Gespräch am Wochenende Tatort-Star Joe Bausch ist Gast im Rheinbacher Stadttheater

Rheinbach · Der Tatort-Star und langjährige Gefängnisarzt Joe Bausch liest am Dienstag in Rheinbach aus seinem neuen Buch „Gangsterblues“.

 Joe Bausch, bekannt aus dem Kölner Tatort, liest am Dienstag im Rheinbacher Stadttheater.

Joe Bausch, bekannt aus dem Kölner Tatort, liest am Dienstag im Rheinbacher Stadttheater.

Foto: Wolfgang Schmidt

Sein tiefgefurchtes Gesicht und sein haarloser Kopf können Geschichten erzählen über Hermann Joseph Bausch-Hölterhoff, besser bekannt als Joe Bausch. Der Mediziner und Schauspieler, der im Gefängnis in Werl Hausarzt für rund 800 Häftlinge und Betriebsarzt von 440 Mitarbeitern der Justizvollzugsanstalt (JVA) war sowie seit 1997 als TV-Gerichtsmediziner im Kölner Tatort zu sehen ist, hat viele wahre Geschichten über Verbrecher in „Gangsterblues“ niedergeschrieben. Am Dienstag, 11. Februar, 19 Uhr, ist er im Rheinbacher Stadttheater zu Gast. Mit dem 66-Jährigen sprach Mario Quadt.

Nach „Knast“ ist „Gangsterblues“ Ihr zweites Buch. Ist es schwer, mit den Inhaftierten ins Gespräch zu kommen?

Joe BAUSCH: Das dauert Jahre. Ich habe 1987 angefangen, in der JVA Werl als Gefängnisarzt zu arbeiten. Mit dem ersten Buch habe ich mich 2012 beschäftigt. Dazwischen liegen 25 Jahre. Ich habe das Manuskript von Rechtsanwalt Christian Schertz prüfen lassen: auf Persönlichkeitsrechte, Anonymisierung, Schweigepflicht und Weiteres. Ich dachte, du schreibst dich um Kopf und Kragen und musst selbst in den Knast. Da hatte ich keinen Bock drauf. Darum habe ich gelernt zu fiktionalisieren und zu anonymisieren, damit keiner sagen kann: Jetzt hat er meine Geschichte rausgehauen. Da viele Geschichten liegengeblieben sind, kam das Ansinnen, ein zweites Buch zu machen. Der Unschuldige ist bei mir genauso zu Wort gekommen wie derjenige, der sagt, dass er nie wieder rauskommen möchte. Ich wollte keinen meiner Patienten bloßstellen, das ist mir auch gelungen.

Was erhoffen sich die Inhaftierten davon, wenn sie Ihnen ihre Geschichten erzählen?

Bausch: Die wussten, dass der Bausch interessiert ist, und dass ich selbst als Schauspieler auch mal Verbrecher gespielt habe. Wenn man so aussieht wie ich, dann hat man mir „Unser Lehrer Dr. Specht“ oder den Chefarzt in der „Sachsenklinik“ einfach nicht angeboten. Ich hätte mich auch nicht besetzt damit, das gebe ich zu. Manchmal bekam ich von Inhaftierten zu hören: Gut, Sie spielen in Krimis mit, aber jetzt hören Sie mal meine Geschichte an. Da können Sie die Ohren anlegen. Ich versuche, diese Geschichten relativ nüchtern darzustellen.

Gab es Erzählungen, von denen Sie sagten: Das geht mir jetzt zu nah?

Bausch: Nein. Mich hat immer interessiert, was vor dem Verbrechen passiert ist und wie jemand zum Verbrecher wird. Dazu habe ich auch wissenschaftlich gearbeitet. Das bekommst du nicht im normalen Sprechstundenalltag mit: Dann musst du dir auch schon mal zwei bis drei Stunden Zeit nehmen, dich auf die Zelle hocken und dann fängt er an zu erzählen. Das haben viele getan. Sie dürfen nicht vergessen: Ich bin der Einzige im Gefängnis, der die Gefangenen anfassen darf, ohne sie auf gefährliche Gegenstände abzutasten, sondern um sie zu untersuchen. Da entsteht eine therapeutische Nähe.

Als das Rheinbacher Gefängnis 1914 fertig gebaut war, nannten die Preußen es ‚Zuchthaus’. Heute gibt es dort diverse Wohngruppen – für Gewalttäter oder Lebensältere. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?

