Stadthalle Rheinbach Richard David Precht sprach über Bildung

RHEINBACH · Der Philosoph und Autor Richard David Precht sprach am Donnerstagabend in Rheinbach über das deutsche Bildungssystem. Daran ließ er kein gutes Haar, stellte jedoch auch seine Vorstellungen eines anderen Systems vor.

 Richard David Precht war zu Gast in der Stadthalle Rheinbach.

Richard David Precht war zu Gast in der Stadthalle Rheinbach.

Foto: Axel Vogel

Smart und gut aussehend, im dunklen Anzug mit offenem Hemdkragen, die beinahe schulterlangen Haare hinter den Ohren, das Mikro in der einen Hand, mit den Gesten der anderen das Gesagte unterstreichend, dabei eloquent und unterhaltsam und auch durch technische Störungen nicht zu beeindrucken: So stand Richard David Precht am Donnerstagabend auf der Bühne der Stadthalle Rheinbach.

Sein Thema: Das deutsche Bildungssystem. Und während der Philosoph und Buchautor mit eigener Fernsehsendung im ZDF wenig Gutes am bestehenden System ließ und deutliche Veränderungen forderte, wurde dem Publikum zwischendurch der junge Richard David Precht gewahr, der mit seinen Vorlieben Literatur und Philosophie anders als seine Mitschüler und somit Außenseiter war - sensibel genug, um darunter zu leiden, und intelligent genug, um dennoch alle Hürden zu meistern und die Schule erfolgreich zu beenden.

Das dreigliedrige Schulsystem, in dem sich die Klassengesellschaft widerspiegele, sei ein globaler Ausnahmefall, den es nur in Deutschland und Österreich gebe, erklärte Precht seinen etwa 350 Zuhörern. "Furchtbar" nannte Precht die Gesamtschulen, die nach einer halbherzigen Schulreform in den 70er Jahren entstanden seien. Im Deutschland 2013 seien die Verlierer-Kinder diejenigen, die die Hauptschulen besuchen.

Prechts Alternativ-System sieht eine Kindergartenpflicht ab drei Jahren vor. Schon dort sollen "Start-Nachteile" möglichst ausgeglichen und versucht werden, "jeden mitzunehmen". Ab sechs Jahren sollen die Kinder dann alle die gleiche Schule besuchen, die gekennzeichnet sei durch "Beziehungs- und Verantwortungskultur". In Lernhäusern wie Gryffindor und Slytherin in den Harry-Potter-Büchern sollen Lehrer dafür sorgen, dass jeder nach seinen Möglichkeiten so weit wie möglich komme.

Es sei ein Fluch in der falschen Klasse zu sein, sagte Precht aus eigener Erfahrung. Daher sollen sich die Schüler nach seinen Vorstellungen nach dem 6. Schuljahr ihr Lernumfeld selbst suchen, so in individualisierten Lerngruppen, weil es vieles gebe, was man am besten alleine lernen könne: "Für Mathe brauche ich keine Mitschüler." Den Großteil der Schulzeit sollten Projekte ausmachen, in denen thematische Komplexe behandelt werden, vor allem auch mit Hilfe von externen Kräften, zum Beispiel einem Kfz-Mechatroniker, wenn es um Autos gehe, meint Precht.

"Ich will nicht die Noten abschaffen, sondern Schulen, die keine Noten brauchen", sagte der Philosoph, der eine persönliche Bewertung vorschlug. Einen festgelegten Bildungskanon müsse jeder erreichen - darüber hinaus sei alles möglich. Hausaufgaben nannte Precht "die größte soziale Diskriminierung" und befürwortet daher eine Ganztagsschule. "Es gibt einen Grund, warum Sie vieles nicht mehr wissen, was Sie in der Schule gelernt haben: Weil Sie schon, als sie es gewusst haben, wussten, dass Sie es nicht brauchen", tröstete Precht sein Publikum.

Um geeignete Lehrer zu finden, die gut erklären können und vor allem Kinder mögen, schlug er ein Lehrer-Casting vor. Um die Schulreform zu finanzieren, will Precht das Kindergeld minimieren. Auch Fragen aus dem Publikum beantwortete der 48-jährige Philosophie-Professor bereitwillig, so zur Inklusion - "Wahnsinn, sie im gegenwärtigen System zu machen" - und zur Volkshochschule, die zukünftig als mobile Eingreifgruppe dorthin gehen soll, wo Bildung nötig ist. Precht war bereits zum zweiten Mal auf Einladung der VHS in Rheinbach zu Gast.

Richard David Precht: "Anna, die Schule und der liebe Gott - Der Verrat des Bildungssystems an unseren Kindern", Goldmann-Verlag, ISBN 978-3-442-31261-0, 19,99 Euro

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