Mit sechs Kindern auf 56 Quadratmetern Rheinbacher Familie steckt in Wohnungsnot

RHEINBACH · Nach Kündigung des Einfamilienhauses finden die Seglers keine passende Wohnung und leben in einer städtischen Notunterkunft.

 Mutter Katja Segler mit ihren sechs Kindern im Wohnraum, wo gleichzeitig gekocht, gegessen und geschlafen wird.

Mutter Katja Segler mit ihren sechs Kindern im Wohnraum, wo gleichzeitig gekocht, gegessen und geschlafen wird.

Foto: Edgar Auth

Wenn sie die Fotos von der heruntergekommenen Sozialunterkunft an der Kriegerstraße zeigen, in der sie mit ihren sechs Kindern neun Monate lang hausen mussten, fühlt man sich an Bilder aus der Industrialisierung im 19. Jahrhundert erinnert. Zerschlissene, schimmelnde Bodenplatten, Fenster mit langen Rissen im Glas, feuchte Wände, von denen der Putz bröckelt, zerschlissene Rollos: „Lecker“, sagt Katja Segler bitter über die 90-Quadratmeter-Absteige, die 950 Euro kostete.

Dabei sind die Seglers eine ganz normale Familie. Wolfgang Segler (56) arbeitet als Kraftfahrer, Katja Segler war Immobilienkauffrau. Schimmel und gesplitterte Scheiben gibt es in ihrer neuen Notunterkunft Am Getreidespeicher nicht mehr. Dafür müssen die acht Personen jetzt mit 56 Quadratmetern auskommen, die 650 Euro warm kosten. An Entspannung ist nicht zu denken, sagt Wolfgang Segler, der morgens um fünf aus dem Haus muss. „Ich hab keinen klaren Kopf“, klagt er, dabei steuert er einen 40-Tonner.

„Die Affen im Zoo haben es schöner als wir“, fasst er zusammen. Im Wohnraum stehen Etagenbetten für die Kinder. Immerhin haben sie jetzt einen Küchentisch, an dem mehrere Personen sitzen können. Eine Mikrowelle dient zum Aufwärmen der Mahlzeiten, die Gemeinschaftsküche im Erdgeschoss stößt Katja Segler ab. Die Heiztemperatur lässt sich nicht regulieren, sodass durchgehend 30-Grad herrschen. Die Töchter haben sich ihr Zimmer ganz in Pink- und Violetttönen romantisch eingerichtet.

Im Elternschlafzimmer schlummert der kleinste, drei Monate alt, den Katja Segler gerade gestillt hat. In einem weiteren Bett dort schläft der Zweijährige, der manchmal zu seiner großen Schwester krabbelt. Bis vor einem Dreivierteljahr bewohnte die Familie ein Einfamilienhaus, das ihr wegen Eigenbedarfs gekündigt wurde. Die Kinder hatten oft Besuch, im Garten standen ein Trampolin und ein Swimmingpool. Das Haus steht immer noch leer, möglicherweise wegen eines Wasserrohrbruchs im Keller.

Heute vermissen die Kinder ihre früheren Freunde. Ganze zwei Wohnungsangebote haben sie bisher erhalten, eines davon aus dem oberen Westerwald. Sie wollen aber nicht weg aus Rheinbach, wo die Kinder integriert sind. Außerdem fährt Katja Segler nicht Auto, Einkäufe wären da draußen mühsam. Wichtig ist zudem eine Busverbindung für den Schulweg.

Doch der Wohnungsmarkt ist überlastet, es mangelt an Wohnraum. Und dann kommen Vorurteile hinzu, Leute mit vielen Kindern seien asozial, laut oder dreckig. „Wir sind noch nicht mal Hartz-IV-Empfänger“, hält Katja Segler dagegen. „Wir sind sowas von normal, wir haben nur einfach viele Kinder.“ Um die macht sich der Vater Sorgen, ein Sohn war Klassenbester und fällt nun zurück. Die Kleinen verhalten sich zunehmend verängstigt. Tochter Lucienne (17) war Doppelmeisterin im Badminton.

Rheinbachs Bürgermeister Stefan Raetz äußert Mitgefühl. Die Stadt sorge für Obdach, aber: „Wir sind keine Vermieter.“ Diese finde man auf dem freien Markt. Die Familie könne dafür einen Wohnberechtigungsschein beantragen. Sie habe aber bei Maklern wahrscheinlich wenig Chancen. Die Stadt plane sozialen Wohnungsbau, wo aber erst ab 2020 Unterkünfte zur Verfügung stehen würden. Den Seglers konnte auch die evangelische Kirche bislang nicht helfen. „Wir haben kein Glück“, sagt Katja Segler und klingt resigniert dabei.

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