Dammbruchszenarien und Hochwasserschutz Das ist der Sachstand rund um die Steinbachtalsperre

Euskirchen · Mehr als ein Jahr nach der Flutkatastrophe hat sich rund um die Steinbachtalsperre einiges getan. Andere Fragen sind noch offen, könnten aber bald beantwortet werden. Wir geben einen Überblick.

 Die Steinbachtalsperre steht seit dem Ablassen nach der Flutkatastrophe leer. Bevor dort wieder Wasser aufgestaut wird, sind Fragen zu klären. Bald soll es Antworten geben.

Die Steinbachtalsperre steht seit dem Ablassen nach der Flutkatastrophe leer. Bevor dort wieder Wasser aufgestaut wird, sind Fragen zu klären. Bald soll es Antworten geben.

Foto: Axel Vogel

Bis Juli 2021 war die Steinbachtalsperre für viele vor allem ein Ziel für Tagesausflüge im Linksrheinischen. Dann kam die Flutkatastrophe – und fünf Tage lang ließ die Stauanlage die Nerven in der Region blank liegen. In der kommenden Verbandsversammlung des Wasserversorgungsverbandes Euskirchen-Swisttal (WES) am 28. September sind die Talsperre und ihre Zukunft erneut Thema. Der GA gibt vorab einen Überblick über die bisherige Entwicklung und die noch immer offenen Fragen.

 Die Talsperre: Das Bauwerk wurde im Dezember 1936 fertiggestellt. Damals sollte die Talsperre vor allem die Euskirchener Tuchindustrie mit Wasser versorgen. Der Damm aus grobsteinigem Material mit einer wasserseitigen Lehmdichtung wurde im Rahmen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen gebaut und zwischen 1988 und 1990 saniert. Unter anderem erhielt er damals eine wasserseitige Asphaltabdichtung. Angrenzend liegt das Waldfreibad, das Wasser aus dem Stausee betrieben wurde. Davon fasst die Talsperre mehr als eine Millionen Kubikmeter. Aktuell ist sie leer, soll aber wieder aufgestaut werden, sobald technische Fragen und organisatorische Fragen geklärt sind.

Die Katastrophe: Infolge des Starkregens am 14. Juli 2021 lief die Talsperre über. In Swisttal heulten um 18.42 Uhr die Sirenen. Bürgermeisterin Petra Kalkbrenner hatte des veranlasst, als sie von der drohenden Überflutung erfahren hatte. Das Wasser riss bis zu zwei Meter tiefe Furchen in die Luftseite des Damms, also die Seite mit dem niedrigeren Wasserniveau. Die Euskirchener Orte Schweinheim, Flamersheim und Palmersheim, die Swisttaler Orte Odendorf, Ludendorf, Essig und Miel sowie Ober- und Niederdrees in Rheinbach wurden evakuiert. Fünf Tage dauerte es bis zur Entwarnung. Ein Baggerfahrer musste den Grundablass, der im Prinzip wie ein Badewannenstöpsel funktioniert, vom höchsten Teil des Damms, der Deichkrone, aus freibaggern. Mitglieder der Euskirchener Feuerwehr kämpften sich durch schultertiefes Wasser in einen zu Wartungszwecken angelegten Revisionstunnel, um dort manuell einen Schieber zu öffnen. Die Frage, warum die Talsperre im Vorfeld des angekündigten Starkregen nicht abgelassen wurde, ist wiederholt aufgeworfen worden. Eine Verteidigung gegen den damit implizierten Vorwurf lautet, dass die in diesen Stunden gefallenen Regenmengen auch für die vollständig entleerte Talsperre zu viel gewesen und der Damm in jedem Fall überspült worden wäre.

Die Scharte: Kurz nach der Katastrophe wurde mit dem Bau einer Scharte, eine mehrere Meter breite Öffnung, im Damm der Talsperre begonnen. Diese Öffnung ist inzwischen fertiggestellt und befestigt. Auch bei heftigen Regenfällen kann sich das Wasser jetzt nur bis zur Höhe dieser Öffnung aufstauen, dann fließt es über die Scharte direkt in den Steinbach ab. Statt eines großen Sees präsentiert sich Spaziergängern daher derzeit eine bewachsene Fläche. Der Rundweg über die Dammkrone kann nicht mehr genutzt werden. Das vom Hochwasser beschädigte Freibad blieb im Sommer geschlossen.

 Von der Steinbachtalsperre bis zur Mündung in die Swist streift der Steinbach viele Orte. Was dort bei einem Dammbruch geschehen wäre, sollen demnächst Simulationen zeigen.

Von der Steinbachtalsperre bis zur Mündung in die Swist streift der Steinbach viele Orte. Was dort bei einem Dammbruch geschehen wäre, sollen demnächst Simulationen zeigen.

Foto: GA Grafik

Hochwasserschutz und Naherholung: Bisher hatte die Steinbachtalsperre keine offiziell Funktion im Hochwasserschutz. Das soll sich in Zukunft ändern. Der beste Hochwasserschutz, so hieß es schon bei der WES-Verbandsversammlung im vergangenen Jahr, wäre ein leere Talsperre, die als sogenannte Retentionsfläche zur Verfügung stünde. Darunter versteht man Bereiche, die im Bedarfsfall kontrolliert geflutet werden können, um Überschwemmungseffekte anderswo abzumildern. Gewünscht ist aber auch, dass die Talsperre weiterhin zur Brauchwasserversorgung für die Landwirtschaft, als Löschwasserreservoir bei Waldbränden und nicht zuletzt auch als Naherholungsgebiet zur Verfügung steht. Eine entsprechende Hybridlösung zu finden, lautete der Beschluss der Versammlung im vergangenen Jahr.

Die Zukunft: Fest steht inzwischen, dass die Talsperre wieder aufgestaut werden soll. Dazu soll die Scharte mit einer Konstruktion versehen werden, die erlaubt, den neuen Abfluss je nach Wasserstand oder angekündigtem Regen zu öffnen oder zu schließen. So könnte die Talsperre vor Starkregenereignissen geleert und Wasser aus dem Einzugsgebiet zurückgehalten werden. Wie genau so eine Konstruktion aussehen könnte, soll in der anberaumten WES-Verbandsversammlung besprochen werden. Das „Grobkonzept für die Errichtung eines technischen Bauwerkes in der Dammscharte“ steht auf der Tagesordnung.

Was hätte passieren können: War der Evakuierungsradius in der Katastrophe zu klein, zu weit gefasst, oder gerade groß genug? Auch dies ist eine wiederkehrende Frage. Zur Beantwortung muss geklärt werden: Bis wohin wäre das Wasser geflossen, wenn der Damm gebrochen wäre? Mit welcher Kraft hätte es sich ausgebreitet, wie hoch hätte es gestanden? Ein Ingenieurbüro ist beauftragt, Dammbruchszenarien auszuarbeiten. Ergebnisse dieser Untersuchungen stehen ebenfalls auf der Tagesordnung der kommenden Verbandsversammlung.

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