Interview mit Carl Körner Kein Bild ist vorher fertig geplant

Odendorf · Der Künstler Carl Körner verwandelt Beethovens Biografie in Linoliumdrucke. Ab Dienstag stellt er im Düsseldorfer Landtag aus. Warum Drucktechniken auch den Hersteller überraschen können, erzählt er im Gespräch mit dem GA.

 Viele Male bedruckt Carl Körner einen Linoliumschnitt, bis ein Gesamtbild entsteht.

Viele Male bedruckt Carl Körner einen Linoliumschnitt, bis ein Gesamtbild entsteht.

Foto: Axel Vogel

Clara und Robert Schumann stehen Seite an Seite. Ihre Portraits schweben über dem Kopf von Brahms, eine Klaviertastatur bildet den Grund. Notenlinien liegen über allem. „Schumann Bilkerstraße B“ hat der Odendorfer Künstler Carl Körner diese Komposition aus gedruckten Elementen in Rottönen genannt. Es ist eine seiner visuellen Biografien, die er ab Dienstag im Düsseldorfer Landtag ausstellt. Was das ist und warum Drucktechniken auch den Hersteller überraschen können, erzählt er im Gespräch mit GA-Mitarbeiterin Juliane Hornstein.

Herr Körner, Sie sind seit vielen Jahren Künstler mit dem Schwerpunkt Druck. Wie kamen Sie zu dieser Technik?

Carl Körner: Mich hat die Technik fasziniert. Mir macht es einfach Spaß, handwerklich zu arbeiten. Und ich kann sehr malerisch damit umgehen, was ich als Besonderheit meiner Arbeit sehe. Ich stelle Übergänge her, was ursprünglich beim Holzschnitt oder beim Linolschnitt nicht der Fall war. Wenn Sie expressionistische Holzschnitte angucken, sind die ganz klar schwarz-weiß und relativ brutal geschnitten. Und ich versuche, durch Überdrucken, durch Auswischen, durch das Verdünnen der Farbe, die Bilder so zu machen, dass malerische Werte entstehen.

Obwohl Linolschnitte anscheinend nicht mehr in Mode sind.

Körner: Ja, es ist eine Technik, die Sie beherrschen müssen. Und Technik ist heute nicht mehr so gefragt.

Und wie ist es mit dem Material? Ist das schwer zu bekommen?

Körner: Nein, das ist kein Thema. Es ist ja eigentlich ein Baumaterial für Fußböden. Sehr gesund und gerne in Krankenhäusern verwendet.

Das, womit Sie Arbeiten, kennen wir also als Linoleum-Fußboden?

Körner: Genau. Das einzige Problem ist, die sind teuer und schwer. Ich schleppe zentnerweise Sachen herum. Und wenn Sie eine Platte mal verschnitten haben, dann können Sie es vergessen.

Was heißt, dass Drucken sehr anstrengend ist.

Körner: Ja, beim Druck selber sind sie vier, fünf Stunden auf den Beinen. Und man kann sich nicht hinsetzen, weil es ein laufender Prozess ist. Es gibt kein einziges Bild, das vorher fertig geplant ist. Der Reiz ist, das auszuprobieren. Wenn ich die Farbe überdrucke, wenn ich die Farbe transparent mache… Das können Sie vorher alles nicht bestimmen, wie die Farbe zum Beispiel nach dem Druck tatsächlich wirkt.

Also sind die Bilder auch für Sie selbst eine Überraschung?

Körner: Ich habe natürlich so viel Erfahrung, dass ich gewisse Dinge planen kann. Es ist aber ein Erlebnis, das Blatt von der Presse abzuziehen und zu sehen, was herausgekommen ist.

Bei wie vielen Blätter sagen Sie: „Das war jetzt gar nichts“?

Körner: Ich habe ungefähr 70 angefangene Blätter, wo ich nicht weiß, ob ich die noch weitermache. Wenn irgendwann die Idee nicht mehr wirksam ist, bleibt es liegen. Vielleicht denke ich in fünf Jahren: Hoppla, da war ja was. Es ist ein Prozess, und den können Sie nur steuern, indem Sie das, was da ist, ergänzen, immer weiterdenken, Ideen sammeln und Impulse aufnehmen.

Wie lange dauert es von der Idee bis ein Bild fertig ist?

Körner: Bei den großen Bildern können Sie schon zwei Monate ansetzen. Ich sitze an einer Platte vier bis fünf Stunden nur am Schneiden. Ich muss das Motiv außerdem seitenverkehrt entwerfen, auf die Platte übertragen und drucken, um zu gucken, ob sie überhaupt gut ist. Und wenn Sie für ein Bild so acht Platten haben, sind Sie bei 32 Stunden nur fürs Schneiden. Das ist fast schon eine Arbeitswoche.

