Interview mit Albert Hammond „Viele Leute dachten, ich sei tot“

Rheinbach · Er schrieb mit „Down By The River“ so etwas wie den ersten Hit über Umweltverschmutzung. „It Never Rains In Southern California“, „The Free Electric Band“, „The Air That I Breathe“ oder „I'm A Train“ sind allesamt Welthits aus Albert Hammonds Feder. Der General-Anzeiger verlost ein Treffen mit dem Sänger und Songschreiber.

 Yoga und täglicher Sport verleihen Albert Hammond, hier beim Auftritt am 25. Mai dieses Jahres in Rosenheim, die Kraft für 79 Konzerte im Jahr.

Yoga und täglicher Sport verleihen Albert Hammond, hier beim Auftritt am 25. Mai dieses Jahres in Rosenheim, die Kraft für 79 Konzerte im Jahr.

Foto: HYPERTENSION MUSIC

Hierzulande lernen Schüler mit Liedern von Albert Hammond die englische Sprache. Wir haben beispielsweise „The Free Electric Band“ am Beueler Kardinal-Frings-Gymnasium ausführlichst im Englischunterricht besprochen.

Albert Hammond: Den Song? In der Schule? Großartig.

Darum durfte Ihr Hit aus dem Jahr 1973, das Jahr in dem ich geboren wurde, in den frühen 90er-Jahren auf keiner unserer Mixkassetten fehlen. Wussten Sie, dass deutsche Schüler mit Albert-Hammond-Songs Englisch lernen?

Hammond: Nein, wusste ich nicht. Ich bin beeindruckt. Das ist fantastisch, weil es ein guter Song ist. Er handelt von Rechtsanwälten, Ärzten, Erwartungen, allen möglichen Themen. Das ist großartig. Und es brachte euch in die Zeit von 1973.

Wenn ich mir Ihre Tourdaten ansehen, entdecke ich, dass Sie in diesem Jahr 79 Konzerte geben – davon fast 40 in Deutschland. Wie fühlt es sich an, eine so lange Zeit auf Reisen zu sein?

Hammond: Nun, es sind weniger Konzerte als im vergangenen Jahr – da waren es 140. Es gibt nichts Besseres, um sich wiederzuentdecken – in meinem Alter von 72 Jahren. Ich bin wieder auf Tournee, nachdem ich's 30 Jahre nicht war.

So eine lange Zeit?

Hammond: Ja, so eine lange Zeit – mehr als zwei Generationen. Viele Leute dachten, ich sei tot, weil ich so lange nicht auf Tour war. Aber ich kam zurück „ins Leben“ und habe gesagt: Hier bin ich wieder. Es ist ein solch wunderbares Gefühl. Ich möchte gar nicht nach Hause, ich möchte unterwegs sein und spielen. Es ist so toll, mein Publikum zu sehen – wenn sie lachen und sich amüsieren. Es ist nur mit dem unglaublichen Gefühl vergleichbar, ein Kind zu haben und es aufwachsen zu sehen. Das macht mich sehr glücklich, und ich denke, ich habe eine gute Wahl getroffen.

Wonach suchen Ihre Zuhörer?

Hammond:Mein Publikum findet gerade heraus, dass ich noch so viele andere Stücke geschrieben habe, als ich nicht auf Tournee war. Ich singe sie jetzt in meiner Show, und meine Zuhörer sagen mir, dass sie meine Version mehr lieben als das Original, was ich lustig finde. Aber es ist nett zu hören.

Gewiss besser als Whitney Houston etwa?

Hammond: Whitney Houston, Johnny Cash, Neil Diamond, Joe Cocker, Tina Turner oder Diana Ross. Es gibt so viele Lieder, die ich für andere geschrieben habe. Mein Publikum sagt, ich singe diese Lieder mit so viel Leidenschaft und Emotionen. Aber das ist so, wie ich diese Stücke fühle. Ich habe sie selbst geschrieben, also kann ich sie wirklich fühlen. Ich mag ein alter Mann an Jahren sein, aber ich bin ein junger Mann im Herzen.

Ich sah Sie jüngst in einer Late-Night-Show singen und dachte bei mir, dass Albert Hammond trotz – wie Sie selbst sagen – der Jahre eine fantastisch frische Stimme hat.

Hammond: Ja, meine Stimme hat sich ganz gut gehalten.

