Heimerzheim Auch in Swisttal "boomte" die NSDAP vor 80 Jahren

SWISTTAL · Am Mittwoch vor 80 Jahren, am 30. Januar 1933, übernahm Adolf Hitler in Deutschland die Macht. Nach und nach setzte er demokratische Grundrechte außer Kraft. Seine Diktatur endete in Krieg und millionenfachem Mord an Juden und anderen Minderheiten.

 Georg Schmidberger hat sich mit dem Kassenbuch der Heimerzheimer NSDAP-Ortsgruppe befasst.

Georg Schmidberger hat sich mit dem Kassenbuch der Heimerzheimer NSDAP-Ortsgruppe befasst.

Foto: Hans-Peter Fuss

Bis 1932/33 war die NSDAP in vielen Dörfern im Rheinland nur eine Randerscheinung. Doch mit Hitlers Machtübernahme bekam die Partei rasch Zulauf. So auch in Heimerzheim. 1280 Einwohner zählte das Dorf damals. Davon waren zum 1. April 1933 lediglich 18 Männer Mitglied in der NSDAP.

Bereits 1926 war der Dorfpolizist Fritz Gosewisch als Erster im Ort der Partei beigetreten. Das geht aus dem Kassenbuch der Nazi-Partei aus dem Jahre 1944 hervor, das dem Vorsitzenden des Arbeitskreises Heimat, Georg Schmidberger, von einer alteingesessenen Heimerzheimer Familie zur Verfügung gestellt wurde.

"Ein seltenes Dokument", ist sich Schmidberger sicher. Denn zum Kriegsende vernichteten zahlreiche Nazis in ganz Deutschland belastende Dokumente, darunter natürlich auch Mitgliedslisten der NSDAP. Bis zum Inkrafttreten der Aufnahmesperre am 1. Mai 1933, also innerhalb nur eines Monats, registrierte die NSDAP in Heimerzheim 30 neue Mitglieder. "Das waren überwiegend Trittbrettfahrer", vermutet Schmidberger.

Nach der "Machtergreifung" der Nationalsozialisten und der Reichstagswahl am 5. März 1933 verloren alle anderen Parteien massenhaft Mitglieder. Hunderttausende von ihnen strömten in die NSDAP. Zwischen Januar und April 1933 stieg deren Mitgliederzahl von 850 000 auf mehr als 2,5 Millionen.

Die NSDAP-Führung vermutete dahinter Tausende von "Konjunkturrittern" und Gegenkräften, die nicht aus nationalsozialistischer Überzeugung, sondern zum persönlichen Vorteil in die Partei drängten. Daher verhängte die Führung eine Aufnahmesperre, die bis 1937 galt.

Das Kassenbuch der NSDAP-Ortsgruppe Heimerzheim, zu der auch Miel, Hohn, Morenhoven, Dünstekoven, Odendorf, Essig, Ollheim, Buschhoven und Ludendorf (also bis auf Straßfeld die heutige Gemeinde Swisttal) gehörten, ist gut erhalten. Das Papier im schwarzen Einband ist zwar vergilbt, doch die in sauberer Handschrift eingetragenen Namen samt Adresse, Beruf, Mitgliedsnummer, Geburts- und Eintrittsdatum sind einwandfrei lesbar. Es weist 1944 insgesamt 366 Mitglieder aus.

Exakt ein Drittel dieser Männer und Frauen trat der Partei am 1. Mai 1933 bei, also am letztmöglichen Tag vor der Aufnahmesperre. Schmidberger: "Für viele Unschlüssige war dies die letzte Möglichkeit, die möglichen Vorteile einer Mitgliedschaft zu nutzen." Diese Last-Minute-Mitglieder wurden in Heimerzheim "Maiblüten" genannt. Die Sperre war aber nicht komplett undurchlässig: Der Ortsgruppenleiter konnte nach einem Prüfungsverfahren ausgesuchte Anwärter befürworten. Am 1. Mai 1937, als die Sperre aufgehoben wurde, traten der Ortsgruppe 58 neue Mitglieder bei. In der Folgezeit verzeichnete die NSDAP besonders am Geburtstag des Führers, dem 20. April, überdurchschnittlich viele Eintritte.

Am 28. März 1933 hatten die katholischen Bischöfe in Deutschland ihre Warnung vor Hitler und der NS-Ideologie offiziell zurückgenommen. Im Juli 1933 folgte das Reichskonkordat. In diesem Vertrag zwischen dem Vatikan und dem Deutschen Reich wurde das Verhältnis der katholischen Kirche zu den neuen Machthabern geregelt. Es sicherte den kirchlichen Würdenträgern und den Gläubigen zunächst eine gewisse Freiheit zu, verpflichtete sie aber auch dem Regime gegenüber zur Treue.

Ein Katholik konnte nun mit dem Segen seiner Kirche in die NSDAP eintreten. Dies hatten die Bischöfe im Februar 1932 noch verboten. Als der Heimerzheimer Pfarrer Heinrich Zimmermann dies als überzeugter Nazi-Gegner von der Kanzel der Kirche Sankt Kunibert verkündete, schallte nur ein einzelner Pfui-Ruf durch das Gotteshaus. Zimmermann sah sich allerdings in den Folgejahren immer wieder Schikanen und Drohungen der Heimerzheimer Nazis ausgesetzt. Dies geschah besonders dann, wenn Gottesdienste zeitgleich mit Parteiveranstaltungen stattfanden. So schüttete man ihm eines Tages eine Ladung Jauche vors Pfarrhaus.

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