Geburtshilfe Bonner Kliniken bilden Netzwerk für Geburten

Bonn · Nach der Schließung des Kreißsaals im Malteser Krankenhaus können Schwangere außer in Geburtshäusern nur noch in vier Krankenhäusern entbinden. Chefärzte halten die Versorgung trotzdem für gesichert. Freiberufliche Hebammen sehen die Lage eher kritisch.

 Eine Hebamme hält ein Neugeborenes.

Eine Hebamme hält ein Neugeborenes.

Foto: Moritz Künster

Der Vortragssaal im Johanniter-Krankenhaus ist gut gefüllt. Die eine Hälfte des Auditoriums besteht aus schwangeren Frauen und die andere Hälfte aus deren Partnern. Das Interesse ist also groß an dieser regelmäßig stattfindenden Informationsveranstaltung für werdende Eltern. Nur die sonst übliche Begehung der beiden Kreißsäle muss ausfallen. Zu viele Frauen entbinden an dem Abend gleichzeitig. „Das ist ein Ausnahmezustand, der vielleicht einmal im Jahr eintritt“, sagt Uwe-Jochen Göhring, der die Abteilung Geburtshilfe und Gynäkologie bei den Johannitern leitet.

Diesen Satz zu betonen, kommt nicht von ungefähr. „Wir stellen schon eine gewisse Unsicherheit fest“, erklärt Göhring. Das Malteser-Krankenhaus in Medinghoven hat vor wenigen Wochen mitgeteilt, dass die Abteilung für Geburtshilfe geschlossen bleibt. Die Probleme, über Monate hinweg den Chefarztposten und weitere Fachstellen zu besetzen, seien am Ende nicht mehr zu bewältigen gewesen, begründete die Krankenhaus-Geschäftsführung.

So steht nun ein Krankenhaus in Bonn weniger für Entbindungen zur Verfügung. Göhring ist allerdings überzeugt, dass die übrigen vier Bonner Kliniken, die Geburten betreuen, die rund 600 jährlichen Geburten im Malteser-Krankenhaus auffangen können. Es gebe ein Netzwerk mit den Unikliniken, dem Marienhospital auf dem Venusberg sowie dem Gemeinschaftskrankenhaus Bonn (Haus Elisabeth) in der Südstadt. Wenn Engpässe auftauchten, kommunizierten die Häuser untereinander. „Es ist auch ehrlicher, eine Geburtshilfestation zu schließen, wenn eine gute Versorgung nicht gewährleistet ist“, findet Göhring. Das Johanniter hat nun drei zusätzliche Stellen für Hebammen geschaffen und will Personal aus dem Malteser übernehmen.

Auch die drei anderen Krankenhäuser mit Entbindungsstationen halten die Versorgung für gewährleistet – und zwar nicht nur für Bonn, sondern auch für den Rhein-Sieg-Kreis, aus dem viele Schwangere für die Geburt in die Stadt kommen. „Der Rhein-Sieg-Kreis mit seinen links- und rechtsrheinischen Gebieten ist ein großes Einzugsgebiet der Bonner Kliniken“, sagt Susanne Wagner, Vizepressesprecherin der Unikliniken. Auf dem Venusberg sind in diesem Jahr 1717 Kinder auf die Welt gekommen, bis Ende des Jahres werden es wohl 2100 sein. Der Anteil der Risikoschwangerschaften ist an den Unikliniken im Vergleich zu anderen Häusern recht hoch. Die von der Gemeinnützigen Gesellschaft der Franziskanerinnen zu Olpe getragenen GFO-Kliniken bieten im Marienhospital, im Cura-Krankenhaus Bad Honnef sowie in Troisdorf und Sieglar Geburtshilfe an. Alleine in Bonn und dem Siebengebirge kommen jährlich 2900 Kinder zur Welt, in Troisdorf und Sieglar waren es 2017 rund 2300. „Die Eltern in der Region in und um Bonn müssen sich also keine Sorgen machen. Allein in den GFO-Kliniken haben wir sieben Kreißsäle“, sagte Sprecherin Britta Ellerkamp. Joachim Roos, Chefarzt der Geburtshilfe im Bonner Gemeinschaftskrankenhaus, sagt, Engpässe könnten in jedem Haus auftreten. „In Bonn pflegen die Kliniken aber einen guten Kontakt untereinander. Auch wenn Engpässe auftreten, wird keine Schwangere einfach weggeschickt.“ In diesem Jahr werden im Haus Elisabeth etwa 660 Kinder zur Welt kommen, schätzt Roos. Er erinnert daran, dass in den letzten Jahrzehnten ein stetiger Rückgang der Geburtenzahlen erfolgte. „Ab 2012 – also schon vor der Flüchtlingswelle – gingen sie aber wieder nach oben.“ Das sei ein positives Signal in einer alternden Gesellschaft.

Recht entspannt wirkt beim Vortragsabend der Johanniter ein Paar aus Wachtberg. „Natürlich haben wir die Schließungen von Geburtshilfen in den vergangenen Jahren mitbekommen. Aber ich bin ganz sicher, dass wir ein geeignetes Krankenhaus finden werden“, sagt die werdende Mutter. Für den 23. Dezember ist ihr Kind ausgerechnet. Bis dahin bleibe Zeit, die Entscheidung für ein Krankenhaus zu treffen, sagt die Frau.

