Historisches Rheinbacher Verein förderte 1865 die Landwirtschaft

Rheinbach · Eine Rheinbacherin hat Stadtarchivar Dietmar Pertz ein altes Protokollbuch des Landwirtschaftlichen Casinos aus Rheinbach übergeben. In der Kladde sind interessante Informationen über diesen besonderen Verein zu finden.

Im damaligen Hotel Kauth – unser Foto zeigt die Unterkunft um das Jahr 1920 – kamen die Mitglieder des Landwirtschaftlichen Casinos zusammen.

Im damaligen Hotel Kauth – unser Foto zeigt die Unterkunft um das Jahr 1920 – kamen die Mitglieder des Landwirtschaftlichen Casinos zusammen.

Foto: Stadt

Wenn sich ein Jahr dem Ende entgegenneigt, ist es gute Sitte, einerseits nach vorne zu schauen und gleichzeitig zurückzublicken: Nicht anders ist es bei den Freunden des Archivs der Stadt Rheinbach. Deren Jahresabschlussfeier im sogenannten Stübchen des Himmeroder Hofs begann – schon traditionsgemäß – mit einem historischen Vortrag zur Rheinbacher Geschichte.

Stadtarchivar Dietmar Pertz beschäftigte sich dabei mit dem früheren Landwirtschaftlichen Casino in Rheinbach. Anlass für diese Ausführungen war der glückliche Umstand, dass eine aufmerksame Rheinbacherin Anfang November dem Stadtarchiv das Protokollbuch dieses Vereins übergeben hatte. Hierin befinden sich, handschriftlich notiert, die Versammlungsprotokolle des Casinos von der Vereinsgründung 1865 bis zum Jahr 1932.

Hintergrund: Am 22. November 1865 trafen sich auf Initiative des damals in Rheinbach lehrenden Wanderschullehrers Dr. Fürstenberg mehrere Männer um den Kreistierarzt Münster, um die Gründung eines Landwirtschaftlichen Casinos vorzubereiten. Ziel war es, neben dem bereits seit 1833 existierenden Landwirtschlichen Vereins der Rheinprovinz, der vor allem auf Kreisebene die Landwirtschaft förderte, auch auf kommunaler Ebene die Bauern zu unterstützen.

Das Vereinsziel, das in den kurz darauf formulierten Statuten zu finden ist, war sehr allgemein formuliert: „Der Zweck des Casinos ist die Förderung landwirtschaftlicher Interessen.“ Interessant ist zunächst ein Blick auf die Berufe der Casino-Vorstandsmitglieder in den ersten Jahrzehnten: Von den neun Vorstandmitgliedern waren beispielsweise anno 1867 der Erste Vorsitzende ein Tierarzt, seine Stellvertreter waren ein Guts- und Gerbereibesitzer und ein Kaplan, der beruflich als stellvertretender Leiter der Höheren Schule tätig war.

Als Schriftführer fungierte der örtliche Volksschullehrer, seine Stellvertreter waren ein Kaufmann und ein sogenannter Ackerer. Rendant war ein Gerbereibesitzer. Als Beisitzer amtierten zwei Kaufleute, wovon einer auch als Landwirt tätig war. Es fällt auf, dass die Bauern im Vorstand sehr unterrepräsentiert waren, berichtete Pertz.

Federführend in dem Gremium waren vor allem im öffentlichen Dienst tätige Bürger sowie Kaufleute. Somit scheint der Verein in den ersten Jahren nicht eine Vereinigung von Landwirten, sondern für Landwirte gewesen zu sein. Hauptaufgabe des Casinos war demzufolge durch gelehrte Vorträge, die zunächst im Hotel Kauth später zumeist in der Gastwirtschaft Mertens stattfanden, Landwirte zu bilden. Referenten waren zumeist Vorstandsmitglieder, also Lehrer, Geistliche und Kaufleute, die aus für die Landwirtschaft relevanten Buch- und Zeitschriftenartikeln berichteten. Thematisiert wurden der Aufbau von Pflanzen, die Bedeutung von Wasser, richtiges Düngen und ähnliches.

Darüber hinaus hatte das Casino von Beginn an aber auch einen genossenschaftlichen Charakter. Kohle, Gründünger, Guano und Kartoffelsaatgut wurde gemeinschaftlich bezogen. Auch landwirtschaftliche Geräte, die dann an die Landwirte verliehen wurden, schaffte der Verein an. Darüber hinaus wurde regelmäßig über landwirtschaftliche Themen diskutiert oder gemeinsam Anbauversuche durchgeführt.

In den 1880er Jahren veränderte der Verein seinen Charakter. Nachdem Tierarzt Münster nach 22 Jahren als Vorsitzender bei einer Neuwahl nicht mehr antrat, wurde mit Wilhelm Heinrich Büttgenbach der erste Vollerwerbslandwirt zum Vereinslenker. Auch der Gesamtvorstand hatte sich personell völlig verändert. Jetzt waren dort fast ausschließlich Landwirte vertreten. Sie stammten aus alten Bauernfamilien wie Schorn, Horst, Krings oder Raaf. 1888 wurde das Casino zu einer Ortsgruppe des Rheinischen Bauernvereins umgewandelt. Man wurde jetzt politischer und betonte die Unabhängigkeit vom Staat. Es häufen sich nun auch die Eingaben an die Stadtverwaltung. Der Verein argumentierte etwa gegen die Verluste von landwirtschaftlichen Flächen aufgrund der Errichtung von „Anstalten“, wie dem Gefängnis oder dem Lyzeum. Auch wurden in den eigenen Reihen nach geeigneten Kandidaten für die Stadtratswahl gesucht.

Die Wirtschaftskrisen während der Zeit der Weimarer Republik waren auch häufige Gesprächsthemen bei den Rheinbacher Landwirten. Das Endes des Vereins kam kurze Zeit später: 1933 wird der Rheinische Bauernverein von den Nationalsozialisten gleichgeschaltet und in den nationalsozialistischen „Reichsnährstand“ integriert. „Mit den Informationen aus dem Protokollbuch des Landwirtschaftlichen Vereins Rheinbach ist eine kleine, aber wichtige Lücke in der Überlieferung geschlossen worden,“ schloss Pertz seinen Vortrag.

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