Klassiker-Sammlung Wie Günter Thiel sein Herz an eine Victoria Bergmeister verlor

Swisttal-Miel · Für Fans motorisierter Zweiräder ist die Sammlung von Günter Thiel ein Traum. Der 92-jährige Mieler besitzt mehrere klassische Motorräder, teils schon seit den 1950er Jahren. An einem Modell hängt dabei sein Herz besonders.

 Es muss schon der originale Helm sein, wenn man mit den Oldtimern-Einzelmaschinen oder Gespannen fährt, sagt Günter Thiel. Der Sammler besitzt die Schätze seit Jahrzehnten.

Es muss schon der originale Helm sein, wenn man mit den Oldtimern-Einzelmaschinen oder Gespannen fährt, sagt Günter Thiel. Der Sammler besitzt die Schätze seit Jahrzehnten.

Foto: Saxler-Schmidt

Was Günter Thiel liebt, gibt er nicht her. Das gilt nicht nur für seine Frau Irmgard, mit der er seit 70 Jahren verheiratet ist und die Gnadenhochzeit feiern konnte. Das gilt auch für seine Motorräder, mit denen er fast genauso lange zusammen ist: vor allem seine Victoria Bergmeister Baujahr 1954, seine Adler MB 250 vom gleichen Baujahr und seine Adler MBS 250 Baujahr 1957. Die beiden Gespanne mit Seitenwagen und die diversen Solo-Maschinen seiner Sammlung sind blitzblank poliert und bestens gepflegt. Das ist Ehrensache für den 92-jährigen gelernten Autoelektriker.

Es begann mit einer Zündapp

Mit leuchtenden Augen zeigt er diese „Armada“, wie er sagt. Im Jahr 1948 habe er seine erste Maschine bekommen, mit 18 Jahren, als er den Führerschein gemacht habe, erzählt er. „Das war damals eine 200er Zündapp, ein Zwei-Takter von 1934. Man war damals ja froh, dass man überhaupt was bekommen hat. In der Lehre gab es ja nur fünf Mark in der Woche“, weiß er noch ganz genau. „Das Billigste war ein Motorrad und das war eben die Zündapp.“ Behalten hat Thiel dieses erste Motorrad nicht, sondern später verschenkt.

1953 konnte er sich schon die erste 250er Victoria leisten. „Die habe ich auch bis 1954 gefahren. Und dann kam die Bergmeister mit Seitenwagen“, erzählt er. Auch seine Frau Irmgard hatte früh den Führerschein gemacht und war begeisterte Motorradfahrerin. Obwohl die erste Fahrstunde mit dem Fahrlehrer als Sozius „hinten drauf“ im Gebüsch endete, wie ihr Mann verrät. Irmgard Thiel fuhr auch das Gespann mit Seitenwagen, in dem oft ihr Vater saß. Damit sorgte sie als junge Frau für Staunen – sogar beim Schutzmann, der zur damaligen Zeit auf einer Kreuzung an einer Bonner Rheinbrücke den Verkehr regelte.

In Bonn gab es sogar einen Victoria-Club

Seine Urlaubsreisen unternahm das Ehepaar Thiel meist mit Beiwagen-Maschinen und Zelt. „Der Koffer kam hinten auf den Seitenwagen“, zeigt Günter Thiel. Für Zelt, Ausrüstung und „Dosenessen“ war darin reichlich Platz. So ging es auch auf weitere Touren nach Italien, Spanien oder in das ehemalige Jugoslawien. Dass er den Motorrädern der Marke Victoria Bergmeister treu blieb, sei sicher auch eine Frage der Optik. „Wegen des V-Motors. Das haben andere Maschinen nicht“, erklärt der 92-Jährige. In Bonn gab es auch einen Victoria-Club, wie er sich erinnert. „Man traf sich mit anderen Clubs und fuhr gemeinsam raus. Mit einem Club aus Solingen zum Beispiel war eine Freundschaft entstanden. Wenn die uns besucht haben, haben wir ihnen per Motorrad die Umgebung gezeigt.“

Warum es ausgerechnet Victoria Bergmeister oder Adler-Maschinen waren, für die er eine lebenslange Vorliebe hat, kann er nicht genau festmachen. Es sei möglicherweise der Begeisterung seines damaligen Victoria-Händlers zu verdanken. Aber: „Die Liebe für die Victoria ist auch eine Sache der Optik mit ihrem V-Motor.“ Auch bei Rallyes wie in Dom Esch war er mit von der Partie. Urkunden über Platzierungen bei Nacht-Orientierungsfahrten oder seine Teilnahme an Oldtimertreffen in Fritzdorf und Wormersdorf sowie den Rheinbach Classics hängen an der Wand.

Früher wurde alles selbst repariert

Alle Maschinen sind in top Pflegezustand. Schließlich beherrscht Autoelektriker Günter Thiel sein Handwerk. „In der damaligen Zeit gab es nichts. Es wurde alles selbst repariert, auch Lichtmaschinen. Lichtmaschinenanker zum Beispiel wurden neu gewickelt“, sagt er. Für eventuelle Fälle hat er immer noch Ersatzteile in den Regalen. Jede seiner Maschinen hat einen Steckbrief mit den wichtigsten Daten. Die Victoria Bergmeister V35, gebaut in Nürnberg 1954, Hubraum 345 Kubikzentimeter, 21 PS, verfügt über einen Sporttank für 18 Liter und Einzelsitze, ist da zu lesen. Und von der Adler MBS 250, Baujahr 1957, wurden nur 350 Exemplare gebaut, die von Günter Thiel soll die 215. sein.

Dass alle seine Oldtimer fahrtüchtig sind, ist für den 92-Jährigen offenbar immer noch ein wenig verführerisch. Zum letzten Mal gefahren sei er mit einer seiner Maschinen vor vier Jahren. „Eigentlich wollte ich voriges Jahr noch einmal mit dem Gespann zur Rallye nach Dom Esch fahren. Aber da war das Wetter nicht hundertprozentig. Da bin ich mit dem Auto gefahren. Damit war meine Frau dann auch sehr einverstanden.“

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