Fehlende Saisonarbeiter Studenten unterstützen als Erntehelfer lokale Höfe

Rhein-Sieg-Kreis · Wegen Corona fehlen den Landwirten Saisonarbeiter. Höfe im linksrheinischen Kreisgebiet setzen deswegen Studenten ein. Aber die ungeübten Kräfte können die Saisonarbeiter nicht vollständig ersetzen.

 Studentinnen als Erntehelferinnen: Annika (links) und Lena Schlößer schneiden Rhabarber auf dem Feld von Landwirt Joachim Heinen.

Studentinnen als Erntehelferinnen: Annika (links) und Lena Schlößer schneiden Rhabarber auf dem Feld von Landwirt Joachim Heinen.

Foto: Axel Vogel/AXEL VOGEL

Landwirte in ganz Deutschland haben gerade ein Problem: Wegen der Corona-bedingten Einreiseverbote fehlen Erntehelfer. „Die Ernte von Sonderkulturen wie Erdbeeren und Spargel ist auf jeden Fall bedroht. Wenn die helfenden Hände nicht da sind, wird einiges im Feld stehen bleiben“, sagt Johannes Brünker, Landwirt aus Swisttal und Vorsitzender der Kreisbauernschaft Bonn/Rhein-Sieg.

Auf den Rhabarberfeldern von Joachim Heinen in Swisttal-Buschhoven arbeiten zurzeit neun Studenten. Die jungen Menschen aus dem Dorf hätten ihm von sich aus ihre Hilfe angeboten und er habe sie gerne angenommen, berichtet der Inhaber des Rosenhofs. „Mir fehlen noch einige osteuropäische, vor allem polnische Mitarbeiter, und ich weiß nicht, ob ich sie dieses Jahr bekomme. Viele haben gesagt, sie bleiben lieber zu Hause, weil es ältere Personen sind und es ihnen zu gefährlich ist. Aber auch Jüngere wollen lieber bei der Familie bleiben.“

Saisonarbeiter arbeiten sechs Tage die Woche zehn Stunden pro Tag

Normalerweise arbeiteten die Saisonkräfte sechs Tage die Woche rund zehn Stunden. Bei den Studenten seien es fünf Tage à fünf bis acht Stunden. „Sie sind sehr bemüht. Natürlich sind sie von der Ernteleistung hinter den sonstigen Saisonarbeitskräften zurück, aber sie haben sich schon gesteigert“, resümiert Heinen nach den ersten Tagen.

Aber: Wenn die Unis wieder öffnen, müssen sie ihrem Studium wieder nachgehen. „Dann wird es für mich problematisch.“ Die höheren Personalkosten könnten die Bauern wahrscheinlich nicht über den Verkauf hereinholen. „Der Handel gibt das mit dem Preis nicht so wieder, wie die Landwirte das gerne hätten.“

Geld verdienen und gleichzeitig etwas Gutes tun

Annika und Lena Schlößer helfen seit Dienstag vergangener Woche bei der Rhabarberernte. Heinen ist ein Berufskollege ihrer Eltern. „Man kennt sich, da ist es selbstverständlich, dass wir helfen“, sagt die 23-jährige Annika. Ihre Studiengänge lägen gerade ohnehin auf Eis. Das Ernten sei nicht so anstrengend wie gedacht, irgendwann gehe das Herausziehen der Rhabarberstangen aber in Arme und Rücken.

Im Gegensatz zu maschinell erntbaren Ackerkulturen seien Sonderkulturen wie Rhabarber „pure Handarbeit“, weiß Lena. „Wenn man so direkt am Produkt ist, schätzt man es mehr Wert“, findet sie. Die Arbeit der Ernthelfer schätzen gelernt hat auch Logopädie-Studentin Franziska Schiepek. Da die 19-Jährige im Moment auf ihre Kellnerjobs verzichten muss, sei die Ernte eine Möglichkeit, Geld zu verdienen und dabei etwas Gutes zu tun.

Vermittlungsplattform „Das Land Hilft“

Auf der Vermittlungsplattform des Bundes www.daslandhilft.de sind im Linksrheinischen bisher zahllose Helfer, aber erst zwei Betriebe registriert. Schneiders Obsthof sucht über die Webseite Erntehelfer für Erd-, Him- und Stachelbeeren, ab sechs Stunden täglich, sechs Tage die Woche. „Viele wollen erst einmal abwarten und hoffen noch auf andere Lösungen“, erklärt Schneiders-Mitarbeiterin Katharina Quast die Zurückhaltung der Betriebe. Außerdem würde in der Region vor allem Stein- und Kernobst angebaut; da beginne die Erntesaison später.

„Um einen Plan B zu haben“, habe Schneiders trotzdem inseriert. Weit mehr als 200 Bewerbungen habe der Wachtberger Hof erhalten. „Studenten, Schüler, Arbeitslose, Asylbewerber, zum Teil Berufstätige, die gesagt haben: ‚Ich kann nach meiner Arbeit oder am Wochenende helfen’“, berichtet Quast. Die Hilfsbereitschaft sei hoch, doch nicht alle eigneten sich. „Man muss mindestens 18 Jahre alt sein und Vollzeit arbeiten, weil wir das sonst organisatorisch nicht hinkriegen und Hygieneauflagen einhalten müssen.“

Saisonarbeiter aus dem Ausland könnten die Betriebe kurzfristig beschäftigen – das heißt für maximal drei Monate –, Asylbewerber und Co. müssten aber normal angestellt werden. Außerdem könnten Kurzarbeiter ihren Verdienst nur bis zu ihrem regulären Nettogehalt aufstocken – Vollzeit auf dem Feld sei so schwierig. „Das sind alles kleine Stolpersteine“, sagt Quast. Momentan arbeiteten rund 60 Erntehelfer auf dem Hof.

Schwierige Situation für insolventen Spargel Ritter

Über eine eigene Website sucht Landwirt Claus Ritter aus Bornheim Erntehelfer. Schwierig ist die Situation auf dem Spargel- und Erdbeerhof ohnehin, denn der Betrieb befindet sich in der Insolvenz. Ritter muss mit einem Bruchteil der üblichen Erntehelfer auskommen: etwa 50 statt 500. Für die fast 800 Tonnen Erdbeeren, die ab Mitte April auf etwa 50 Hektar geerntet werden sollen, sind das viel zu wenige.

Daher hat Insolvenzverwalter Andreas Schulte-Beckhausen die Seite www.erntehelfer-bornheim.de einrichten lassen. Vergütet wird die Arbeit laut der Seite mit einem Nettolohn von zehn Euro pro Stunde. Mittag- oder Abendessen sowie Handschuhe und ein Mundschutz werden gestellt.

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