk erläuterte.

Interessant sei, dass auf dem Kirchhof zunächst eine städtische Kapelle gestanden habe. Dieses Phänomen erkläre auch, wieso die älteste Glocke im Turm der heutigen Pfarrkirche Sankt Martin in der Innenstadt aus dem Jahr 1536 keinerlei religiöse Motive, aber das Wappen von Chur-Köln trage. Diese Glocke sei in den Aufzeichnungen „vergessen“ und deshalb 1942 nicht abgeliefert worden und ist so noch heute zu hören.

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