Prozess in Bonn Nachhilfelehrer soll Zwölfjährigen missbraucht haben

BONN/SWISTTAL · Ein 68 Jahre alter Dolmetscher muss sich vor Gericht verantworten. Ihm wird Kindesmissbrauchs in sechs schweren Fällen vorgeworfen. Er soll einen zwölfjährigen Nachhilfeschüler in Swisttal missbraucht haben.

Es ist Neujahr 2018: Es ist der 13. Geburtstag des Abadin A. (Name geändert). Sein Vater, ein Spezialist für syrische Speisen, bereitet - wie es Tradition ist - traditionelle Gerichte vor und bittet seinen Sohn, je einen Teller einer Nachbarin, aber auch einem befreundeten Dolmetscher und seiner Frau vorbeizubringen, die ihnen nicht nur bei Behördengängen geholfen haben, sondern auch ihrem Sohn seit über einem Jahr in Swisttal Nachhilfe in Deutsch geben. Fast zwei Stunden bleibt Abadin an diesem Tag weg. Als er zurückkommt, fragt der Vater seinen Sohn, warum er weint: Da erzählte das Kind, was der befreundete Nachhilfelehrer mit ihm gemacht habe. Und nicht nur an diesem Tag. Seit fast einem Jahr soll es sexuelle Übergriffe gegeben haben, immer wenn die Ehefrau des Dolmetschers außer Haus oder auf Reisen war.

Wegen Kindesmissbrauchs in sechs schweren Fällen muss sich seit Mittwoch der 68-jährige Palästinenser vor der Bonner Jugendschutzkammer verantworten. Demnach soll der Angeklagte seinen fleißigen Nachhilfeschüler, dessen Deutschkenntnisse schwach waren (die Familie war erst 2015 eingereist), zu sexuellen Handlungen gezwungen haben. Wenn der Junge sich wehrte, soll er ihm gesagt haben, dass er das doch für ihn, seine Zukunft tue. „Ich bringe dir alles bei“, soll er dem Zwölfjährigen gesagt haben, „aber erzähle es weder meiner Frau noch deinen Eltern.“ Bis zum Neujahrstag konnte er das furchtbare Geheimnis für sich behalten. Elf Monate nach dem ersten Vorfall.

"Dein Sohn ist jetzt ein Mann geworden"

Der 68-Jährige hat die Übergriffe bei der Polizei vehement bestritten: Sexualität sei zwar ein Thema im Unterricht gewesen, aber nur um den Jungen aufzuklären. Er habe ihn lediglich mal mit Olivenöl eingerieben. Wegen Fluchtgefahr - seine Tochter lebt im Ausland - kam er kurzfristig in Untersuchungshaft. Gegen eine Kaution von 10.000 Euro wurde er haftverschont. Zum Prozessauftakt am Mittwoch hat der Angeklagte gar nichts mehr gesagt.

Allerdings hatte der 68-Jährige, nachdem der Fall aufgeflogen war, gegenüber dem 43-jährigen Vater des Jungen in vier WhatsApp-Botschaften eingeräumt, dass er „von Kopf bis Fuß“ einen furchtbaren Fehler gemacht hat, auch hat er sich dafür entschuldigt, hat von „unendlicher Reue“ geschrieben. Aber er hat sein Verhalten auch auf fast zynische Weise gerechtfertigt: „Ich habe Deinem Sohn beim letzten Mal - am Neujahrstag - gesagt, dass er jetzt ein Mann geworden ist - und das Spiel vorbei ist. Es ist gut, dass Du weißt, was passiert ist. Ich bitte, dass die Angelegenheit unter uns bleibt.“

Aber Abadins Eltern sind dennoch zur Polizei gegangen: „Er hat ein Verbrechen gegen meinen Sohn begangen“, formuliert es der Vater am Mittwoch als Zeuge. In der fast zweistündigen Vernehmung schreit der 43-Jährige einmal vor Schmerz auf, fast wie ein wundes Tier: „Ich habe meinen Sohn diesem Mann anvertraut. Ich selbst habe ihn zu ihm geschickt. Er war immer gut zu uns.“

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