Kabarett-Tage in Morenhoven Evi Niesser: Die Stimme von Paris

Swisttal-Morenhoven · Wenn Evi Niessner die Bühne betritt, überzeugt sie mit einer sagenhaften Ausstrahlung und einer bemerkenswerten Stimme. Mit ihrer Hommage an Edith Piaf begeisterte sie das Publikum im ausverkauften Kreaforum Morenhoven.

 Eine Sternstunde der Morenhovener Kabarett-Tage: Evi Niessner singt Edith Piafs Klassiker.

Eine Sternstunde der Morenhovener Kabarett-Tage: Evi Niessner singt Edith Piafs Klassiker.

Foto: Rainer Timm

Sie maß nur 1,47 Meter: eine zierliche Person, leicht zu übersehen. Und ebenso zäh – um sich in den 30er Jahren auf den Straßen im Nordosten von Paris behaupten zu können. Ihr Start ins Leben? Mit dem Wort „ruppig“ noch schmeichelhaft umschrieben.

Ihr Äußeres? Der Gegenentwurf parexcellence zu all dem, was man zu ihrer Zeit unter Glamour verstand. Aber ihre Stimme? Der Inbegriff des Chansons, den sie für alle Zeiten mit ihrem Namen verbunden hat: Edith Piaf.

Es braucht also schon eine gewisse Chuzpe, um ein Stück in diesen Stiefeln zu laufen. Doch was das angeht, muss man sich um Evi Niessner aus Berlin keine Sorgen machen, wie sie jetzt mit ihrer Hommage „Chanson Divine“ im ausverkauften Kreaforum bewiesen hat; begleitet von dem südafrikanischen Pianisten Richard van Schoor.

Die Piaf und sie – das ist ein Fest fürs Leben, um Hemingways Resümee über Paris an dieser Stelle mal ein wenig abzuwandeln.1993 stach die am Wiesbadener Konservatorium ausgebildete Opernsängerin beim Bundeswettbewerb Gesang als herausragendes Talent für das französische Chanson heraus und spielte anschließend die Titelrolle im Musical „Piaf“.

Dass sie der berühmtesten Chansonette der Welt – geboren am 19. Dezember 1915 – zu deren 100. Geburtstag ein besonderes Geschenk machen würde, verstand sich von selbst. Und das ist es geworden: ein energiegeladenes, hinreißend melancholisches und feinsinnig-ironisches Porträt. Sie verkörpert den Spatz von Paris bis in die Fingerspitzen und in stilsicheren Kostümen. Und der Schmerz der Piaf über den Verlust ihrer großen Liebe, den 1916 in Algerien geborenen Boxweltmeister Marcel Cerdan, der bei einem Flugzeugabsturz über den Azoren im Oktober 1949 ums Leben kam, das zornige Aufbegehren, weil ihr nicht genug Zeit mit ihm blieb – das ist Gänsehaut pur.

Dass Evi Niessner mit „L'Accordéoniste“, „La Vie En Rose“, „Milord“ und sowie „Non, Je Ne Regrette Rien“ die Klassiker schlechthin interpretiert? Ein Muss. Dass ihre Stimme das leidenschaftliche Timbre, diesen leicht metallischen Unterton, exakt trifft? Das ist der Bonus und macht „Chanson Divine“ zu einer der Sternstunden der Saison und der Geschichte der Morenhovener Kabarett-Tage.

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