Stromversorgung nach Flutkatastrophe Deshalb sind die Reparaturen am Stromnetz so kompliziert

Region · Westnetz hat Tausende Haushalte wieder an den Strom angeschlossen, darunter große Teile von Swisttal und Meckenheim. In Rheinbach bleibt die Lage jedoch angespannt. Warum sind die Reparaturen so komplex?

 Ein Westnetz-Techniker überprüft am Keltenring in Odendorf eine Hausinstallation.

Ein Westnetz-Techniker überprüft am Keltenring in Odendorf eine Hausinstallation.

Foto: Axel Vogel

Im Haus von Daniel Kübert am Keltenring in Odendorf geht es nach dem Hochwasser voran: Am Donnerstag waren Techniker des Stromnetzbetreibers Westnetz dort, um den Hausanschluss zu prüfen. Das Ergebnis: Hausinstallation und Kellerraum sind trocken und funktionsfähig. Mit anderen Worten: Das Haus könnte wieder versorgt werden. Seit Tagen arbeiten rund 750 Mitarbeiter von Westnetz, Schwestergesellschaften und Partnerunternehmen daran, den Strom im Hochwassergebiet wiederherzustellen. Wie eine Sprecherin mitteilt, sind nur noch 20.000 von ursprünglich 200.000 Haushalten ohne Strom. Doch was macht die Reparaturarbeiten so komplex?

Stefan Küppers, Geschäftsführer Spezialtechnik und Digitalisierung, erklärt: „Das Stromnetz kann man sich wie ein Straßennetz vorstellen: Es gibt Autobahnen, Bundesstraßen, Landstraßen.“ Das Stromnetz teilt sich genauso auf: in das Hochspannungsnetz mit 110 Kilovolt, das Mittelspannungsnetz mit zehn Kilovolt und das Niederspannungsnetz mit 400 Volt.

Die unterschiedlichen Netze bedienen verschiedene Abnehmer: Hochspannung für größere Orte und energieintensive Unternehmen, Mittelspannung für kleinere Orte und Unternehmen, Niederspannung für einzelne Haushalte und Geschäfte. Wegen der unterschiedlichen Spannungen braucht es Umspannwerke, die die Verbindung zwischen den einzelnen Spannungsebenen herstellen – ein wenig wie Autobahnkreuze.

Umspannwerke fast vollständig in Betrieb

Die Umspannanlagen, die das Unwetter getroffen hat, sind mittlerweile überprüft und fast vollständig wieder in Betrieb. „Das sind die Autobahnabfahrten, die erlauben auf die Bundesstraßen zu fahren. Bei den Bundesstraßen – das sind unsere Mittelspannungsleitungen mit den Ortsnetzstationen – sowie den Kreuzungen und Abfahrten auf die Gemeindestraßen sieht es derzeit noch schlechter aus“, führt Küppers aus.

„Bei größeren Schäden wird daran gearbeitet, die Stromversorgung so schnell wie möglich über Umschaltungen aus anderen Anlagen oder durch Notstromaggregate wiederherzustellen.“ Das heißt, durch das sogenannte vorgelagerte Netz – bestehend aus Autobahnkreuzen und Bundesstraßen – fließt dann weitgehend wieder Strom.

„Dort, wo das vorgelagerte Netz stabil ist, läuft die Arbeit in den Ortsnetzen auf Hochtouren“, sagt Küppers. Um bei der Metapher zu bleiben: Das sind die Arbeiten im lokalen Straßennetz. Dabei gehe es um Leitungen, die von den Ortsnetzstationen (Trafostation) über Kabel und Verteilerkästen an jeden Hausanschluss führen. Wenn möglich werde sofort repariert, um den Strom zurück in die einzelnen Haushalte zu bringen. „Hierbei arbeitet Westnetz mit Installateuren vor Ort zusammen.“

Notstromaggregat ersetzt Trafostation temporär

Am Keltenring in Odendorf ist die Trafostation beschädigt, erklärt Westnetz-Bereichsleiter Thomas Kohlstrung vor Ort. Er hat ein Notstromaggregat mitgebracht, das aus Diesel Strom produziert. Es ersetzt die Trafostation und verbindet genau wie sie das Mittel- und Niederspannungsnetz. Mehrere Straßenzüge könnten damit über mehrere Tage gleichzeitig versorgt werden, solange man regelmäßig nachtankt.

Bevor der Strom wieder eingeschaltet werden kann, muss einiges beachtet werden. In jedem Haus müsse zunächst geprüft werden, ob Keller und Hausinstallation frei von Wasser und damit einschaltbereit sind, erklärt Küppers. Aus jedem Haushalt läuft ein Kabel vom Hausanschluss zu einem Kabelverteilerschrank an der Straße. Bevor Westnetz diese wieder in Betrieb nehmen kann, muss sicher sein, dass alle verbundenen Hausinstallationen einschaltbereit sind. Das zu prüfen, ist laut Küppers Aufgabe der Installateure. Er empfiehlt Betroffenen, dazu bereits Kontakt mit ihrem Elektroinstallateur vor Ort aufzunehmen.

Lebensgefahr: Hausanschlüsse müssen überprüft werden

„Westnetz muss jedes Haus und jeden einzelnen Hausanschluss kontrollieren“, betont der Geschäftsführer. „Kommen die Kolleginnen und Kollegen nicht in ein Haus, kann unter Umständen die gesamte Straße nicht zugeschaltet werden.“ Westnetz bittet deswegen um Mithilfe: Betroffene sollen eine Kontaktmöglichkeit wie eine Handynummer an der Haustür hinterlassen, damit die Mitarbeiter sie bei ihrer Ankunft auf jeden Fall erreichen können.

Küppers warnt außerdem eindringlich: „Bitte nehmen Sie Ihre Hausinstallation nicht ohne Überprüfung durch eine Elektrofachkraft wieder in Betrieb. Wenn Hausanschlusskästen beschädigt wurden oder noch nicht komplett getrocknet sind, besteht Gefahr für Leib und Leben durch einen elektrischen Schlag bei der Verbindung von Strom und Feuchtigkeit oder in seltenen Fällen sogar einen Brand.“ Die Mitarbeiter seien seit einigen Tagen dabei, in den betroffenen Kommunen in jeder Straße Haus für Haus abzugehen. „Bitte warten Sie. Wir kommen zu Ihnen.“

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