Aus Sicht von Gerit Sonntag, die sich bei der bundesweiten Elterninitiative Mother-Hood für sichere Geburtshilfe einsetzt, hat sich die Versorgung Schwangerer in den vergangenen Jahren dagegen deutlich verschlechtert. An vielen Kliniken in Bonn herrsche Personalnot, und die Hebammen häuften aus diesem Grund Überstunden an. Auch finde in vielen Fällen keine Eins-zu-eins-Betreuung mehr statt, sondern Krankenhaushebammen müssten mehrere Schwangere gleichzeitig betreuen. Das Malteser-Krankenhaus sei das letzte in Bonn gewesen, das Verträge mit freiberuflichen Hebammen abgeschlossen habe, die eine enge Betreuung garantierten. Sonntag erinnert auch an die Schließung der Geburtshilfe der Asklepios-Klinik in Sankt Augustin.

Auch Christiane Keuter sieht die Geburtshilfesituation in Bonn und der Region nicht rosig. Die Hebamme gehört zum neunköpfigen Team im Geburtshaus Bonn in Dottendorf und sagt: „Immer weniger Frauen entscheiden sich für den Beruf der Hebamme.“ In den Krankenhäusern sei die Bezahlung schlecht, und wer als freiberufliche Hebamme tätig sei, trage seit der Erhöhung der Haftpflichtprämien für Hebammen sehr hohe finanzielle Lasten. Das schrecke viele ab. Dass in Bonn nur noch vier Krankenhäuser Geburtshilfe anbieten würden, zeige, dass dieser Bereich unwirtschaftlich sei und es an Personal fehle. „Bei Geburten muss immer eine Hebamme zugegen sein, die Anwesenheit einer Ärztin oder eines Arztes ist dagegen nicht zwingend vorgeschrieben.“ Sie wisse zudem, dass in Kliniken bei immer mehr Frauen die Geburt eingeleitet werde, um besser planen zu können.

Riesig sei die Nachfrage von schwangeren Frauen, die im Geburtshaus entbinden wollten. Tendenz steigend. „Wir haben um die 120 Geburten im Geburtshaus, dazu kommen noch einmal 40 Hausgeburten“, sagt Keuter. Damit sind die Kapazitäten des Geburtshauses erschöpft. Die Schwangeren kämen zu ihnen, weil sie Kliniken oftmals als anonym empfänden und eine durchgehende Betreuung durch eine Hebamme wünschten. „Sie erhalten bei uns eine Eins-zu-eins-Betreuung“, so Keuter.

Eine Umfrage von Mother-Hood aus 2017 legt nahe, dass nicht alle Mütter bei ausgebildeten Hebammen unterkommen. Ute Peiffer, Leiterin des Hebammenzentrums Rhein-Sieg/Bonn, dazu: „2017 hatten wir bis Anfang November 146 Anrufe von Müttern, die ihr Baby schon geboren hatten und noch dringend Hilfe benötigten. 59 von ihnen konnten wir keine Hebamme mehr vermitteln, da keine Kollegin mehr freie Kapazitäten hatte.“ Bei der Wochenbettbetreuung sei die Situation eklatant, so Sonntag. Hier hätten nur drei Hebammen laut Umfrage keine Absagen erteilen müssen, 44 Prozent hätten mehrmals in der Woche oder täglich Müttern keine Versorgung anbieten können.

Was die Entbindung selbst betrifft, ärgert sich Sonntag: „Das gesetzlich verankerte Recht, dass Frauen wählen dürfen, auf welche Art und Weise sie entbinden, ist zur Farce geworden.“ Ein Paar aus Ruppichteroth habe sich beispielsweise für einen Kaiserschnitt entschieden, weil es nicht riskieren wollte, auf dem Weg in eine Klinik irgendwo im Stau zu stehen. „Die Freiheit der Entscheidung geht verloren“, meint Sonntag. Als Eltern und Hebammen kürzlich, initiiert von Mother-Hood, einen Trauermarsch durch die City wegen der Kreißsaalschließung der Malteser anführten, protestierten sie auch gegen eine Politik, die nicht nur nach ihrer Ansicht eine Zentralisierung der Geburtshilfen befördere. „Der politische Wille ist ganz offensichtlich, kleinere Geburtsstationen nicht zu fördern“, erklärt auch Göhring. Chefarzt Roos aus dem Haus Elisabeth sieht das ebenso: „Arzt, Hebammen, Anästhesisten und ein Oberarzt im Hintergrund müssen ständig da sein. Wirtschaftlich ist das nicht hinzubekommen.“ Krankenhäuser müssten sich bewusst für eine Geburtsstation entscheiden. Auch Roos sieht die zunehmenden Schwierigkeiten für Eltern, die Art der Entbindung wählen zu können: „Das Beleghebammensystem ist vom Aussterben bedroht. Damit sind auch die Wahlmöglichkeiten eingeschränkt.“ Immerhin: Als es auf Roos' Station im vorigen Jahr schwierige Situationen gab, hat die Geschäftsführung ihm vier neue Hebammenstellen genehmigt, die mittlerweile besetzt sind.

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