Rheinbacher Nachtwächter Rudolf Wehage hat erstmals Gäste durch die Kernstadt geführt

RHEINBACH · "Hört, Ihr Leut? und lasst Euch sagen, unsre Uhr hat neun geschlagen!" Diesen Ruf singend, trat der Rheinbacher Nachtwächter aus dem historischen Fachwerkhaus des heutigen Restaurants "Raths am Bürgerhaus". Es war allerdings nicht der Nachtwächter Niklas Aulick alias Klaus W. Hofmann. Erstmals nahm der "neue" Rheinbacher Nachtwächter Rudolf Wehage auf Einladung des Eifel- und Heimatvereins rund zwei Dutzend Gäste mit auf - fast - historischer Route durch die Kernstadt.

 Ohne Alter Ego, aber dafür mit vielen spannenden Geschichten unterwegs: Rudolf Wehage.

Ohne Alter Ego, aber dafür mit vielen spannenden Geschichten unterwegs: Rudolf Wehage.

Foto: Roland Kohls

Der 70-jährige pensionierte Lehrer für Englisch und Französisch hat sich keine Alias-Figur ausgedacht, anders als sein Vorgänger Hofmann. Dieser war von 2008 bis zu seinem Wegzug aus Rheinbach in diesem Jahr regelmäßig in die Rolle des Niklas Aulick geschlüpft, der in Rheinbach vor rund 200 Jahren als Nachtwächter unterwegs war, in Wirklichkeit jedoch einen anderen Namen trug. "Ich wollte mich nicht mit einer bestimmten Figur auf eine bestimmte Zeit festlegen, sondern lieber viele Dinge aus verschiedenen Zeiten erzählen", begründete der neue Nachtwächter seinen Verzicht auf ein Alter Ego.

Inhaltlich viel gelernt habe er aber von seinem Vorgänger, der natürlich zur Premiere seines Nachfolgers gekommen war, sowie von Stadtarchivar Dietmar Pertz. Erfahrungen mit Stadtführungen habe er bereits in seiner Studienzeit in Bonn gesammelt, so Wehage, als er insbesondere französischen Reisegruppen Bonn auf Bus-Rundfahrten näher gebracht habe.

An vielen Punkten der Route erläuterte der neue Nachtwächter Details zu Rheinbachs Historie, zu Geschichten und Geschehnissen um seine Bewohner und zu den Aufgaben der Nachtwächter. Dabei fügte er den bisher von Hofmann erläuterten auch neue hinzu.

Am Treffpunkt des Rundgangs, der alten Schwengelpumpe am Bürgerhausplatz, erläuterte Wehage, dass dort bis 1879 das Rheinbacher Rathaus gestanden hatte und das heutige Restaurant ein Gasthaus mit angeschlossener Brauerei gewesen sei. Deshalb trete er gezielt aus dem Gasthaus, weil in früheren Zeiten abends um neun Uhr Sperrstunde gewesen sei, und die habe der Nachtwächter anzusagen gehabt.

Alles, was heute über die Aufgaben der Rheinbacher Nachtwächter bekannt sei, habe man in einer Wachtordnung gefunden, die am 3. Januar 1816 zwischen der Stadt Rheinbach und den beiden damaligen Nachtwächtern unterzeichnet worden sei. Die Stadt Rheinbach sei recht klein gewesen mit ihren rund 350 Metern mal 350 Metern ummauerter Fläche.

Seine Runden und Ansagen an den vorgeschriebenen drei Stationen habe ein Nachtwächter deshalb wahrscheinlich in 20 Minuten erledigen können. Wahrscheinlich habe er eine Sanduhr gehabt, um die Uhrzeit ansagen zu können, denn der Kirchturm habe seine Uhr erst später erhalten, und die sei zunächst sicher auch nicht beleuchtet gewesen.

An der Ecke Pfarrgasse, die früher "Pfaffengasse" genannt wurde, erinnerte er an Familie Spickermann, deren Tochter Gertrud als Schwester Seraphine 1842 im Alter von 23 Jahren in den Orden "Schwestern der Liebe vom Hlg. Karl Borromäus" eintrat und am 18. Juni 1862 eine Abspaltung der Kongregation "Schwestern der Liebe vom Kostbaren Blut" gründete. Aus diesem Grund hatten Schwestern der Kongregation im Juni 2012 auch in Rheinbach ihr 150-jähriges Bestehen gefeiert.

Vom Verlauf der mittelalterlichen Stadtmauer erzählte der Nachtwächter ebenso wie vom Verlauf von Heerstraße, Krönungsstraße und schneller Postlinie, von den Rittern von Rheinbach, der Herkunft der Straßennamen und von der "Franzosenzeit", als die Rheinlande zu Frankreich gehörten.

Und auch die gespenstische Geschichte von der Magd Katharina Kremp, die 1848 im Haus des Gerichtsschreibers Gelhausen an Hauptstraße arbeitete: Abends im Stall beim Melken erhielt sie mehrmals eine schallende Backpfeife, und eine schwarze Gestalt stürzte sich auf sie. Schließlich erschien eine Gestalt in einem totenähnlichen Gewand und hielt etwas in der Hand.

Die Gestalt fragte die Magd, wohin sie den Gegenstand bringen solle, worauf sie schlagfertig antwortete: "Dahin, wo du's her hast!" Für den Seelenfrieden der Erscheinung sollte sie dann drei Brote an die Armen geben und eine Fußwallfahrt zum Michaelsberg machen. Was sie auch tat. Als sie dort aber ankam, war die Kapelle ein Jahr zuvor abgebrannt, so dass die Messe anderswo gelesen wurde. Als Katharina Kremp dann in ihrem Gebetbuch las, schlug eine Hand darauf und hinterließ einen dunklen Fleck, der blieb - die "Hand des Satans". Das Buch wird heute noch von Nachfahren verwahrt, wo Stadtarchivar Dietmar Pertz es sich selbst angeschaut hat.

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