„Kirche darf nicht in alten Strukturen verharren“ So tickt die neue evangelische Pfarrerin für Swisttal

Swisttal · Franziska Kaiser ist die neue Pfarrerin in der Evangelischen Kirchengemeinde Swisttal – und davon überzeugt, dass sich Kirche beständig reformieren müsse. Was sie in Swisttal als Erstes angehen möchte.

 Pfarrerin Franziska Kaiser ist davon überzeugt, dass sich Kirche beständig reformieren muss.

Pfarrerin Franziska Kaiser ist davon überzeugt, dass sich Kirche beständig reformieren muss.

Foto: Stefan Hermes

„Es war ein sehr dichter Moment“, fasst Pfarrerin Franziska Kaiser ihren Einführungsgottesdienst am letzten Sonntag in der evangelischen Kirchengemeinde von Swisttal zusammen. Es sei nicht selbstverständlich und daher umso schöner gewesen, sagt die 35-Jährige, bei dem anschließenden gemeinsamen Adventskaffee auf Menschen aus allen Ortsteilen der Gemeinde zu treffen. Der ihr zuvor von einem Gemeindemitglied mit auf den Weg gegebene Bibelspruch, „sei getrost und unverzagt“, kann auch als eine Ermutigung für sie verstanden werden, die notwendig gewordenen Veränderungen in der Gemeinde zur Zufriedenheit ihrer noch etwa 4000 verbliebenen Mitglieder anzugehen und umzusetzen.

Wie berichtet, muss die evangelische Gemeinde Swisttal dringend Sparmaßnahmen einleiten, um ihren Finanzhaushalt auszugleichen zu können. „Der Wunsch ist, dass alles so weitergeht, wie bisher“, erklärt Kaiser. Doch die angespannte Finanzlage könne bedeuten, „dass wir die finanzielle Verantwortung für die Kirchen in Buschhoven und Odendorf abgeben müssten.“ Eine Entscheidung sei noch nicht getroffen. Gespräche würden zu Beginn des neuen Jahres mit der Kommune und verschiedenen Trägern sozialer Einrichtungen geführt. „Auf jeden Fall sollen die Räume auch weiterhin mit Leben gefüllt werden“, betont die Pfarrerin.

Strukturwandel auch als Chance

Die Situation, in der Kaiser die Stelle nun übernommen hat, sieht sie als Herausforderung, der sie sich aber gerne stelle. „Ich kenne die Gemeinde ja bereits seit 2014“, merkt sie an. Vikariat und Probedienst hatte sie bis Ende 2019 in Swisttal und Weilerswist absolviert, bevor sie für drei Jahre als Pfarrerin zur Entlastung des Superintendenten in Meckenheim eingesetzt war. „Ich sehe in dem hier anstehenden Verwandlungsprozess auch eine große Chance, dass man noch einmal ganz neu zusammenwächst und sich als eine Gemeinde versteht.“

Auf die aktuellen Krisen in den beiden christlichen Kirchen angesprochen, sagt Kaiser, dass es sie traurig mache, dass die negativen Schlagzeilen derart im Vordergrund stünden. Es werde immer nur von „der Kirche“ gesprochen und dabei vernachlässigt zu sehen, was tatsächlich vor Ort passiere. Für sie persönlich sei Kirche vor allem ein Ort, an dem jeder willkommen ist. „Ein Ort, an dem man nichts leisten muss. An dem man einfach nur da sein kann“, sagt sie und fügt hinzu, dass das „ein riesiger Schatz“ sei. Die Botschaft Gottes gebe gerade in schwierigen Zeiten Zuversicht, dass die Welt noch eine andere werden könne. Das betreffe persönliche Krisen ebenso wie gesellschaftliche. Ihre größte Stärke sieht Kaiser in der Fähigkeit, Menschen miteinander zu vernetzen.

Mehr Präsenz in den sozialen Medien

„Mir ist es wichtig, dass alle Ortsteile gleich vorkommen“, betont sie. Das betreffe eine Vernetzung mit den Nachbargemeinden ebenso wie die Präsenz im Onlinebereich. So gestaltete Kaiser bereits zusammen mit Christiane Reiferscheid, einer Mitarbeiterin der Kirchengemeinde, einen Account auf Instagram (@ev_kirche_swisttal). Davon erhofft sie sich, auch Menschen zu erreichen, die sonntags nicht in die Kirche kommen. Informationen und Impulse sollen auf Instagram zeigen, „was in der Kirche so los ist.“ Gemeinde sei eben mehr als nur Sonntagsgottesdienste, sagt Kaiser.

„Manche fragen mich, was ich denn außer den Gottesdiensten sonst noch mache“, berichtet die Pfarrerin und lacht. In der digitalen Welt wolle sie zeigen, was Kirche noch alles sein könne. „Wenn gerade auch junge Menschen die Erfahrung machen können, dass sie in der Gemeinde einen Platz finden können, wo sie einfach sein können und sich mit dem einbringen können, was sie beschäftigt, dann ist schon ganz viel gewonnen“, ist Kaiser überzeugt. Aus eigener Erfahrung wisse sie, dass es gerade in der Pubertät schwer sein könne, solche Orte zu finden. Für sich persönlich fand sie einen solchen Ort in ihrer Heimatkirche in Rottweil am Neckar, wo sie sich aktiv an der Gestaltung von Kindergottesdiensten beteiligte. Als Tochter einer engagierten Katholiken und eines evangelischen Theologen wurde sie evangelisch getauft und engagierte sich schon in jungen Jahren in der Evangelischen Kirche.

„Ich habe früh damit angefangen, mich mit Glaubensfragen zu beschäftigen“, erzählt Kaiser. Lachend fügt sie hinzu, dass ihre Heimatpfarrerin damals zu ihr gesagt habe, dass manche ihre Fragen nur durch ein Theologiestudium zu beantworten seien. So kam es tatsächlich dazu, dass sich Franziska Hageloch, wie sie bis April 2022 noch hieß, nach dem Abitur und einem Freiwilligenjahr im Jungen Museum des Historischen Museums der Pfalz in Speyer, in Heidelberg zum Doppelstudium von Theologie und Geschichte einschrieb. Als Erasmus-Studentin setzte sie ihr Studium für ein Jahr im schweizerischen Basel fort. In Tübingen wurde ihr klar, dass ihr Studienschwerpunkt auf der Theologie liegen sollte. Auch wenn sie ihre Bachelorarbeit im Fach Geschichte dem Vergleich zweier mittelalterlicher Klöster widmete, sei es vor allem der Satz Martin Luthers, dass sich Kirche immer verändern müsse („Ecclesia semper reformanda“, im lateinischen Original), der ihrer tiefen Überzeugung entspreche: „Wenn man nur in den alten Strukturen verharrt, dann stockt es irgendwann.“

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