Pfadfinder in Rheinbach Mehr als ein Hobby: „Für viele ist es eine zweite Familie“

Rheinbach · Mit Karte und Kompass umgehen, Feuer machen und Knoten lernen – Kinder bekommen bei den Pfadfindern nicht nur Wissen vermittelt, sie lernen fürs Leben. GA-Volontärin Felizia Schug hat die Pfadfinder in Rheinbach besucht.

Pfadfinder zu sein ist mehr als ein Hobby
Foto: Felizia Schug

An sein erstes Pfadfinderlager erinnert sich Elias noch ganz genau. „Das war an der Steinbachtalsperre“, sagt der Elfjährige über eine schöne Zeit, bevor die Hochwasserkatastrophe der Talsperre zusetzte. Elias war schon auf einigen Fahrten dabei und hat mit den anderen Jungen aus seiner Gruppe viele Abenteuer erlebt. „Einmal haben wir einen Bunker gefunden“, erzählt er mit strahlenden Augen. Ein anderes Mal seien sie gemeinsam einen ganz steilen Berg hoch gewandert. „Das war sehr weit und sehr anstrengend“, sagt Elias – doch es habe großen Spaß gemacht.

Elias und seine Freunde sind bei den Rheinbacher Pfadfindern vom Stamm „Antoine de Saint-Exupéry“ aktiv. Sie sind Jungpfadfinder, genannt „Juffis“. Gerade haben sie Gruppenstunde im Kallenturm, einer von den ehemals sieben Türmen der mittelalterlichen Stadtbefestigung. Im sogenannten Rover-Raum – benannt nach der Pfadfinderstufe für Jugendliche ab 16 Jahren, den Rovern – gibt es viele Sofas und in der Mitte einen großen Tisch. Dort sitzen Elias, Karim (12), Julius (12) und Lenard (13) mit ihrem Leiter Fabian Schneider zusammen. Sie schwelgen in Erinnerungen an vergangene Aktionen und Pfadfinderlager.

Mit Leib und Seele Pfadfinder

Hinter Julius an der Wand hängen viele Erinnerungen: Hinweiszettel von Schatzsuchen, Gemaltes und Gebasteltes. Der Zwölfjährige, der schon seit sechs Jahren bei den Pfadfindern ist, erzählt: „Da haben wir mal ein Geländespiel gespielt und haben gelbe Gummibärchen als Belohnung bekommen – die sollten das Geld darstellen“. Julius ist bereits seit der sogenannten Wölflingsstufe bei den Pfadfindern. Im Alter von sieben Jahren kann man in der Regel Mitglied werden, mitunter auch schon ab sechs. Bei Julius war das so, weil sein großer Bruder ebenfalls bei den Pfadfindern aktiv gewesen war. Was er an den Pfadfindern so gerne mag, weiß der Zwölfjährige genau: „Dass man sich mit Leuten trifft.“

 70 Jahre Pfadfinder in Rheinbach: Der Stamm "Antoine de Saint-Exupéry" feiert Jubiläum im Kallenturm.

70 Jahre Pfadfinder in Rheinbach: Der Stamm "Antoine de Saint-Exupéry" feiert Jubiläum im Kallenturm.

Foto: Juliane Hermann

Pfadfinder sei man mit Leib und Seele, meint Stammesvorstand Tobias Reuter. „Für viele ist es eine zweite Familie“, sagt der 27-Jährige, der mit zwölf Jahren zu den Rheinbacher Pfadfindern kam. Den Stamm „Antoine de Saint-Exupéry“, wie sich die Ortsgruppe nennt, gibt es seit 70 Jahren. Er bestehe heute aus 64 Mitgliedern, von denen 40 wirklich aktiv seien und regelmäßig an Gruppenstunden und Aktionen teilnähmen, berichtet Reuter. Die Rheinbacher gehören zur Deutschen Pfadfinderschaft St. Georg, einem katholischen Pfadfinderverband mit deutschlandweit rund 95.000 Mitgliedern (siehe Info-Kasten). Zwingend katholisch sein müssen die Mitglieder aber nicht.

