Wiedereröffnungen nach der Flut Ein Herzensprojekt und ein Neustart in Swisttal

Swisttal · Nach und nach kehren Einrichtungen und Unternehmer in Swisttal zurück. In Miel gibt es eine Neueröffnung, ohne Dorfhaus muss der Karneval aber umgeplant werden. Auch in Odendorf gibt es eine Neueröffnung.

 Erst kümmerten sie sich um Odendorfs Spendenlager, nun um die Kleiderstube "Lillis Stübchen": (v.l.) Gertrud Trimborn, Waldtraud Schumscher, Bianca Cramer und Marion Faßbender.

Erst kümmerten sie sich um Odendorfs Spendenlager, nun um die Kleiderstube "Lillis Stübchen": (v.l.) Gertrud Trimborn, Waldtraud Schumscher, Bianca Cramer und Marion Faßbender.

Foto: Axel Vogel

Die Flutkatastrophe liegt bald 16 Monate zurück – und weiterhin sind zahlreiche Aufgaben beim Wiederaufbau zu bewältigen. Doch nach und nach kommen in den Orten lang vermisste Angebote zurück, in Miel etwa das Restaurant „Graf Belderbusch“. In Odendorf gibt es ab sofort wieder eine Kleiderstube, entstanden aus dem Spendenlager. Die guten Nachrichten im Überblick.

Restaurant Graf Belderbusch: 505 Tage war das Restaurant Graf Belderbusch seit der Flut im Juli 2021 geschlossen. Am Samstag konnte das kernsanierte Restaurant und Clubhaus des Golfclubs Schloss Miel endlich wiedereröffnet werden. Das neu gestaltete Ambiente im Landhausstil habe Gästen schon gut gefallen, berichtet Golfclub-Geschäftsführer Alexander Thelen. Für die ist jetzt sogar mehr Platz: Die Empore wurde von bisher 20 Sitzplätze auf jetzt 80 sowie einen zweiten Treppenaufgang erweitert. Mit der Wiedereröffnung endet für das Team um Küchenchef Stefan Hoffmeister vor allem die Zeit, in der sie sich mit einer Art „Behelfsgastronomie über Wasser gehalten“ hatten, indem sie Räume des Schlosses selbst, den Gartenpavillon und die Obstwiese nutzten. Rund um das Schloss findet zudem am kommenden Wochenende wieder die Schlossweihnacht statt.

Dorfhaus Miel: Zumindest teilweise gute Nachrichten hat der Vorsitzende des Dorfhausvereins Miel, Manfred Tippmann, in Bezug auf das von der Flut zerstörte Dorfhaus. Inzwischen habe die Begehung mit Bürgermeisterin Petra Kalkbrenner und Diplom-Ingenieur Jörg Timmermann vom mit dem Wiederaufbau befassten Planungsbüro ergeben, dass die Planung für den Wiederaufbau des Dorfhauses 2023 beginnen kann. Ein konkretes Zeitfenster gebe es jedoch noch nicht, bis auf Weiteres ist also nach wie vor Geduld gefragt. Für den Verein bleiben damit die Einnahmen aus Vermietungen des Dorfhauses weiter aus. „Ein bisschen finanzielles Polster haben wir noch“, sagt Tippmann. „Und die laufenden Kosten wie Betriebskosten für Strom und Kanalgebühren, die wir zuvor als Verein getragen hatten, übernimmt derzeit die Gemeinde.“

Auf den Wiederaufbau in Miel stoßen Gastronom Stefan Hofmeister, Restaurant Graf Belderbusch, und Golf-Club Geschäftsführer Alexander Thelen (r) an.

Auf den Wiederaufbau in Miel stoßen Gastronom Stefan Hofmeister, Restaurant Graf Belderbusch, und Golf-Club Geschäftsführer Alexander Thelen (r) an.

