Tag des offenen Denkmals Wenige Häuser in Rheinbach erzählen vom Mittelalter

Rheinbach · Nur wenige Gebäude sind noch in Rheinbach erhalten, die vom Mittelalter erzählen. Und doch gibt es sie: Zwei Häuser an der Junkergasse bezeugen die damalige Bauweise - zu sehen beim historischen Stadtspaziergang am Tag des offenen Denkmals.

 Birgit Breywisch-Schrick zeigt verputzte Fachwerkhäuser an der Junkergasse.

Birgit Breywisch-Schrick zeigt verputzte Fachwerkhäuser an der Junkergasse.

Foto: Matthias Kehrein

Mit einem historischen Spaziergang beteiligten sich der Eifel- und Heimatverein und das Stadtarchiv am Tag des offenen Denkmals. Auf einer rund zweistündigen Spurensuche unter dem Motto „Modern(e): Umbrüche in Kunst und Architektur“ waren nun Stadtarchivar Dietmar Pertz und Birgit Preywisch-Schrick, Stadtführerin für den Heimat- und Eifelverein, mit rund 30 Teilnehmern in der Glasstadt unterwegs. Im Mittelpunkt stand der Aspekt, inwieweit sich das mittelalterlich-frühneuzeitliche Stadtbild im 19. und 20. Jahrhundert verändert hat. An verschiedenen Gebäuden zwischen Himmeroder Wall und Bahnhofstraße wurde mit Hilfe von historischen Abbildungen und Karten erläutert, wie die Rheinbacher auf neue Strömungen der Architektur reagierten und mit der alten Bausubstanz umgingen.

„Architektur ist kein Zufall, sondern eine Frage des Geschmacks und des Kompromisses, der oft aus finanziellen Gründen gefunden werden muss“, fasste Stadtführerin Birgit Preywisch-Schrick zusammen und zeigte, inwiefern noch heute zahlreiche Fassaden Aufschluss über ihre Entstehungsepoche, ihre Bewohner und deren Möglichkeiten geben. Mit Archivleiter Dietmar Pertz ging die Kulturgeografin auf die Entwicklung Rheinbachs von den Anfängen im 13. Jahrhundert über ihre Prägung als Ackerbürgerstadt (18. Jahrhundert), Beamten- und Schulstadt (Anfang 19. Jahrhundert) bis zur Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg ein.

Aufgrund der Kriegszerstörung sind wenige Gebäude erhalten, die noch wie zwei Häuser an der Junkergasse 9 und 11 die Bauweise des Mittelalters bezeugen: Um in den engen Gassen der Städte den Raum optimal auszunutzen, wurden kleine Toreinfahrten in Fachwerkbauten mit vorgelagerten Obergeschossen eng überbaut. „Im 18. Jahrhundert hat man begonnen, das von uns so geliebte Fachwerk zu verputzen“, erklärte Preywisch-Schrick. Die Gründe waren vielfältig und reichten von Brandschutz bis zur optischen Selbstaufwertung, da man sein Haus ebenso wie Kirchen und Herrscherhäuser aus Stein bauen wollte.

Die Orientierung der Gebäude war dem Nutzen, aber auch dem Zeitgeist unterworfen. „Die Hauptstraße war eine Handelsstraße, der Schwerpunkt lag auf der Giebelständigkeit“, erklärte Preywisch-Schrick und veranschaulichte anhand von historischen Aufnahmen den Gegensatz zu der traufständigen Bauweise in den Seitenstraßen, wo viel Freiraum für die hier liegenden Höfe gegeben war. In der Zeit nach 1850 hat sich Rheinbachs Hauptstraße verändert. Die Häuser wurden verbreitert, viele mittelalterliche Gebäude abgerissen und durch moderne ersetzt. „Billig, schlicht und nüchtern“, erklärte Preywisch-Schrick, wurde nach dem Krieg gebaut. Und sie gab zu bedenken, dass der alte Charakter der Städte oft verloren gegangen sei. „In Rheinbach allerdings finden sich noch zahlreiche mittelalterliche Ecken.

Der Aufbau ist vollzogen worden, indem man moderne Elemente mit alten verbunden hat“, so Pertz. Dies sei auch dem Rheinbacher Architekten Claus Kerwer und dem Kunstschmied Franz Kribbeler zu verdanken. Gerade auch vor dem großen Modernisierungsprozess, der in den 1970er Jahren für große Flächenverluste in der Baugestaltung sorgte, blieb Rheinbach verschont. „Der für die Zeit prägende Gedanke, nach dem Neues Vorrang vor Altem hat, trifft bei uns nicht zu, der Prozess verlief meist schleichend“, so Preywisch-Schrick.

Über den Anblick der fein gestalteten Jugendstilgebäude in der Bahnhofstraße, in denen Rechtsanwälte, Kreisbaumeister, Lehrer und zugezogene preußische Beamte um 1900 mit Vorgärten und viel Fassadenschmuck für ein gehobenes Flair sorgten, ging es vorbei am Amtsgericht, dem Rathaus und der Kirche Sankt Martin über die Bachstraße zur Burg und zur Katholischen Grundschule Sankt Martin, dessen Gebäude aus den 1950er Jahren stammt. Das heute für die Übermittagsbetreuung der Grundschüler genutzte Nachbargebäude unterhalb des Hexenturmes wurde 1937 als Hitlerjugendheim gebaut und erfüllt mit seiner Bodenständigkeit und der Verarbeitung von regionalen Gütern die Charakteristika der Architektur des Nationalsozialismus in Perfektion.

Seinen Abschluss fand der historische Stadtspaziergang am Römerkanal-Infozentrum, das Ende des Monats eröffnet wird. „Wichtig für Denkmäler ist es auch immer, einen Nutzen umzunutzen“, positionierte sich Preywisch-Schrick und beschrieb die Entwicklung des bis in die 1960er Jahre landwirtschaftlich genutzten Hofes, der heute als Kulturzentrum der Stadt dient.

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