Und nun stellen Sie im Landtag aus. Wie kam es dazu?

Körner: Ich wusste, dass im Landtag Ausstellungen stattfinden. Vor drei Jahren habe ich mich beworben. Da hat man mich vertröstet, weil man nicht wusste, wie die Wahl ausgeht und ob es dann weitergehen kann. Jetzt hatte ich mich noch einmal beworben. Und das Konzept hat überzeugt. Ich war nicht konkurrenzlos, wie mir gesagt wurde.

Für Düsseldorf haben Sie den Titel „Beethoven, Schumann – visuelle Biografien“ gewählt. Was ist eine visuelle Biografie?

Körner: Das sind Bilder, an denen ich seit etwa 15 Jahren arbeite. Dafür nehme ich mir insbesondere Musiker, aber auch andere Persönlichkeiten, wähle eine spezifische Phase des Lebens aus. Ich suche dann nach authentischen Vorlagen. Wenn ich beispielsweise von Beethoven ein Bild haben will, dann brauche ich ein ursprüngliches Bild von ihm oder seinem Haus, in dem er gewohnt hat, oder die Noten, die er geschrieben hat. Und die füge ich zu einer Komposition zusammen.

Was hat Sie an Beethoven interessiert?

Körner: Ich habe selber auch Musik gespielt. Dann war ich lange Jahre im Vorstand der Bürger für Beethoven, da wird man automatisch jeden Tag mit Beethoven konfrontiert. Und natürlich ist die Musik selber schon faszinierend. Wer kennt das nicht – (singt an) ta-ta-ta-taaa. Aber es sind grundsätzlich biografische Elemente, die Genesis eines Lebens. Da möchte ich mehr wissen. Und dann drucke ich so lang, bis ich eine Komposition zusammenfinde – was nicht immer klappt.

Was hat denn mal gar nicht geklappt?

Körner: Meine eigene Biografie. Da habe ich zehn Jahre dran gearbeitet.

… und die ist immer noch nicht fertig?

Körner: Doch, die ist fertig. Aber die ist eben zu einem bestimmten Zeitpunkt fertig geworden. Und das, was dazwischen oder danach passiert ist, das taucht dann natürlich nicht auf.

Sie stellen seit 1985 aus. Welche Ausstellung ist im Gedächtnis geblieben?

Körner: Eine Ausstellung in Ljubljana. Meine Arbeiten hingen da neben bedeutenden Leuten wie Warhol und Vasarely. Der ganze Weg von einer Ausstellungshalle zur anderen war mit tausenden von Teelichtern gepflastert. Das war von der Atmosphäre her unvergesslich. Ich ging da außerdem mit der Familie hin. Ich bin ein Familienmensch, muss man dazu sagen. Jetzt freue ich mich am meisten auf die nächste Ausstellung im Haus an der Redoute. Da gibt dann auch der Verlag des Beethovenhauses ein Buch mit meinen Linolschnitten heraus.

Die gibt es da auch schon als Postkarten.

Körner: Richtig, das sind aber nur drei. Im Buch und in der Ausstellung werden 60 bis 70 Linolschnitte sein, mit den authentischen biografischen Orten, an denen Beethoven war. Ich werde auch den Moment „Beethoven in Odendorf“ grafisch gestalten. Und im Juni/Juli kommt eine weitere Ausstellung in Odendorf.

Neben Ihren Drucken gibt es von Ihnen Gemälde. Sie haben auch mit Zeichnungen experimentiert. Gab es eine Technik, die gar nichts für Sie war?

Körner: Ich habe früher einmal Lithografie gemacht. Aber die Technik ist mir zu aufwendig und bringt mir zu wenig.

Möchten Sie noch etwas Neues ausprobieren?

Körner: Nein. Jetzt habe ich so viel Spaß und so viel Freude am Linolschnitt, da werde ich wohl bleiben. Und wenn, da habe ich ja noch Pastell und meine Ölmalerei. Ich kann immer abwechseln. Die Ölmalereien sind detailgenau, während die Linolschnitte schon einen höheren Abstraktionsgrad haben.

Also mit 77 ist bei Ihnen noch lange nicht Schluss?

Körner: (lacht) Da fragen Sie mal meine Frau. Als Künstler können Sie eigentlich nicht in Pension oder Rente gehen. Es ist keine Aufgabe, es ist ein Lebenssinn. Und wenn dieser Lebenssinn erfüllend ist, dann hören Sie gar nicht auf.

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