„Aus meiner Sicht könnten alle Gruppen noch mehr Leute vertragen. Wenn jemand Interesse hat, freuen wir uns, wenn man einfach vorbeikommt“, sagt Reuter, den die anderen nur Tobi nennen. In den wöchentlichen, nach Altersstufen getrennten Gruppenstunden seien neue Mädchen und Jungen immer gerne gesehen. Es wird drinnen und draußen gespielt – und altersgerecht Pfadfinderwissen vermittelt oder angewendet: Die Kinder und Jugendlichen lernen Knoten für den Zeltaufbau, den richtigen Umgang mit Feuer, die Orientierung in Wald und Wiese oder die Planung von Wanderungen.

Bei den „Juffis“ wird jetzt gespielt. „Verstecken im Turm ist unser Lieblingsspiel“, erzählt Lenard – und Julius zeigt einen Schrank in der Werkstatt, der sich als besonders gutes Versteck bewährt habe. „Nach dem Spielen wollen wir in der Werkstatt ein Auto aus Holz bauen und es im Rheinbacher Freizeitpark einen Hügel runterfahren lassen“, fügt Gruppenleiter Fabian Schneider hinzu.

Ohne Handy unterwegs

Neben den Gruppenstunden gibt es weitere feste Aktionen im Jahr: Zeltlager an Pfingsten, in den Sommer- oder Herbstferien sowie Ausflüge und Wanderungen. Gerade auf Fahrt zu gehen macht das Hobby für Kinder und Jugendliche interessant – obgleich, oder vielleicht gerade, weil das Handy zu Hause bleibt.

„Ich find’s cool, ohne Handy, dann können meine Eltern nicht anrufen und fragen, wie es mir geht“, sagt Elias grinsend. „Ich liebe daran, ein bisschen in einer kleinen Blase zu sein“, berichtet Lenard. Die anderen stimmen zu: Es sei schön, den Alltag für ein paar Tage zu vergessen und sich auf das Nötigste zu beschränken.

Den eigenen Konsum zu reduzieren, das Smartphone mal zu Hause zu lassen und die Natur zu genießen – das scheinen viele Kinder und Jugendliche heutzutage nicht mehr zu kennen. Im Gegensatz zu früher, wie Gregor Kreuser berichtet. Der 87-Jährige ist ein Gründungsmitglied des Stamms. Das Rauskommen und die Naturverbundenheit seien schon immer Grundideen des Pfadfinderseins gewesen. „Wir wollten raus. Wir waren ja zehn Jahre alt, als der Krieg zu Ende war“, erinnert er sich.

Singen am Lagerfeuer zum 70-jährigen Bestehen der Pfadfinder in Rheinbach. (V.l.): Simon (17), Marcel von der Mark, Axel Krämer, Tim Kalisch und Friederike (14).

Singen am Lagerfeuer zum 70-jährigen Bestehen der Pfadfinder in Rheinbach. (V.l.): Simon (17), Marcel von der Mark, Axel Krämer, Tim Kalisch und Friederike (14).

Foto: Petra Reuter

Pfadfinder gibt es seit 1907

Wer Pfadfinderleben kennt, wolle es nie mehr missen, findet Reuter – und trotzdem bleibe Pfadfinderei in der Gesellschaft ein „Nischenhobby“. Manche sind womöglich von medialen Klischees abgeschreckt oder vom Erscheinungsbild. Damit gemeint ist die Kluft, ein Hemd mit Aufnähern und Halstuch, das schon wie eine Uniform anmutet.

Tatsächlich war Robert Baden-Powell (1857-1941), der Gründer der Pfadfinderbewegung, ein britischer Soldat. Als er im Jahr 1907 die Pfadfinder mit einem ersten Zeltlager auf der kleinen Insel Brownsea bei Bournemouth an der Südküste Englands gründete, wollte er mit einem einheitlichen Hemd aber keine militärische Struktur schaffen, sondern die sozialen Unterschiede unter den Jugendlichen unsichtbar machen. Alle sollten das Gleiche tragen und sich nicht über ihre Herkunft oder ihr Aussehen definieren – ein Grundsatz, der bis heute so besteht. Auch in Rheinbach.

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