Suche nach Weltkriegspiloten Eine Jacke, eine Brieftasche und viele Fragen

SWISTTAL · Zwei Buschhovener Zeitzeugen trafen sich mit Experten von History Flight an der Absturzstelle einer Jagdmaschine in Buschhoven. Um bei der Aufklärung des Schicksals des Weltkriegpiloten zu helfen, hatte der General-Anzeiger seine Leser um Mithilfe gebeten.

Was ist mit dem US-Piloten Gus Warner (Name von der Redaktion aus Rücksicht auf die Hinterbliebenen geändert) passiert, der am 23. Dezember 1944 mit seiner einmotorigen Jagdmaschine vom Typ P-47 Thunderbolt über Buschhoven abgestürzt war? Wie berichtet, geht der Frage mit viel Aufwand die Nichtregierungsorganisation History Flight aus den Vereinigten Staaten in einem Waldstück des Kottenforsts bei Buschhoven nach. Zur Erinnerung: History Flight hat sich auf die Suche nach vermissten Soldaten der US-Streitkräfte spezialisiert. Um bei der Aufklärung des Schicksals von Gus Warner zu helfen, bat auch der General-Anzeiger seine Leser um Mithilfe: Zeitzeugen waren gesucht.

Derweil hatten sich Peter Kraut, Luftkriegshistoriker aus Weilerswist, und Peter Haarhaus, ehemaliger Einsatzflugzeugführer in der Luftwaffe der Bundeswehr, der inzwischen in Buschhoven wohnt, im Ort umgehört. Und sie waren fündig geworden: Der 80 Jahre alte Heinrich Schlößer und der zwei Jahre ältere Josef Heinen wussten einiges zu berichten. Mit beiden Zeitzeugen hatten Haarhaus und Kraut Mitte April ein Treffen mit dem Team von History Flight vereinbart. Mit dabei waren der forensische Archäologe Ian Magee aus Irland sowie der Brite Danny Keay aus Geilenkirchen, der Leiter der Europaaktivitäten von History Flight ist.

Wrackteile nahe des Schützenheims gefunden

Seit über drei Monaten haben mehre Teams von History Flight, die aus Fachleuten wie Archäologen und forensischen Archäologen bestehen, ein inzwischen fast Fußballfeld großes Waldstück nahe des Schützenheims untersucht. Dort waren vor zehn Jahren ein Absturzkrater sowie Wrackteile und persönliche Gegenstände des Piloten entdeckt worden. Doch ungeachtet großer Anstrengungen beim Untersuchen der obersten Erdschichten wie auch einiger metertiefen Grabungen, etwa in dem Absturzkrater, ist der Verbleib des Piloten immer noch unklar.

„Darum werden wir die Suchaktion verlängern“, erklärte der forensische Archäologe Ian Magee, der derzeit die Grabungsaktion leitet. Immer noch wissen die History-Flight-Leute nicht, ob der Pilot – wie es eine Quelle behauptet – an Ort und Stelle sein Grab gefunden hat, oder ob er stattdessen nach wie vor unbestattet in dem Waldstück liegt. Dritte Möglichkeit: Gus Warner wurde auf einem Friedhof in der Umgebung beigesetzt.

Ob der Ungewissheit erhoffte sich Magee nun Aufschluss von den Zeitzeugen aus Buschhoven. Josef Heinen, der Ende 1944 zwölf Jahre alt war, wusste zu berichten, dass das Gelände der Absturzstelle seinerzeit von Schützengräben war durchzogen. „In denen haben wir als Kinder immer gespielt“, so Heinen. Entgegen früher Annahmen steht auch fest: Da, wo heute stattliche Bäume stehen, wuchsen seinerzeit nur Buschwerk und Jungbäume, wie beide Zeitzeugen übereinstimmend berichteten. Kurz vor Weihnachten, so Heinen weiter, habe sich dann der Absturz des Jägers im Ort herumgesprochen und natürlich war Heinen als kleiner Junge neugierig zu der Absturzstelle gelaufen; „Ich habe aber nur den Krater und Metallstücke gesehen, keine Ausrüstung.“ Auch Hinweise auf den Piloten habe er damals keine finden können.

