Kabarettist Robert Griess erhält Morenhovener Lupe Im Zweifel gegen die Autoritäten

Swisttal-Morenhoven · Der Kölner Kabarettist und Autor Robert Griess nimmt im Kreaforum die Morenhovener Lupe in Empfang. Mit bislang 17 Auftriten auf der Kleinkunstbühne hält er derzeit den absoluten Rekord.

 Klaus Grewe und Robert Griess (r.) im Kreaforum Morenhoven bei der Verleihung der Morenhovener Lupe.

Klaus Grewe und Robert Griess (r.) im Kreaforum Morenhoven bei der Verleihung der Morenhovener Lupe.

Foto: Petra Reuter

Wenn es so etwas wie einen Wahlspruch für angehende Kabarettisten gäbe, dann vielleicht diesen hier: „Seid unbequem, seid Sand, nicht das Öl im Getriebe der Welt!“ Der Satz stammt von dem Frankfurter Schriftsteller Günter Eich, seinerzeit einer der Autoren in Hans Werner Richters „Gruppe 47“. Und Robert Griess – seines Zeichens „Kabarettist, Autor, Vagabund“ – muss das als Oberstufenschüler Anfang der 1980er Jahre nachhaltig beeindruckt haben. Dieser Aufforderung ist er seither jedenfalls konsequent gefolgt und genau dafür jetzt mit der Morenhovener Lupe ausgezeichnet worden. Am Sonntagabend nahm er im Kreaforum das symbolische Brennglas aus den Händen von Klaus Grewe, dem Vorsitzenden der Kreativitätsschule Morenhoven und Spiritus Rector der Kabarett-Tage, entgegen.

Mit dieser Lupe allerdings hat es ebenso wie mit ihrem frisch gebackenen Preisträger eine ganz besondere Bewandnis: Griess, Jahrgang 1966, gab 1997 sein Debüt in der Morenhovener Kabarett- und Kleinkunsthochburg, galt schon bald als überzeugter „Wiederholungstäter“ und tischte dort 2010 gemeinsam mit namhaften Kollegen die erste „Schlachtplatte“ als satirische Jahresendabrechnung auf. Seither führt er dies in stets ausverkaufter Tradition fort, trittt aber weiterhin auch gern als Solist auf die Bühne.

So hat er sich Jahr für Jahr im inofffiziellen Ranking weiter nach vorn geschoben und dabei auch „Morenhovener Urgesteine“ wie Konrad Beikircher und Erwin Grosche auf die Plätze verwiesen. Kurzum: Der Mann besitzt Champions-League-Format und schickt sich nunmehr an, mit Auftritt Nummer 18 bei der Schlachtplatte 2021 am 9. Januar  die „Volljährigkeit“ zu erreichen.

Ein klassischer Wiederholungstäter und seit 2010 Gastgeber der Schlachtplatte

Verweise darauf, dass er als erster Doppelpreisträger (coronabedingt mussten die Kabarett-Tage 2020 auf dieses Jahr umgeleitet werden) sogar noch einen weiteren Rekord aufgestellt habe, goutierte Griess bei der Preisverleihung mit Augenwinkern und einer sympathisch unaufgeregten Bescheidenheit und Bodenständigkeit. Und das Besondere an diesem Stück aus England in handgenähtem schwarzen Samtsäckchen? Einmal um die eigene Achse gedreht, lässt sich mit ihr alles gleich aus doppelter Perspektive betrachten.

Doch das muss man jemandem wie Robert Griess wahrlich nicht zweimal  sagen. Der satirischen Blickwinkel von unten nach oben ist genau seins: Autoritäten verbal vom Sockel zu stürzen und der Lächerlichkeit preiszugeben, Scheinheiligkeit und Eigennutz zu entlarven. Seine Version von Till Eulenspiegel kommt aus Köln-Sülz, trägt eine glänzende Traningsjacke und befleißigt sich eines Akzents, der so breit ist wie der Rhein selbst.

Sein Alter Ego auf der Bühne hat ein untrügliches Gespür für Recht und Unrecht

Sein Alter ego namens Stapper zählt sich stolz zum „echter Kölner Asi-Adel“ und frönt der erklärten Lieblingsbeschäftigung „reiche Leute zu ärgern“. Und sei es nur, indem er mit einem amerikanichen Geländewagen im Format XXL vor dem Bioladen vorfährt. „Hartz IV ist schließlich noch lange kein Grund, ein schlechtes Auto zu fahren.“

Die Bühnenfigur ist für Griess inzwischen zu einem treuen Begleiter avenciert und hat im März 2012 sogar als Romanheld reüssiert. Man muss ihn nicht mögen. Doch so schwer fällt das gar nicht, wenn man sich mal ehrlich macht. Weil er nicht zuletzt einen untrüglichen Sinn für Recht und Unrecht an den Tag legt. Desgleichen kann man natürlich auch von Griess sagen, dessen Lied „Der Fisch stinkt vom Kopf her“ beim Best of seiner Programme am Sonntagabend geradezu Brecht’sche Töne angeschlagen hat.

So bedauert der Preisträger, dass jegliche selbstbewusste Arbeiter-Tradition heutzutage längst einem zynischen Zurschaustellen des sogenanten Prekariats gewichen sei – nur damit die, denen es wirtschaftlich vielleicht noch ein Jota besser gehen mag, sich auf Kosten Schwächerer amüsieren und bloß nicht auf die Idee kommen, diese infame Hackordnung jemals infrage zu stellen.

Zweifel, Skepsis und ein Kunsttagebuch für 16 Flachbildschirme

Dies nur ein Beispiel unter vielen für die Treffsicherheit des Preisträgers, der einerseits das Kabarett als „eine der demokratischsten und emanzipatorischten Kunstformen“ überhaupt schätzt, aber dabei, wie er in seiner Dankesrede mit Lupe in der Hand betonte, dem „Weltzetrümmerungskabarett“ ganz klar den Vorzug gebe. Ob man den Menschen also schlechthin als „Ratte ohne Fell“ betrachten sollte, sei mal dahingestellt. Doch mit der Skepsis und den Zweifeln eines Georg Schramm kann Gries sich gut und gern identifizieren.

Dass er indes nicht wisse, ob er mit dem Kabarett noch weitermache woll, war vom Preisträger nur als ironische Schrecksekunde gedacht. Denn selbst, falls das mit der Kleinkunst eines Tages nicht mehr so recht laufe, könne er es immer noch mit Großkunst versuchen. Sein „Art-Diary“ für 16 Flachbildschirme hat an diesem Abend zu guter Letzt genüsslich die Manieriertheit mancher Performer aufs Korn genommen. So geht’s mitunter eben auch.

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