Foto: Axel Vogel/Amazon

Karneval in Miel: Zu den Nutzern des Dorfhauses zählt die KG Mat Mött Miel, die ihre jecken Events bis zur Flut im Dorfhaus abgehalten hatte. Das war schon in der Session 2021/2022 nicht möglich. „Im letzten Jahr hatten unsere Mitglieder noch dagegen gestimmt, mit unseren Veranstaltungen nach draußen zu gehen“, so der KG-Vorsitzende Dominik Schweminski. „In diesem Sommer haben wir die Mitglieder wieder darüber abstimmen lassen, und jetzt kam ein Ja für die Verlegung.“ Für die große Sitzung wurde der KG Asyl im Dorfhaus Dünstekoven gewährt. Für den Weibertag geht es in den Pavillon von Schloss Miel, ebenso nach dem Karnevalszug ebenfalls. Und: „Unser Kinderfest machen wir in dieser Session gemeinsam mit der KG Buschhoven im dortigen katholischen Pfarrzentrum.“ Mitglieder habe die KG in der Zwischenzeit zwar nicht verloren, sagt Schweminski. Konsequenzen hatte der Wegfall des Dorfhauses Miel als Übungsstätte allerdings für die Kinder-Tanzgruppen. „Einige Kinder haben sich in der Zwischenzeit anders orientiert“, bedauert er. „Aber das ist auch in Ordnung so. Es freut mich ja, wenn die Kinder weitermachen.“ Die KG Mat Mött Miel selbst habe allerdings ihre Tanzgruppen „auf Eis gelegt“, bis das Dorfhaus fertig sei. „Ansonsten werden wir aber eine normale Session haben“, kündigt der KG-Vorsitzende an.

Kleiderstube in Odendorf: Das Team um Marion Faßbender war in Odendorf seit der Flut ein wichtiger Dreh- und Angelpunkt, wenn es um Spenden ging. Direkt nach der Katastrophe starteten sie im Pfarrzentrum, nahmen Spenden aller Art an, sortierten sie und gaben sie auch wieder an die Betroffenen aus. Zuerst viele Lebensmittel, rasch auch Kleidung. Auch nach dem Ende der Spendenausgabe im Pfarrzentrum füllten die Säcke mit Pullovern, Hosen und Jacken in unterschiedlichen Größen noch die kleine Kirche und wurden auf Nachfrage verteilt. „Wir waren in Übung und wollten gerne weitermachen“, erklärt Faßbender. Und das hat geklappt.

Wer jetzt etwas sucht, kommt in die Flamersheimer Straße 57 zu „Lillis Stübchen“. Unter der Trägerschaft des Bürgervereins ist dort eine neue Kleiderstube entstanden – geführt von Faßbender und ihren Helferinnen. Die Nachfrage nach günstiger, gebrauchter Kleidung sei da – nicht nur von Flutbetroffenen, sondern unterdessen auch durch Geflüchtete aus der Ukraine, Obdachlose oder Menschen, die aufgrund der Energiekrise weniger Geld zur Verfügung haben, erklärt Bianca Cramer vom Team aus „Lillis Stübchen“. Der Name sei übrigens ein Einfall von Marion Faßbender, auch wenn es keine entsprechende Person gebe. Dafür heißt die Schaufensterpuppe nun „Lilli“.

Vor der Flut gab es in Odendorf bereits die CDU-Kleiderstube. Die direkt am Orbach gelegenen Räume waren aber überflutet worden, ein neues Angebot sei im Ort nicht geplant, so Nicole Caspers vom Infopoint des Bürgervereins. Dafür habe man mit den ehemaligen Helfern dort gesprochen, wie Odendorfer eine Kleiderstube annehmen.

Das Team in „Lillis Stube“, das ja reichlich Erfahrung aus Monaten in der Spendenausgabe mitbrachte, hat sich zudem von einer Fachkraft auf dem Modehandel schulen lassen: Wie faltet man die Sachen am besten, wie präsentiert man sie ansprechend? Bis alles gut aussah, gab es reichlich zu tun. Bezeichnend ist, dass die derzeit hier ehrenamtlich Aktiven meist selbst zu den Flutbetroffenen gehören. Sie wissen daher, dass manchmal nicht nur eine warme Jacke benötigt wird, sondern vor allem ein offenes Ohr. „Wir machen das freiwillig, und wir machen das gerne“, fasst Bianca Cramer zusammen. „Es ist für uns ein Herzensprojekt.“ Da dieses Projekt durch die Aktion Deutschland Hilft und den Paritätischen Wohlfahrtsverband gefördert wird, ist die Finanzierung für zwei Jahre gesichert. Die Unkosten, unter anderem für die Miete, so hoffen alle, sollen über die Einnahmen gedeckt werden. Einkaufen darf bei „Lillis“ übrigens jeder.

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