Luftkämpfe am 23. Dezember 1944

Interessante Details hatte Heinrich Schlößer noch in Erinnerung. So, dass er am 23. Dezember 1944 vom elterlichen Hof aus „Luftkämpfe“ beobachten konnte. Gut möglich- laut Peter Haarhaus, der sich in Gefechtsberichte aus jener Zeit eingelesen hat: „Der 23. Dezember 1944 markierte das Ende einer Schlechtwetterperiode. Daher gab es viele Luftkämpfe in dem Raum Bonn-Koblenz-Euskirchen. Die Amerikaner wie die Deutschen wollten ihre Truppen unterstützen.“ Auch Angaben zu „einer Reihe von Abschüssen“ fand Haarhaus in den Gefechtsberichten.

Zum Hintergrund: Seit dem 16. Dezember 1944 tobte nicht weit entfernt im belgisch-luxemburgischen Grenzgebiet die deutsche Ardennenoffensive. Schnell hatte sich dann auch bis zu Schlößer und einem Freund herumgesprochen, dass eine Maschine bei Buschhoven abgestürzt war: „Da mussten wir hin“, erinnerte er sich. Deutsche Soldaten wiesen ihnen den Weg zur Absturzstelle: „Ich habe einen Krater gesehen, der am Dampfen war, aber keine größeren Wrackteile.“

Schnee habe keiner gelegen. Schlößers Freund sei daraufhin in den Krater gesprungen und hätte angefangen zu graben. Wie Heinrich Schlößer ausführte, sei der Freund fündig geworden: „Er hat die Pilotenjacken entdeckt und aus dieser eine Brieftasche an sich genommen.“ Der 80-jährige Buschhovener konnte sich noch ein Stück weit an den Inhalt erinnern: „Geld, Briefe und Bilder einer Frau.“ Was aber die History-Flight-Leute erstaunte: „Ich habe keinen Körper gesehen“, betonte Heinrich Schlößer.

„An einer Absturzstelle können viele Dinge passieren“

Als der vor einigen Jahren seinen Jugendfreund nochmals nach dem Verbleib der Brieftasche gefragt hatte, bekam er damals zur Antwort: „Die ist beim Bürgermeister.“ Schlößers Darstellung gab Fachmann Ian Magee Rätsel auf: „Ich wundere mich, dass die Jacke gefunden wurde und nichts von dem Körper des Piloten.“ „An einer Absturzstelle können viele Dinge passieren“, gab Haarhaus zu bedenken, und auch Danny Keay, der selbst viele Absturzstellen untersucht hat, konnte das nur bestätigen. Manche Maschinen zerplatzen förmlich beim Aufprall und andere graben sich tief in den Boden. So wie der P-47-Thunderbolt-Jäger eines 22 Jahre alten US-Piloten, den er vor elf Jahren bei Werl „noch aufrecht sitzend aus fünf Metern Tiefe aus dem Erdreich gezogen hatte.“

Auch wenn die Suche nach dem vermissten Piloten in Buschhoven noch kein Happy End gefunden hat, war Heinrich Schlößer der US-Organisation dankbar. Er sah eine „Altschuld“ endlich getilgt. Keay konnte ihn beruhigen: „Wir versuchen 70 Jahre nach Kriegsende, nur noch das Schicksal von Menschen zu klären.“ In Buschhoven dürfte das laut Keay noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Umso mehr freute er sich, dass Experten und Freiwillige aus vielen Ländern geholfen haben und helfen. Jüngstes Beispiel: Keay hat einige Bonner Studenten für die Suche gewinnen können, die auf Jobsuche waren.

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