Prozess in Rheinbach Häftling will aus dem Gerichtssaal fliehen
Rheinbach · Der Häftling war als Zeuge geladen. Dann wollte er durchs Fenster des Gerichtssaals über ein Baugerüst aus dem Amtsgericht fliehen. Doch der Plan scheiterte.
Gescheitert ist am Dienstag der Fluchtversuch eines Gefangenen aus dem Gerichtssaal des Rheinbacher Amtsgerichts. Der 53-jährige Häftling, der als Geschädigter einer Schlägerei unter Gefangenen der JVA Rheinbach im Zeugenstand ausgesagt hatte, war blitzschnell vom Stuhl neben seinem Rechtsbeistand als Nebenkläger aufgesprungen, zum Fenster im Rücken der Staatsanwältin gespurtet und hatte das Fenster aufgerissen, um über ein Baugerüst in die Freiheit zu fliehen.
Allerdings waren die beiden Wach-Bediensteten das Amtsgerichts schneller: Während ein Beamter den Flügel des Fensters gegen den Gefangenen drückte, der schon einen Fuß auf das Fensterbrett gestellt hatte, ergriff der andere Beamte den Häftling von hinten. Gemeinsam brachten die beiden Beamten den 53-Jährigen zu Boden, legten ihm die Handschellen wieder an, die ihm zuvor bei seiner Aussage abgenommen worden waren, und führten ihn umgehend aus dem Gerichtssaal.
Fluchtversuch ist nicht strafbar
Das Fenster hinter der Staatsanwältin war zu Beginn der Verhandlung geöffnet worden, um in der Corona-Pandemie für ausreichend Belüftung zu sorgen. Die anderen Fenster im Gerichtssaal waren abgeschlossen. Die Fassade des Gerichtsgebäudes ist zurzeit wegen Sanierungsarbeiten eingerüstet.
„So ein Gerüst weckt offenbar Begehrlichkeiten“, kommentierte der Strafrichter den fehlgeschlagenen Fluchtversuch. Strafbar ist es nicht, wenn ein Gefangener versucht, sich selbst zu befreien, so der Richter. Etwas anderes sei es allerdings, wenn dabei jemand anderes verletzt werde. Einer der Beamten hatte sich am Knöchel verletzt.
Angeklagt in dem Strafverfahren war ein 27-jähriger ehemaliger Mithäftling, der in der JVA Rheinbach vor etwa zwei Jahren in einer Freistunde gemeinsam mit einem weiteren bereits verurteilten Gefangenen den 53-Jährigen mit Fäusten geschlagen und ihn getreten hatte, als dieser bereits am Boden lag. Sein Mandant habe nach einer zunächst verbalen Auseinandersetzung „in diesem Moment eine sehr kurze Zündschnur gehabt“, so der Verteidiger des Angeklagten.
Schlägerei in der JVA
Die Schilderung stimmte mit dem Video der Überwachungskamera in der JVA überein, das der Strafrichter zeigte. Der geschädigte Mitgefangene gab an, nur einige Tage Rückenschmerzen und eine Verletzung am Kinn, aber keine dauerhaften Schäden davongetragen zu haben. Die persönliche Entschuldigung des Angeklagten im Gerichtssaal akzeptierte er sofort.
Dem mehrfach vorbestraften 27-jährigen Angeklagten stellten Verteidiger, Staatsanwältin und Strafrichter eine „vorsichtige Sozialprognose“ aus, wie der Richter formulierte. Dies, weil er sich in einem „Prozess der Selbstreflexion“ hinsichtlich seines Alkoholkonsums befinde und Unterstützung von Bewährungshilfe und gesetzlicher Betreuung anstrebe.
Wegen gefährlicher gemeinschaftlicher Körperverletzung erhielt er eine achtmonatige Freiheitsstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. In der vierjährigen Bewährungszeit muss er neben straffreier Führung als Bewährungsauflage ein Anti-Gewalttraining absolvieren und den Weisungen der Bewährungshilfe folgen.