Was ist Ihr Geheimnis?

Hammond (grübelt): Ich weiß es nicht. Ich bin jüngst zu einem Arzt gegangen, weil mein Sohn Probleme mit seinen Stimmbändern hatte. Ich ging mit und der Doktor sagte, dass meine Stimmbänder jünger zu sein scheinen als die meines Sohnes. Ich gebe aber auch gut auf sie acht – nebenbei gesagt. Ich trinke nicht, gehe nicht aus – auch nicht nach Auftritten. Ich passe auf meinen Körper auf, gehe auf mein Zimmer, mache meine Übungen. Ich möchte in der Lage sein, die Tournee, die Bühne und mein Publikum zu genießen.

Was lieben Sie daran, auf Tournee zu sein?

Hammond: Ich liebe alles daran. Ich liebe meine Band und den Kontakt zu den Zuhörern. Ich versuche, ein familiäres Gefühl aufzubauen, wenn wir unterwegs sind und zusammen reisen. Ich verschwinde nicht einfach durch die Hintertüre, wenn der Auftritt vorbei ist, sondern versuche immer, allen aus Wiedersehen zu sagen – dem Toningenieur, den Musikern meiner Band und dem Roadie, der die Aufbauten betreibt. Wenn eine Tournee vorbei ist, fragt meine Mannschaft, wann wir das nächste Mal auf Tour gehen. Das gibt mir ein gutes Gefühl, denn dann müssen wir was richtig machen.

Wer Sie auf der Bühne sieht, erkennt nicht, dass der Künstler da oben 72 Jahren alt ist. Wie ist das möglich in einer Karriere, die in den 60er-Jahren begann und den frühen 70er-Jahren Fahrt aufnahm?

Hammond: Meine Mutter ist 96 Jahre alt – vielleicht habe ich ihre Gene. Aber ich tue auch was: Ich laufe acht bis zehn Kilometer am Tag. Ich trainiere mit Gewichten, ich mache ein wenig Yoga, esse bewusst und gebe auf mich acht. Solange meine Stimme und mein Körper es mitmachen, habe ich noch weitere zehn Jahre, um auf der Bühne zu stehen. Vielleicht hört mir jemand da oben zu und sagt sich: Das können wir so machen.

Sie sind nicht nur Sänger, sondern auch Mitglied der „Hall of Fame“ für Songwriter. Über was würde Albert Hammond heute Lieder schreiben: das Flüchtlingsthema, die Klimakatastrophe oder eine wirklich begehrenswerte Frau?

Hammond (lacht): Immer über eine wirklich begehrenswerte Frau. Das ist etwas, dass mich niemals verlassen wird. Ich bin ein emotionaler Mensch und nicht der Typ für eine Liebesnacht. Weil ich die Liebe liebe und ich es liebe, verliebt zu sein – und sei es nur für einen Tag oder eine Stunde. Der Moment, sich zu verlieben, besitzt eine gewisse Magie. Und dann kommt auch die Inspiration für Songs. Heute könnte der Tag sein, an dem ich fünf Lieder schreibe.

Apropos Inspiration. Ihren Durchbruch „It Never Rains In Southern California“ schrieben Sie nicht unter Kaliforniens heißer Sonne, sondern in England – bei Regen. Stimmt diese Mär?

Hammond:Ich schrieb es in London – 1969, an einem verregneten Tag. Die Story ist wahr. Der Song beschreibt die Geschichte meines Lebens bis dahin – vor allem meines Leben in den frühen 60er-Jahren. Zuerst war da diese Melodie und dann entwickelst du eine Geschichte darum herum. So ist dieses Lied entstanden.

Wir hörten, ein neues Album ist in Planung, das noch in diesem Jahr erscheinen soll?

Hammond: Ja, es ist aber kein neues Album, sondern etwas, was ich noch nie zuvor in meinem Leben gemacht habe: Meine Hitsong bekommen ein symphonisches Gewand. Ich reise nach New York, um sie einzusingen und dann nach London, um in den Abbey-Road-Studios mit einem Symphonieorchester die Musik einzuspielen. Dieses Projekt möchte ich seit fünf Jahren machen. Ich habe mir überlegt, was Beethoven mit „When I Need You“ machen würde – oder „Free Electric Band“. Das Lied hat schon etwas sehr symphonisches. Ich brauchte aber zuerst eine Plattenfirma, die das ganze Arrangement bezahlt. Wenn das Album fertig ist, gehe ich damit auf Tournee – zuerst in Deutschland.

