70er-Jahre-Kultband Sweet eröffnet Rheinbach Classics Rock'n'Roller ohne Sonderwünsche

RHEINBACH · Das hierzulande nirgends zu bekommende, sündhaft teure, aber dafür angeblich lebensverlängernde Mineralwasser aus Japan, das es auch nur in Japan zu kaufen gibt, steht nicht auf der Wunschliste von echten Rock'n'Rollern, wenn sie auf Reisen gehen. Ein weltberühmter Künstler, dessen Namen Konzertveranstalter Ernst Ludwig Hartz gerade entfallen ist, wie er mit verschmitztem Lächeln sagt, äußerte einst diesen seltenen Sonderwunsch.

 Die Vorbereitungen für die Rheinbach Classics auf dem Himmeroder Wall laufen auf Hochtouren, hier wird an der Bühne gearbeitet.

Die Vorbereitungen für die Rheinbach Classics auf dem Himmeroder Wall laufen auf Hochtouren, hier wird an der Bühne gearbeitet.

Foto: Axel Vogel

Wenn die 70er-Jahre-Kultband Sweet am Freitag die Bühne der Rheinbach Classics am Himmeroder Wall stürmt, fallen die kruden Begehren der Musiker um Sweet-Mitbegründer James Paul Andrew David "Andy" Scott überschaubar aus. "Whisky, ein bisschen Bier, das war es", sagt Hartz. Die Vorfreude auf die zehnte Auflage von "Musik, Motoren, Petticoats" fließt den Machern des dreitägigen Spektakels aus jeder Pore.

Wie inmitten eines Ameisenvolks geht es in den Tagen vor den Classics auf dem Himmeroder Wall zu. Auf dem Parkplatz zwischen Hexenturm und Wasemer Turm sorgt ein eingespieltes Team von Roadies dafür, dass die Bühne in die Höhe wächst. Aus zwei jeweils 40 Tonnen schweren Trucks holen Männer mit den starken Armen und kurzen Hosen allerlei Stahlstreben und Bodenteile heraus, aus denen die Bretter entstehen, die sprichwörtlich die Welt bedeuten.

"Alleine die Hauptbühne hat eine Spielfläche von 120 Quadratmetern", sagt Stephan Stöcker von SN-Music Event. Seit acht Jahren sorgt der 43-Jährige bei den Classics dafür, dass Foreigner, Chris Norman, BAP, Manfred Mann oder Sweet, die alle schon mal bei den Classics spielten, akustisch bei den Zuhörern auch bestens ankommen. Zwei digitale Mischpulte mit 72 Kanälen sind für den möglichst perfekten Klang aufgebaut. 20 Meter misst die Bühne in der Breite.

18 Tonnen Wasserballast sind dafür da, dass "die Bühne auch da stehenbleibt, wo sie steht", sagt Stöcker. Morgen ab 22 Uhr rocken Sweet, die alleine in Deutschland 16 Nummer-eins-Hits wie "The Ballroom Blitz", "Fox On The Run" oder "Love Is Like Oxygen" hatten, die Bühne.

"Das hätten wir uns vor neun Jahren niemals erträumt, dass aus einem kleinen und schnuckeligen Festival mal ein großes und schnuckeliges Festival werden wird", meint Jens Hoffmeister vom Verein Rheinbach Classics. "Wir waren schon im ersten Jahr von der großen Resonanz überrascht", sagt Heinz Haubrichs, früherer Vorstandssprecher der Raiffeisenbank Rheinbach Voreifel und nun ehrenamtlicher Vorstandssprecher des Vereins Rheinbach Classics.

Die Mischung mache den besonderen Reiz der Classics aus. "Es ist ja nicht weniger als eine Zeitgeistreise in die 50er, 60er und 70er Jahre", berichtet Haubrichs, einer der Ideengeber des dreitägigen Programms, welches in jedem Jahr Tausende in die Glasstadt zieht. 700 schmucke, liebevoll gepflegte Oldtimer aus acht Jahrzehnten verwandeln Rheinbach in ein rollendes Museum. "Organisatorisch steht alles", sagt Haubrichs und erntet Zustimmung.

Etwa von Laurenz Kreuser, Wehrleiter der Stadt Rheinbach, oder von Eventmanager Lars Prior, dessen Rheinbacher Firma Evation über einen Kilometer Zäune aufgestellt und mehrere Hundert Meter Wasser- sowie Stromleitungen verlegt hat. Da es, wie die Wetterfrösche unken, am morgigen Freitag sommerlich warm werden soll, hat Prior rund 15 Hektoliter an Getränken kühl gestellt.

