Gespräch am Wochenende „Wir wissen ja nicht, was passiert“

Rheinbach · Die in Rheinbach aufgewachsene Schauspielerin Eva Marianne Kraiss (38) spricht über ihre ihre Spontanlesung in Rheinbach, über Theater und Film und über Kinder als Publikum.

Eva-Marianne Kraiss und ihr Bühnenpartner Michael Baute

Foto: Veranstalter

Was macht den Zauber einer Spontanlesung aus?

Eva Marianne Kraiss: Der Zauber einer Spontanlesung kommt daher, dass wir in einer ganz besonderen Position sind. Wir wissen nie, was wir an diesem Abend eigentlich machen. Das Format heißt „Ohne Probe ganz nach obe“, denn wir können nichts proben. Um den Zauber zu bedienen, können wir nur auf die zauberhaften Texte der Zuschauer hoffen. Wir befragen die Zuschauer, warum sie gerade diesen Text ausgewählt haben. Sehr häufig entsteht dann ein Austausch mit demjenigen, der den Text mitgebracht hat, und dem ganzen Publikum. Das sind mitunter sehr schöne Begebenheiten. Oft entsteht eine sehr schöne, sehr lockere Stimmung. Und ich glaube, dass sich die Zuschauer ein Stück weit für den Abend verantwortlich fühlen, weil sie den Text mitgebracht haben.

Was war der ungewöhnlichste Text, den Sie vorlesen mussten?

Kraiss: Die Mischung der Texte geht von supertraurig bis wahnsinnig schräg und total lustig. Die Spontanlesung ist eine Veranstaltung, bei der wir viel lachen. Wir fordern ja die Leute auf, uns schwierige Texte mitzubringen. Wir behaupten, wir können den Text in der jeweiligen Wunsch-Mundart oder Sprache vortragen: Wir können aber gar kein Schwedisch. So kommt es manchmal vor, dass wir Texte auf Schwedisch vorlesen müssen und wir binden das Publikum ein, indem wir fragen, was unser Kauderwelsch-Schwedisch bedeutet. Wir sollten einmal die Teekarte des Café Goldmund vorlesen – besonders erotisch. Das ist bei Schwarzem Tee gar nicht so leicht...

Klingt herausfordernd. Was legt man ihnen noch spontan vor?

Kraiss: Wir bekommen häufig Kinderbücher vorgelegt. Da denkt man oft, es wäre öde oder wäre für ein vorrangig erwachsenes Publikum nicht angemessen. Aber: Das kommt total gut an. Da können wir mit verteilten Rollen und verstellten Stimmen lesen. Meistens ist das eine ganz große Freude.

Wie üben Sie Spontanlesungen? Sie treffen sich mit Ihrem Bühnenpartner und lesen die Speisekarte vor?

Kraiss: Nein, 'Ohne Probe ganz nach obe' ist ganz ohne Probe.

Es wird gar nichts geprobt?

Kraiss: Wir können nichts proben. Wir wissen ja nicht, was passiert. Häufig treffen wir uns und essen gemeinsam zu Abend. Aber das kann man nicht Probe nennen, das ist kulinarischer Genuss. Nein, es soll nicht geprobt werden.

Auf der Bühne des Stadttheaters, gleichzeitig die Schulaula des Städtischen Gymnasiums, haben Sie als Schülerin erstmals Theaterluft inhaliert. Wie ist es, ein Heimspiel zu haben?

Kraiss: Ich freue mich da riesig drauf. Ich habe das Gefühl, ich lese wahnsinnig gerne, und ich komme aus Rheinbach. So ist das doch die richtige Veranstaltung für mich. Jetzt sind wir auch an einem ganz speziellen Ort – einem Autohaus. Ich finde das ein bisschen lustig. Es passt zu 'Ohne Probe ganz nach obe'. Es ist nämlich ein Ort, auf den wir uns nicht vorbereiten können. Wir werden am Abend selbst sehen, wie es dort ist – ob wir im Auto vorlesen oder neben dem Auto. Ich finde es schön, nach Rheinbach zurückzukommen und dann noch an einen – für Lesungen – außergewöhnlichen Ort.