Wie komponiert Albert Hammond im 21. Jahrhundert? Singt er neue Textzeilen auf seinem Smartphone ein oder holt er ein paar fähige Musiker zusammen und verschwindet für zwei Wochen im Studio?

Hammond: So, wie ich es mein ganzes Leben lang getan habe: Ich suche mir eine stille Ecke und ich singe die Emotion, die aus mir herauskommt. Ich nehme das auf und arbeite später daran weiter. Ich kann mich nicht zu einer bestimmten Zeit hinsetzen und Songs schreiben – ich brauche dazu die Inspiration. Ich weiß manchmal nicht, ob ich die Lieder selbst schreibe oder ob da jemand ist, der sie mir sendet.

Wie schwierig ist es, für andere Künstler zu schreiben?

Hammond: Ich schreibe nie für andere Künstler. Ich schreibe immer den besten Song, den ich schreiben kann. Ich schreibe momentan auch ein Musical – eins, das auf der Geschichte des Matterhorns basiert. Es wird 2018 Premiere in der Schweiz haben. Vor zwei Wochen haben wir mit dem Schreiben begonnen. Ich hoffe, dass es von der Schweiz aus die Welt erobert, denn es ist eine interessante Geschichte, die um das Jahr 1865 spielt – die Zeit der Erstbesteigung des Matterhorns. Musikalisch ist es eine Mischung aus Pop und klassischen Liedern. Ich arbeite noch daran, aber melodisch wird es kolossal.

In Rheinbach werden Sie während der Classics viele schöne Autos zu Gesicht bekommen – unter anderem hat sich ein Karmann-Ghia-Club angesagt. Wir hören, Sie haben eine besondere Beziehung zu Karmann Ghia?

Hammond: Oh ja, ich hatte eine besondere Beziehung zu einem Mädchen, das sehr großzügig zu mir war – als ich gerade nach Amerika kam. Sie gab mir Obdach und lieh mir ihren Karmann Ghia, damit ich in Los Angeles Plattenfirmen abklappern konnte. Man braucht ein Auto in LA. Sie war wunderbar zu mir und ich schrieb „The Air That I Breathe“ für sie.

Was finden Sie an Deutschland wunderbar? Deutsche Fans gelten als lebenslang treu.

Hammond: Was ich an Deutschland wunderbar finde, ist die Art und Weise, wie die Deutschen Albert Hammond lieben. Das widerfuhr mir schon zu Beginn meiner Karriere. Damals kam ich nach Bremen, um in der Sendung „Beat-Club“ aufzutreten. Als ich mit „It Never Rains“ durchstartete, verehrten sie mich noch mehr – ich bin Deutschlands Sohn. Ich hatte hier mehr Hits als irgendwo anders auf der Welt. Sie mögen wohl, dass ich ein so normaler Typ bin.

Haben Sie sich Gedanken gemacht, wer die Europameisterschaft gewinnt?

Hammond (lacht):Oh, Nein. Früher war das anders, aber heute ist die Welt nicht gerade im besten Zustand, wie sie sein könnte. So viele Millionen Menschen leben ohne Wasser, leben ohne eine Toilette. Sie haben nicht all das, was wir haben. Gerade Fußballer verdienen so viel Geld, das sie niemals ausgeben können. Es gibt so viel Geld für so wenige und so wenig für so viele. Und unser Politiker scheinen nicht in der Lage zu sein, darauf eine Antwort zu finden.

Karten fürs Konzert mit Albert Hammond am Freitag, 20 Uhr, Einlass 19 Uhr, gibt es für 30,90 Euro plus Gebühren in den GA-Zweigstellen und unter www.bonnticket.de. Infos: www.rheinbach-classics.de.

Der General-Anzeiger verlost zwei mal zwei Karten inklusive eines persönlichen Treffens mit Albert Hammond. Rufen Sie uns an unter 0 13 79/88 68 12 oder senden Sie eine SMS mit dem Kennwort GAB4 an die Kurzwahl 1111. Geben Sie Namen und Adresse an. Teilnahmeschluss ist heute, 24 Uhr. Die Gewinner werden schriftlich benachrichtigt. Ein Anruf kostet 50 Cent aus dem Festnetz, Mobilfunk abweichend.

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