Vorlesungen am Schreibtisch wegen Corona So startet man an der Hochschule Bonn/Rhein-Sieg ins Sommersemester

Rheinbach · Professoren, Tutoren und Studenten starten kommenden Montag digital ins Sommersemester. Das stellt Studierende und Dozenten vor neue Herausforderungen. Ein Blick in den virtuellen Hörsaal.

 Rafaela Bohl rechnet Matheaufgaben vor und nimmt das mit einem Handy am Schwanenhals auf.

Rafaela Bohl rechnet Matheaufgaben vor und nimmt das mit einem Handy am Schwanenhals auf.

Foto: Matthias Kehrein

Dem Schwanenhals entgeht kein Detail: Rafaela Bohl aus Rheinbach, rechnet eine knifflige Mathematikaufgabe, bei der eine konkrete Zahl für den noch unbekannten Wert von X gesucht wird und lässt sich dabei von einem auf dem gebogenen Kamerastativ, Schwanenhals genannt, montierten Handy filmen. Bohl studiert an der Hochschule Bonn/Rhein-Sieg (H-BRS) Wirtschaftswissenschaft und ist Tutorin von Professorin Christine Buchholz. Für gewöhnlich löst die junge Frau die komplizierten Rechnungen im Kreise der im Kopf mitrechnenden Studenten aus dem ersten und zweiten Semester.

Doch zum offiziellen Start des Sommersemesters ist alles anders: Wegen der Corona-Pandemie zeigt Rafaela Bohl den Lösungsweg zur Unbekannten auf virtuellem Weg – direkt aus ihrem Rheinbacher Studentenzimmer. Zu Hause in Witterschlick hat Christine Buchholz, Professorin für quantitative und qualitative Methoden am Rheinbacher Campus der H-BRS, auch schon eine Vorlesung gehalten, respektive eingesprochen. Da unklar ist, wann an der Hochschule wieder Vorlesungen von Angesicht zu Angesicht stattfinden werden, setzen Buchholz und ihr Tutorenteam auf digitale Wissensvermittlung.

Keine leichtfertigen Absagen

Dabei erfinden die künftigen Akademiker kreative Formen, um den Erst- und Zweitsemestern die Grundzüge von Wirtschaftsmathematik und Statistik beizubringen. „Es ist schön zu sehen, wie Studierende sich gegenseitig unterstützen und wie kreativ die Tutoren die Unterstützung vorbereiten“, sagt Buchholz im Gespräch mit dem General-Anzeiger. Trotz Corona-Pandemie und der damit verbundenen Kontaktsperre möchte die Wirtschaftsprofessorin nicht leichtfertig die Tutorien absagen. „Es sind acht junge Studierende, die mit der Tätigkeit zum Teil ihr Studium finanzieren. Und die Tutorien leben davon, dass Studierende zusammensitzen“, erläutert die Professorin.

Da dies aktuell nicht möglich ist und sich bis zum Semesterstart am kommenden Montag nichts ändern wird, arbeiten Buchholz’ Tutorien am heimischen PC oder Laptop daran, wie sich das Grundwissen vermitteln lässt. Schritt eins ist es, eine Sammlung guter Youtube-Videos zu erstellen. „Da gibt es schon eine Menge für das Grundlagenwissen. Da muss man nicht das Rad neu erfinden“, findet sie. Schritt zwei ist es, wie von Tutorin Bohl demonstriert, Matheaufgaben auf Papier vorzurechnen und aus diesem Vorgang einen Film zu machen. „Die dritte Möglichkeit ist, dass die Tutoren selbst E-Tutorials (Lehrvideos) drehen“, berichtet Buchholz.

Die Professorin mit dem Lehrgebiet Statistik, insbesondere Wirtschaftsstatistik und -mathematik, geht mit gutem Beispiel voran: Sie stellt ihren Studierenden die ersten Stunden ihrer Vorlesung virtuell zur Verfügung. Dabei nimmt sie sich daheim am Schreibtisch nicht selbst ins Visier einer Kamera, sondern ihre Thesen und Anmerkungen. Ein spezielles Werkzeug erlaubt ihr, dass sie ihre Präsentation mit einem Stift kommentieren kann – ein sogenanntes synchrones Angebot.

Erstsemester sollen trotz Corona eine schnelle Routine im Studienalltag bekommen

„Schon vergangene Woche habe ich die erste Lehrveranstaltung synchron über ein Konferenzsystem geschaltet und mit direkter Beteiligung der Studierenden meine Vorlesung abgehalten“, sagt Buchholz. „Gerade in Zeiten von sozialer Distanz sind synchrone Angebote zur Interaktion wichtig, die den persönlichen Bezug zum Dozierenden ermöglichen und die Lernmotivation steigern.“ Asynchrone Angebote wie Videos oder Texte böten sich insbesondere für theoretisch orientierte Inhalte an. Die synchronen Angebote seien „schöner für das soziale Miteinander“, die asynchronen böten den Studierenden mehr Flexibilität.

Für 230 Studierende in vier Kursen bereitet die Professorin den Lehrstoff für das ungewöhnliche Sommersemester vor. Wichtig sei es insbesondere für die Erstsemester trotz des Kontaktverbots eine Art von Routine und Rhythmus in den Studienalltag zu bekommen. „Es ist nicht daran gedacht, dass sie bis zum möglichen Beginn von Präsenzveranstaltungen die Sonne genießen“, sagt Buchholz.

Angebote wie E-Tutorials verleiteten ein Stück weit zum reinen Konsum. Darum sei es laut Buchholz wichtig, den Filmen im Idealfall Aufgabensammlungen anzufügen. „Ich sage meinen Studierenden immer: Ihr seid nicht auf der Aida, sondern in einem Ruderboot.“ Es gehe nicht nur um reine Animation wie auf einem Kreuzfahrtschiff, denn „das Wissen muss man sich selbst aneignen“.

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