In Ihrer Vita sind Theaterengagements ebenso zu finden wie Rollen in Kino- und Fernsehfilmen - wie einer neuen Folge Schwarzwaldklinik aus dem Jahr 2005. Was lieben Sie eher? Filmen oder die Bühne?

Kraiss: Ich will mich da gar nicht so festlegen. Wenn ich mich entscheiden müsste, schlägt mein Herz fürs Theater. Am Filmset muss alles Schlag auf Schlag gehen. Da dreht man eine Szene drei-, vier-, fünfmal. Man lernt aber womöglich die ganzen Kollegen, die in dem Film mitspielen, gar nicht kennen. Die Probenzeit im Theater erlebe ich hingegen als sehr intensiv. Aus Kollegen werden Freundschaften. Und am Ende geht man raus und sagt: So können und wollen wir das Stück den Zuschauern präsentieren. Das konzentrierte Arbeiten über Wochen, das gibt es so – vielleicht auch im Film – aber garantiert im Theater. Ebenso mag ich das Spielen vor Publikum, vor Menschen, die atmen und klatschen, weinen oder gähnen. Ich genieße es sehr, dass die Menschen immer direkt eine Regung zeigen.

Demnächst sehen wir Sie in „Die Schöne und das Biest“ auf Burg Satzvey. Wie sind Kinder als Publikum?

Kraiss: Kinder sind toll als Publikum. Sie sind viel ehrlicher als Erwachsene. Wenn es ihnen nicht gefällt, dann ist die Bude laut auf eine Weise, dass man merkt, wie sie unruhig sind. Wenn es ihnen gefällt, sind sie gebannt, lachen, machen mit, rufen und helfen einem auf der Bühne. Kinder haben – im positiven Sinn – keine Höflichkeit. Sie tun nicht als ob...

Die Zuhörer der Spontanlesung sind aufgefordert, Texte mitzubringen, die gelesen werden. Diese sollen nicht länger als sieben Minuten sein und einen Glasbezug haben, keine leichten Vorgaben...

Kraiss: Finde ich auch. Wenn wir die Spontanlesung in Köln haben, gibt es, bis auf die zeitliche Einschränkung, keine weiteren Regeln. Ich bin gespannt, was das Publikum mitbringt. Es muss kreativ sein.

Sie bringen nicht nur Bühnenpartner Michael Baute mit, sondern auch Musiker Christian Padberg, alias Dad's Phonkey. Was dürfen wir erwarten, wenn jemand A-cappella-Musik mit sich selbst macht?

Kraiss: Mein Bühnenpartner Michi hat ihn schon bewundern dürfen und war total begeistert. Ich selbst bin total neugierig, was dabei herauskommt. Wahrscheinlich, wie bei vielen musikalischen Darbietungen, kann man fröhlich davon werden – oder bewegt. Und für uns ist es ganz toll: Wenn wir nicht dran sind, bekommen wir Unterhaltung geboten.

„Ohne Probe ganz nach obe“ beginnt am Mittwoch, 4. Juli, um 19 Uhr im Autohaus RKH, Meckenheimer Straße 12, in Rheinbach. Karten gibt's zum Preis von neun Euro, ermäßigt sieben, im RHK-Autohaus, der Buchhandlung Kayser und dem Kulturamt im Himmeroder Hof sowie an der Abendkasse für elf, ermäßigt neun Euro. Mit „Die Schöne und das Biest“ feiert Eva Marianne Kraiss mit dem Metropol-Theater Köln am Sonntag, 1. Juli, 15 Uhr, Premiere auf Burg Satzvey. Bis Mittwoch, 22. August, gibt es 22 Vorstellungen. Karten kosten 15 Euro für Erwachsene, für Kinder zehn Euro.