Hilfe für Hochwasseropfer Pallotti-Kirche in Rheinbach dient als Spendenlager

Rheinbach · Das Pallotti-Areal ist seit Sonntag ein Sachspenden-Lager. Die Leitung des zur Notunterkunft erklärten Jugendwohnheims kann indes nicht verstehen, warum die akut betroffenen Flutopfer die Unterkunft wieder verlassen sollen.

 Die Pallotti-Kirche ist voll mit hunderten von Kartons voller Sachspenden.

Die Pallotti-Kirche ist voll mit hunderten von Kartons voller Sachspenden.

Foto: Simun Sustic

Hunderte von Kartons stapeln und reihen sich in der ehemaligen Pallotti-Kirche aneinander. Kleiderständer mit nach Größe geordneten Anziehsachen rechts, Kochtöpfe links, Klopapier-Pyramiden, Schampoos und Duschgels im Hinterzimmer. Das Kirchengebäude ist vollgepackt mit allen möglichen Alltagsdingen, welche die Flutopfer sich in der Pallottistraße 1 abholen dürfen.

Hier ist aktuell ein Spendenlager eingerichtet. Um Personen, die kein Dach über dem Kopf haben, kümmert man sich im Jugendwohnheim. Aber unsicher ist, wie lange noch.

„In den ersten Tagen sind so viele Sachspenden angekommen, dass wir dieser kaum Herr werden konnten", erzählt Stefan Raetz in der Pallotti-Kirche. Mittlerweile würden nur noch gezielt Spenden angenommen. Kleidung brauche es beispielsweise nicht mehr. Reinigungsmittel und -geräte seien hingegen rar. Der Schlamm und die Keime müssen weiterhin beseitigt werden.

Bürger organisierte 80 Bautrockner in seinem Dänemark-Urlaub

Eigentümer Dirk Blumenthal, der die Firma BBS Immobilien aus Eitorf vertrtitt, handelte schnell und rief am Donnerstagmorgen den Alt-Bürgermeister Stefan Raetz an. Er wolle das neu erworbene Gelände, auf dem Studentenwohnungen und Senioreneinrichtungen geplant waren, kurzfristig für ein Notlager zur Verfügung stellen. Sie schlossen sich mit den Organisatoren Adi Becker und Dorothee Götte zusammen. Seit Sonntag werden dort Tonnen von Sachspenden abgeliefert und sortiert.

Die Betroffenen sollen keine Scheu haben einfach vorbeizukommen, so Raetz. Es würden Pakete mit den entsprechenden Bedarfsgütern für sie zusammengestellt. Bürger hätten aus dem Urlaub Gegenstände organisiert. So beschaffte ein Rheinbacher etwa 80 gerade heiß begehrte Bautrockner in Dänemark, wo er Urlaub machte. Die Nachbarschaftshilfe und das Ehrenamt seien gerade in solchen Zeiten gold wert, so Raetz: „Da sieht man auch, wie gut und schnell die Hilfe von unten funktioniert. Wenn wir auf die Hilfe der Ministerien gewartet hätten, wären viele Keller immer noch unter Wasser.“ Auch viele Freiwillige von außerhalb kämen täglich vorbei. Man könne die schiere Flut an Hilfe kaum koordinieren und bräuchte auch in der Kirche nicht so viele Kräfte, weswegen die Freiwilligen dann von Raetz quer durch die Stadt geschickt werden, um dort hilfreich zu sein.

Die meisten Güter würden von Privaten gespendet, aber auch kleine und große Geschäfte gäben Geräte und Güter ab. Mit dem Abebben der Feuchtigkeit könne so langsam an Möbel und große Elektrogeräte aus der „weißen Ware“ gedacht werden, also vor allem Kühlschränke und Waschmaschinen. Diese würden demnächst aus dem Bielefelder Raum in großer Zahl gespendet, so Adi Becker.

Viele Rheinbacher reagieren empört auf Drängen der Stadt, die Notunterkünfte zu verlassen

Zuerst wurden besonders Betroffene der Flutkatastrophe in Rheinbach - vor allem aus Ober- und Niederdrees - in der Rheinbacher Stadthalle untergebracht. Aktuell befinden sich die restlichen Betroffenen im Rheinbacher Jugendwohnheim. Am Donnerstag erhielt die städtisch mitbetriebene Anlage dann ein Schreiben, die „akute Notlage“ sei behoben und die „Evakuierungsmaßnahme aufgehoben“. Die Unterbringung und Verpflegung könnte die Stadt Rheinbach nicht weiter gewährleisten. Die notwendigen Kräfte würden nun im Ahrtal eingesetzt. Federführend ist die Rheinbacher Stadtverwaltung unter Bürgermeister Ludger Banken.

Bei einigen Rheinbachern stieß das Schreiben auf Protest, der sich von Unverständnis über Entsetzen bis zu Wut äußerte. Die Organisatoren des Notfalllagers in der Pallotti-Kirche Markus Pütz und Adi Becker konnten den Appell nicht verstehen. Die stellvertretende Leiterin des Jugendwohnheims Ute Simone Brodersen sprach von mehreren Familien, die wegen eines Heizöl-Wasser-Gemischs in ihren Häusern in ebendiese momentan auf keinen Fall zurückkehren könnten: „Diese Leute nach Hause zu schicken, halte ich für äußerst grenzwertig. Ich habe vor ein paar Tagen eine Familie mit fünf oder sechs Kindern in ein solches Haus zurückschicken müssen, weil sie die Zimmer ab sofort selbst zahlen müssen und sich dies nicht leisten können.“

Die Finanzierung des Jugendwohnheims laufe über die Stadt, welche es zu 60 Prozent selbst betreibt, so Leiterin Alexandra Steins. Die Personal- und Raumkosten laufen weiter, und durch die „Beschlagnahmung“ als Notunterkunft mussten alle Ferienprogramme abgesagt werden, die der Anlage wichtige Einnahmen gebracht hätten. Trotzdem habe man die Zimmerpreise auf ein Minimum - auf zwölf Euro pro Bett, was der Hälfte des normalen Preises entspräche - reduziert.

Noch weiter runter könne man nicht gehen, da das Wohnheim auch durch die Stadt betrieben werde. Man habe den Bürgermeister benachrichtigt und warte auf eine Antwort. „Swisttal hingegen hat eine klare Ansage gemacht: Die Bürger dürften hier bleiben, bis die Häuser bezugsfertig sind“, so Brodersen. Und: „Wir als Jugendwohnheim sagen: Wir werfen hier niemanden raus.“

Stadt Rheinbach: „Um Personen, die nicht zurückkehren können, kümmern wir uns natürlich.“

Rheinbachs Sprecher Norbert Sauren wisse von solchen Fällen nichts, sagte er am Freitag auf Nachfrage des GA. Er habe sich anschließend umgehend mit Brodersen in Verbindung gesetzt. „Für solche Fälle, in denen Bürger noch nicht in ihre Häuser können, sind extra Einsatzkräfte vor Ort, um das zu prüfen. Für solche Menschen gilt das Schreiben natürlich nicht. Mittlerweile wissen wir von einem Einzelfall, der ein Öl-Leck im Haus hat. Das Ordnungsamt prüft jede Person, die eine solche Situation hat.“

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