Die Ruhe selbst strahlt Laurenz Kreuser aus. Alleine am Sonntag zum großen Autokorso der mobilen Träume aus Chrom und Lack sind 138 Feuerwehrleute und Einsatzkräfte von DRK und Maltesern rund um den Himmeroder Wall im Einsatz. "Bei den bisherigen Classics ist kaum was passiert", erinnert sich Kreuser.

Zumeist mussten Hitzeopfer aus der kreislaufbedingten Ohnmacht geholt werden. Ansonsten seien die Freunde des Rock 'n' Roll für Augen und Ohren ein friedliebendes Publikum, weiß Rheinbachs oberster Feuerwehrmann. Sollte sich Ungemach in Form von Unwettern ankündigen, erhalten die Organisatoren per Funkkontakt aus der Rettungsleitstelle schnell Kenntnis von drohenden Unbilden.

Zum eingespielten Classics-Team gehören auch viele Freiwillige, die mitanpacken, um Rheinbach solch ein dreitägiges Spektakel zu ermöglichen. "Im vergangenen Jahr hat Bürgermeister Stefan Raetz per Bauchladen CDs verkauft, seine Frau Birgitta betreut den Petticoatwettbewerb", so Hoffmeister. Nur ein Wölkchen sieht er am wolkenlosen Himmel aufziehen: "Wir benötigen dringend jüngere Mitglieder im Verein Rheinbach Classics." Anderenfalls drohe das Treffen edler Karossen und enthusiastischer Musikfans eines fernen Tages auszusterben.

Im zehnten Jahr dreht sich drei Tage lang alles um "Musik, Motoren, Petticoats"

Als im Jahr 2006 etwa 100 Oldtimer durch Rheinbach und die Region rollten, ahnte niemand, dass daraus einmal nicht nur eine der beliebtesten Oldtimerveranstaltungen in Deutschland, sondern eine Großveranstaltung werden würde, die ihresgleichen sucht. Auftakt zu den 10. Rheinbach Classics ist Freitag, 17. Juli, das große Open-Air-Konzert auf dem Himmeroder Wall, wenn Sweet ab 22 Uhr ihre Stromgitarren anstellen.

"Sie spielen nur Hits", weiß Jens Hoffmeister vom Verein Rheinbach Classics - und davon haben sie viele im Repertoire. Der Clou: Noch vor ihrer großen Abschiedstour "Finale - The Tour" im September kommen Sweet exklusiv nach Rheinbach - zum einzigen Konzert in NRW. Zuvor spielen ab 20 Uhr die junge Rheinbacher Band The Fläsh, anschließend (20.50 Uhr) die beliebte Bonner Rockformation Rocksteady, die schon 2011 im Vorprogramm von Chris Norman und 2013 vor Foreigner zu begeistern wusste.

Neben der Oldtimerrallye am Samstag, 18. Juli, mit 130 historischen Fahrzeugen und dem großen Oldtimerkorso am Sonntag, 19. Juli, bei dem rund 300 Oldies durch Rheinbach rollen, sowie der Wahl "Best Of" mit den schönsten "Oldies auf vier Rädern", gibt es viel Rock 'n' Roll der 50er und 60er Jahre von rund einem Dutzend Bands auf vier Bühnen. Samstagabend, 18. Juli, steigt die nach Veranstalterangaben größte Oldiefete der Region mit erstklassigen Livebands auf dem Himmeroder Wall.

Dort wird es auch ein Wiedersehen mit den grandiosen Wild Bobbin'Baboons geben, die 2012 zuletzt in Rheinbach waren und den Himmeroder Wall rockten. Außerdem stehen der traditionelle Petticoatwettbewerb, die Wahl von "Miss Rheinbach Classics" und des "originalsten Paares" und der Rheinbach Classics Nostalgiemarkt an. Zu den Rheinbach Classics gibt es erstmals beinahe in der gesamten Stadt freies WLAN . Über einen QR-Code können die Nutzer etwa den interaktive Stadtplan als eine Art Veranstaltungsguide nutzen.

Karten fürs Konzert am Freitag, Einlass 19 Uhr, kosten 25 Euro plus Gebühren, 30 Euro an der Abendkasse. Infos: www.rheinbach-classics.de

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