Aufarbeitung der Flutnacht in Rheinbach „Einsatzkräfte haben Leben gerettet“

Rheinbach · 150 Millionen Euro – so hoch schätzt Bürgermeister Ludger Banken die Hochwasserschäden in Rheinbach ein. In einer Sondersitzung des Stadtrats schilderte die Verwaltung, wie sie das Hochwasser erlebt hatte. Wehrleiter Laurenz Kreuser hob den außergewöhnlichen Einsatz der Feuerwehr in der Flutnacht hervor.

 Das verheerende Unwetter wütet am 14. Juli auch in Rheinbach. Der Stadtrat hat das Hochwasser zum Thema einer Sondersitzung gemacht. 

Das verheerende Unwetter wütet am 14. Juli auch in Rheinbach. Der Stadtrat hat das Hochwasser zum Thema einer Sondersitzung gemacht. 

Foto: Axel Vogel

Die Stimmung in der Rheinbacher Stadthalle war bedrückend, als Bürgermeister Ludger Banken das Wort ergriff. In einer Sondersitzung des Stadtrats ließen der Verwaltungschef und sein Leitungsstab die Ereignisse der Katastrophennacht Revue passieren. Zu Wort kam außerdem Wehrleiter Laurenz Kreuser, der energisch eine Lanze für seine Einsatzkräfte brach. Aus den Fraktionen waren viel Zuspruch und allenfalls zögerliche Fragen zu hören. „Es geht jetzt um Information, nicht um Aufarbeitung“, sagte Bürgermeister Banken. „So weit sind wir noch nicht.“

Gut vier Wochen liege die „größte Naturkatastrophe unserer Zeit“ nun zurück, so Banken. Infolge des Starkregens sei in Rheinbach „keine Kommunikation“ möglich gewesen und „die Steinbachtalsperre drohte zu brechen“. In Anbetracht der kritischen Lage sei die unumgängliche Entscheidung gefallen, Nieder- und Oberdrees zu evakuieren. Ein Schritt, der Komplikationen mit sich brachte. „Viele kamen nicht dort an, wo sie hinsollten.“ Straßen waren teilweise unpassierbar, eine Koordination der nächtlichen Aktion ein Drahtseilakt.

„Zusätzlich hatte jeder seine eigene Katastrophe zu bewältigen“, sagte Banken. „Und nicht alle unserer Mitbürger haben es überlebt, wir haben fünf Menschen verloren, das ist eine riesige Tragödie.“ Der Bürgermeister war spürbar um eine feste Stimme bemüht: „Immer wieder setzt es mir zu, wenn ich über das Thema spreche“.

Noch immer sind Haushalte in Rheinbach ohne Strom

Banken benannte bekannte Probleme wie den Ausfall des Stromnetzes. „Dass der Strom weg war, haben alle gemerkt. Dass er so lange weg bleibt, hätten die wenigsten für möglich gehalten.“ 160 von 180 relevanten Mittelspannstationen waren ausgefallen. Nur unter äußerster Kraftanstrengung ist es Betreiber Westnetz gelungen, die Haushalte wieder zu versorgen. Aber: „Stand heute hat noch nicht jeder Rheinbacher Strom“, sagte Banken. Er berichtete über die massive kommunikative Herausforderung für seine Verwaltung, die versucht habe, „an allen Fronten zu informieren“. 

Auch die Entsorgungsmisere war ein Thema. Banken: „Ich hätte nicht gedacht, dass eine Stadt unserer Größenordnung in so kurzer Zeit derartige Mengen an Abfall anhäuft.“ Ein Blick in manche Häuser half dabei, es zu verstehen. Nun seien erste Rechnungen eines Entsorgers eingetroffen. „Das sind rund drei Millionen Euro, und das ist erst der Anfang“, sagte Banken.

Auch der Erste Beigeordnete Raffael Knauber sprach rückblickend von der „verheerenden Heimsuchung“ durch ein vermutlich „zehntausendjähriges Ereignis“. Alle seien von der dramatischen Lage überrascht worden. Auch vom Ausmaß der Schäden danach. „Fürs Erste haben wir den Schaden an der gesamten Infrastruktur mit 150 Millionen Euro beziffert und dies auch in einer ersten Schadensschätzung kommuniziert“, sagte Knauber, für den eine Korrektur der Summe nach oben nicht unwahrscheinlich schien. 

1700 Einsätze für die Feuerwehr in den ersten 24 Stunden

Wehrleiter Laurenz Kreuser erinnerte daran, dass die Katastrophenbilanz ohne den selbstlosen Einsatz der Feuerwehr Rheinbach und deren Unterstützer noch deutlich fataler hätte ausgefallen können. Allein in den ersten 24 Stunden wurden 1700 Einsätze registriert. „Bei allen Verlusten, die zu beklagen sind, steht fest: Wir haben 45 Personen aus Gefahrenlagen befreit. Das heißt, die Einsatzkräfte haben gerade in den ersten Stunden ihr Möglichstes getan, sie haben viele Leben gerettet. Das sollten wir nie vergessen“, sagte Kreuser. 

„In Phase 1 konnten wir 500 Einsatzkräfte in Rheinbach zusammenziehen, und das, obwohl viele von ihnen selbst vom Hochwasser betroffen waren.“ In Spitzenzeiten seien in Rheinbach bis zu 700 Feuerwehrleute im Einsatz gewesen. „Auch die Feuerwehrführung studiert aktuell massenweise Lageberichte, um alles rund um dieses Ereignis gründlich aufzuarbeiten.“ 

Kreusers Worte wirkten nach, machten nachdenklich. Die Reaktionen fielen daher verhalten aus. Unisono adressierten die Fraktionen Lob an die Einsatzabteilungen der Rettungskräfte und Polizei, bedankten sich für die angesichts der Umstände dennoch rasche Hilfeleistung in der Not und beschränkten sich auf wenige Fragen an die Verwaltungsspitze. SPD-Stadtrat Georg Wilmers regte an, die Bahn auf zu vergrößernde Durchlässe beim Streckenneubau hinzuweisen, wenn es um Instandsetzungen in und um Rheinbach gehe.

Joachim Schneider von der CDU hatte es auf Neuigkeiten zur Straßen- und Fußgängerbrücke nahe der Neugartenstraße abgesehen. Laut Verwaltung könne die nach erfolgter Tüv-Abnahme vorerst lediglich wieder für den Fuß- und Radverkehr freigegeben werden. UWG-Ratsfrau Ellen Schüller setzte sich für die eilige Suche nach einem Treffpunkt für die zahlreichen freiwilligen Helfer ein, die die Freie Evangelische Gemeinde Woche für Woche in Rheinbach zusammentrommelt. 

Auf die Frage, wann denn ein Ende des Wiederaufbaus absehbar sei, konnte auch Bürgermeister Banken nur vage antworten. „Aber ich halte es nicht für übertrieben, dass es möglicherweise eine Dekade dauert, alles in Gänze wieder herzurichten.“

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