Morenhovener Kabarett-Tage Höhere Mathematik mit HG. Butzko und Axel Pätz im Kreaforum

SWISTTAL-MORENHOVEN · Es ist was faul im Staate D. - genau genommen sogar eine ganze Menge. Was das im Einzelnen bedeutet, wen es trifft und wen es eigentlich treffen sollte, das haben die Zuschauer im Morenhovener Kreaforum an diesem Wochenende aus berufenem Munde von HG. Butzko und Axel Pätz erfahren.

 HG. Butzko präsentiert sich mit Verstand und Sarkasmus.

HG. Butzko präsentiert sich mit Verstand und Sarkasmus.

Foto: Wolfgang Henry

Der eine Polit-, der andere Klavierkabarettist. Und beide zweifelsohne auf hohem Niveau; ganz gleich, ob es nun spricht oder singt. Ein bisschen rechnen sollte man aber schon können, um dabei voll und ganz auf seine Kosten zu kommen. Und rechnen muss man bei beiden mit (fast) allem.

Zum Beispiel damit, dass einer, der 1965 in Gelsenkirchen geboren wurde und im Stadtteil Schalke aufgewachsen ist und somit aus einer Gegend stammt, in der neben Gott Fußball auch die Kohle seit je her eine besondere Rolle gespielt hat, sich in der Welt der Hochfinanz umtut. Das allerdings tut HG. Butzko so erfolgreich, dass er am 9. März 2014 im Mainzer "Unterhaus" mit dem Deutschen Kleinkunstpreis - dem Kabarett-Oscar - ausgezeichnet wird.

Um sich nichtsdestotrotz wohl auch nachher noch zu den berühmten 70 Prozent zu zählen: denen, die sich gemeinsam mit nur neun Prozent des gesamten Vermögens begnügen müssen, während die oberen zehn Prozent die "übrigen" 60 Prozent halten. Womit der Tenor des Abends schon angeklungen ist. Und die 20 Prozent, die außer Schulden gar nichts haben? Dürfen getrost weghören, wenn "Mutti Merkel" beteuert, die Spareinlagen der Deutschen seien sicher. Andererseits, so könnte man meinen, ist man mit Schulden hierzulande in bester Gesellschaft. Die Kanzlerin macht's ja vor.

Ja, Butzko ist böse. So richtig schön böse. Und irgendwann beschleicht einen beim Zuhören der dringende Wunsch, zur Bank zu rennen und sich den Spargroschen doch lieber unters Kopfkissen zu legen. Aber halt, es lohnt sich zu bleiben und weiter zuzuhören. Das Gefühl, zu den 90 Prozent zu zählen, die von Merkel und Co. auf jede nur denkbare Art und Weise zum Besten gehalten werden, und dass das jetzt vier Jahre so weitergeht, muss an sich nicht komisch sein. Andererseits war Humor schon immer die Waffe der (beinahe) Besitzlosen. Und damit geht Butzko wirklich großzügig um. Wie man heiße Luft verkauft oder mit maroden Staatsfinanzen spektakuläre Gewinne einfährt, mögen seinethalben andere lernen. Er besitzt etwas, das für Geld nicht zu kaufen ist: Einen unbestechlich klaren Verstand und genug Sarkasmus, ihn zu ertragen.

Mit Zählkenntnissen bis zehn zum Abitur und dank Dürr-Fibel zu den Abgründen der Zivilisation: Auch nach Morenhoven führte Axel Pätz die Suche nach Niveau. Der Tastenkabarettist begeisterte die Gäste der 26. Morenhovener Kabarett-Tage im fast ausverkauften Kreaforum in seinem Solo-Programm "Das Niveau singt" mit bösartigem Witz und makabren Liedern zur eigenen virtuosen Klavier- und Akkordeon-Begleitung.

Wenn nicht einmal mehr der Friseurbesuch eine Insel der Ruhe bietet, weil entscheidungsunfreudige Eltern und ihre Pascha-Kinder den ganzen Salon aufhalten; und wenn Heino Rammstein grölt und umgekehrt - ja dann ist eine handfeste Glaubenskrise unvermeidlich. Treffend imitierte Pätz den Barden und manch anderen Musiker im Rollentausch. Gegen zunehmende soziale Verelendung hat Pätz ein garantiert wirksames Vorhaben parat: "Morgen gründen wir 'ne Bank - bürgen tun ja Bund und Land." Die Abgründe des gesellschaftlichen Lebens führten Pätz auch an jeder Menge vermeintlich hochbegabter Kinder vorbei ins Privatleben von Serienkillern: Düstere Aussichten, die allenfalls mit niveausteigernden Getränken erträglich werden.

Glücklicherweise gab es ja noch das Publikum, das Pythagoras aus dem Effeff kennt und die zeitlosen Weisheiten der Dürr-Fibel unter dem Dirigat des schier außer sich geratenden Kabarettisten mit geradezu wagnerianischer Sprachkraft zweistimmig intonierte: Mit diesem an Hape Kerkelings berüchtigten Persiflage-Klassiker "Hurz" erinnernden Happening brach Axel Pätz beim Publikum alle Dämme. Und verabschiedete sich erleichtert von den Morenhovenern: "Hier ist es ja, das Niveau!"

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