Serie „50 Jahre Rhein-Sieg-Kreis“ Auf den Spuren der Geschichte von Rheinbach

Rheinbach · Der Rhein-Sieg-Kreis feiert seinen 50. Geburtstag. Zu diesem Jubiläum stellen wir alle 19 Städte und Gemeinden rechts und links des Rheins vor. Diesmal ist Rheinbach im Porträt.

Die Tomburg ist die Ruine einer Höhenburg nahe dem Rheinbacher Ortsteil Wormersdorf.

Die Tomburg ist die Ruine einer Höhenburg nahe dem Rheinbacher Ortsteil Wormersdorf.

Foto: Volker Lannert

Es mögen augenscheinlich – zumindest auf den ersten Blick – nur ein paar lehmverschmierte Knochen sein, die in gut einem Meter Tiefe im Erdreich schlummern. Doch die Überreste eines Menschen, der vor rund 4500 Jahren in der Region gelebt haben muss, erzählen ganze Lebensgeschichten. Der noch namenlose, archäologische Sensationsfund vom Rheinbacher Wolbersacker hatte bereits kurz nach der Veröffentlichung seiner Entdeckung im Januar dieses Jahres die Fantasie der GA-Leser angeregt. Mehr als 250 Namensvorschläge zum „Ötzi von Rheinbach“ gingen in der Redaktion des General-Anzeigers ein. Als Favoriten entpuppten sich die Namensanregungen Rheini, Raetzi, Tommi oder Wolbi.

Über viereinhalb Jahrtausende schlummerten seine sterblichen Überreste unentdeckt im Erdreich. 40 Jahre lang lebte der „Ötzi von Rheinbach“ zuvor auf einem Grund, auf dem heute das vor wenigen Wochen erst offiziell eröffnete Distributionszentrum von DHL Supply Chain, Kontraktlogistik-Spezialist der Deutschen Post DHL Group, seine Arbeit aufnahm. Vor dem Beginn der Bauarbeiten für dieses Gebäude an der A61 mit 32.000 Quadratmetern Nutzfläche, 20.000 verschiedenen Artikeln und 33 Laderampen, machten sich Archäologen auf dem Wolbersacker auf die Suche nach frühzeitlichen Relikten. Was sie fanden, waren die in Hockstellung bestatteten Knochen eines Menschen aus der Jungsteinzeit.

Dass dieser Fund eines Tages zurückkehrt, um am Ort seiner Entdeckung adäquat ausgestellt werden zu können, diesem Ansinnen hat das Bonner Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland des Landschaftsverbands Rheinland (LVR) jüngst eine klare Absage erteilt. Sie sollen in Bonn ausgestellt werden. Dennoch sind die Menschen in Rheinbach auf diesen Sensationsfund stolz und überlegen, wie sich mit der Entdeckung Touristen locken lassen. Als Magnet für Besucher soll sich das neue Römerkanal-Infozentrum am Himmeroder Wall erweisen. Am Samstag, 28. September, öffnet das Haus von 11 bis 17 Uhr erstmals seine Pforten, um die Faszination antiker Baukunst am Beispiel der römischen Wasserleitung von der Eifel nach Köln zu zeigen.

Wirklich schön im städtebaulichen Sinn, ist das Rheinbacher Logistikzentrum des in Bonn ansässigen Global Players nicht. Kein Wunder, dass der Rheinbacher Grünen-Ratsherr Nils Lenke, von Berufs wegen renommierter Experte für Künstliche Intelligenz, während seiner Haushaltsrede die rhetorische Frage stellte, ob dieses Bauwerk in gleicher Weise geeignet sei, in Zukunft Touristen anzulocken, wie die 4500 Jahre alten Knochenfunde das leisten könnten. „Wer wird in 5000 Jahren staunend vor den Resten des Hochregals unseres Ankermieters auf dem Wolbersacker stehen?“, fragte Lenke in den Ratssaal des Glasmuseums, freilich ohne auf eine Antwort auf diese Frage zu warten.

Rheinbach in seiner Vielfalt

Besondere Brisanz gewinnt die archäologische Entdeckung übrigens dadurch, dass just auf dem Gelände ein ganz anderer Global Player Wurzeln schlagen sollte: Es hätte gewiss nicht nur die Kinder in Rheinbach froh gemacht, sondern auch einige Erwachsene – besonders den Hüter der Stadtkasse, Kämmerer Walter Kohlosser. Doch die Trauer über die Entscheidung des Bonner Süßwarenherstellers Haribo im September 2013, einen neuen Standort auf der rheinland-pfälzischen Nachbargemeinde Grafschaft anzusiedeln, währte in der Glasstadt nicht lange. Denn die für den Goldbärchenproduzenten reservierten Flächen muss die Stadt nicht wie Sauerbier feilbieten – im Gegenteil. Da Gewerbeflächen in der Region Mangelware sind, haben sich in den vergangenen Jahren eine Fülle neuer Unternehmen in Rheinbach angesiedelt.

Dass sich dies auch in zunehmendem Maße im Stadtsäckel widerspiegelt, hilft dabei, dass Rheinbach seine Stellung als die Bildungsstadt im Rhein-Sieg-Kreis behalten kann. Schließlich sind nicht wenige Einrichtungen – wie die 2014 eröffnete Gesamtschule – in der Trägerschaft der Stadt. Hinzu kommt, dass Rheinbach durch die Existenz der Staatlichen Glasfachschule, dem Campus der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg und des Landwirtschaftscampus Klein-Altendorf seine Bedeutung als Hochschulstadt auszubauen weiß.

Hitzige Debatten bringt in Rheinbach das Dauerthema Verkehr mit sich. Als eine Art von Schildbürgerstreich empfinden viele Menschen im Ortsteil Wormersdorf die Tatsache, dass die seit mehr als 40 Jahren ersehnten Lärmschutzwände an der A61 schlicht zu niedrig ausgefallen sind. Da Lastwagen bis zu vier Meter hoch sind, können die Anwohner die vorbeibrausenden Lärmquellen nicht nur hören sondern auch sehen. Grund: Im Mittel sind die fertiggestellten Schutzwände lediglich 3,50 Meter hoch, an ihren beiden Enden flachen sie sogar auf drei Meter ab.

Das Rheinbacher Rathaus ist übrigens steinerner Zeuge dafür, dass die Kommune mal Kreisstadt war. Gegründet wurde der Landkreis Rheinbach nach dem Sieg einer multinationalen Koalition über Kaiser Napoleon. Nach dem Wiener Kongress 1815 ging das Rheinland an Preußen. Ende April 1816 nahmen die neuen Verwaltungseinheiten in der Rheinprovinz – auch der Landkreis Rheinbach – ihren Dienst auf. Die Menschen, die damals in den Orten wohnten, die heute die Stadt Meckenheim und die Gemeinde Swisttal bilden, mussten für ihre Anliegen ins Kreishaus nach Rheinbach. 1932 wurde der Kreis Rheinbach Teil des Landkreises Bonn, der seit 1969 den linksrheinischen Teil des Rhein-Sieg-Kreises bildet.

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