Buschhoven Peter Haarhaus erzählt vom Schüleraustausch 1952

SWISTTAL-BUSCHHOVEN · Peter Haarhaus war der erste deutsche Schüler am Lancing College in England nach dem Zweiten Weltkrieg. Sein Pass dokumentiert eine abenteuerliche Reise.

Ein Schüleraustausch gehört heutzutage fast schon zum schulischen Alltag. Gruppenweise reisen junge Menschen in andere Länder, um Sprache und Kultur kennenzulernen. Dank der EU sind Grenzübergänge kein Problem mehr. Dass man diese Errungenschaft schätzen sollte, möchte Peter Haarhaus – vor dem Hintergrund der Europawahl – in Erinnerung rufen. Er war 1952 als erster deutscher Austauschschüler am Lancing College in Shoreham by the Sea in Sussex. Und wie sein Pass beweist, war eine solche Reise damals alles andere als selbstverständlich.

Das amtliche Dokument, das der heute 83-Jährige zu Hause in Buschhoven aufbewahrt, ist mit Stempeln und Vermerken übersät. Ausgestellt ist der Pass am 19. August 1952, die Ausreise aus Deutschland ist für den 31. August vermerkt. Ein Transitvisum für Belgien und ein Aufenthaltsvisum für England waren nötig für seine Reise. Beides musste er bei den jeweiligen Konsulaten in Hamburg beantragen. Haarhaus, zu der Zeit 16 Jahre alt und in der neunten Klasse, lebte im schleswig-holsteinischen Rendsburg. Selbst der Devisentausch musste 1952 vermerkt werden. Englische Pfund im Wert von 35 Mark nahm Haarhaus damals mit, steht im Pass.

Der Besucher aus Deutschland kam so nur sieben Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, als sich die beiden Nationen noch als Feinde gegenüberstanden, nach England. Die Möglichkeit zum Austausch ergab sich durch eine Zusammenarbeit seiner Herder-Schule mit dem Lancing College. Die Schüler mussten sich bewerben, Haarhaus wurde unter anderem ausgewählt, weil seine Mutter den Gegenbesuch aus England aufnehmen konnte. Ein paar Gedanken, wie man ihn aufnehmen könnte, waren da – aber unnötig.

„Hut ab vor der Fairness der Engländer, die nicht mich, sondern das Regime für den Krieg verantwortlich gemacht haben“, sagt Haarhaus heute noch. Die Mitschüler nahmen ihn meist freundlich auf und integrierten ihn in das Internatsleben. Sehr vornehm und streng katholisch sei das College gewesen, beschreibt er es heute. Schuluniform, Schlafsaal und Porridge zum Frühstück erlebte er in den vier Monaten. Sonntags gab es Cornflakes, eine Handvoll pro Schüler, mit Milch und Zucker. Die kannte der deutsche Austauschschüler bis dahin nicht.

Wenn er Sehenswürdigkeiten besuchen wollte, fand sich immer ein Reiseführer. Nur an einer Stelle war seine Nationalität ein Hindernis. Im College gab es wöchentlich alternativ Sport oder militärischen Dienst. Haarhaus, der damals schon Soldat werden wollte, entschied sich für Letzteres. Doch das lehnten seine Gastgeber höflich ab. Eine britische Uniform bekam der deutsche Besucher nicht.

Gefunden hat er dafür zwei Freunde, mit denen er lange in Kontakt blieb. Auch später ist er öfters nach England gereist, unter anderem beruflich als Luftwaffenoffizier. Heute ist das deutlich einfacher. Aber nicht nur die Reisefreiheit ist in Europa entscheidend. Als jemand, der Krieg, Vertreibung und die harte Zeit nach 1945 erlebt hat, liegt Haarhaus heute Europa sehr am Herzen. Den Brexit bezeichnet er als selbst herbeigeführte „britische Katastrophe“. Persönlicher Kontakt unter den Nationen sei wichtig. So wie er es 1952 vorgemacht haben muss. Immerhin bescheinigt sein Zeugnis vom Lancing College: „He has been a good ambassador for Germany“ – er war ein guter Botschafter seines Landes.

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