Bausch: Das Thema Wohngruppe kann man so oder so sehen. Das sind Ideen der 70er Jahre, die etwa 15 Jahre gebraucht haben, bis sie beschlossene Sache geworden sind. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass viele ihre Einzelzelle einer Wohngruppe vorziehen, weil sie da ihre Ruhe haben. Machen wir uns nichts vor: Das Schwierigste im Gefängnis ist, nicht wieder kriminell zu werden.

Was muss geschehen, damit weniger Menschen im Knast landen?

BAUSCH: Wir müssen heute Geld in die Hand nehmen, um das Problem der früh Auffälligen in den Griff zu bekommen. Wir haben Jugendliche, die sind elf oder zwölf Jahre alt und begehen heftige Straftaten. Wenn wir da keine Konzepte finden, dass die nicht eineinhalb Jahre warten, bis sie beim Kinderpsychiater landen, liegt da noch einiges im Argen. Es ist natürlich nicht möglich, jedem Auffälligen einen Psychiater und einen Polizisten an die Seite zu stellen. Aber wir brauchen mehr Zivilcourage: Es gibt im Vorfeld einer Straftat viele Hinweise und viele Zeugen. Die müssen wir dazu bewegen, Zivilcourage zu zeigen, um Verbrechen zu verhindern. Wenn wir das nicht lernen, geben wir den öffentlichen Raum auf.

In der Rheinbacher JVA entstehen neben neuen Haftplätzen derzeit neue Werkhallen für Häftlinge. Und die Arbeitsplätze sind begehrt: wegen des geregelten Tagesablaufs.

BAUSCH: Genau. Resozialisierung ist nicht die hohe Mauer, sondern das sind die Menschen, die dort arbeiten. Ich kenne Inhaftierte, die sagen: Ich habe im Knast keinen einzigen Tag bei der Arbeit gefehlt. Da ist auch jemand, der morgens gegen die Tür donnert und sagt, dass du aufstehen musst. Draußen fällt diese Struktur häufig weg. Arbeit ist wichtig für die Tagesstruktur. Man darf nicht vergessen: Rund 7,5 Prozent der Inhaftierten sind für 75 Prozent der schweren Straftaten verantwortlich. Wenige machen viel Leid. In der Werler JVA gab es einige, da kannte ich bereits die Väter. Da fragt man sich, was man anders hätte machen können? Das ist mein Credo: Was wir am besten können, ist, die Leute festzuhalten - auch um sie in eine Schule oder Ausbildung zu schicken. Wir müssen die Zeit maximal nutzen, sonst ist alles Makulatur.

Ganz anderes Thema: Die Haare der beiden Tatort-Ermittler, die Sie als Gerichtsmediziner aufsuchen, werden erkennbar grauer...

BAUSCH: Ich habe keine Haare, bei mir sieht man das Grauen woanders. Das ist ein gewisser Vorteil. Wir haben alle vor kurzem noch mal die Verträge verlängert. Darum gehe ich davon aus, dass wir uns noch eine Weile im Tatort treffen.

Bei Ihnen ist frisurtechnisch auch kein Grauen zu erwarten?

BAUSCH: Nein. Da meine Leichen noch Puls haben und atmen, schwenkt die Kamera relativ schnell zu mir, und mit meinem Gesicht muss ich das ganze Grauen des Mordes widerspiegeln. Ich bin seit 1997 dabei. Seitdem muss sich das Grauen in meinem Gesicht abspielen. So kann es noch eine Weile bleiben.

Wenn man so lange dabei ist, darf man ja vielleicht Wünsche äußern für den Abgang. Was wäre da drin für Ihre letzte Folge?

BAUSCH: Ich denke über meinen Abgang noch gar nicht nach. Solange ich mich noch nicht mit dem Rollator zur Leiche begeben muss und ich mich hinknien kann und wieder aufstehe, ohne dass zwischendurch beim Aufstehen meine Schmerzensschreie herausgeschnitten werden, solange würde ich das gerne noch tun. Noch bin ich einigermaßen fit, der Kölner Tatort ist ja auch sehr erfolgreich, darum schaffen wir das noch ein bisschen. Sonst wechsle ich vielleicht zu den „Rentnercops“.

Oder ein neues Buch. Ihr aktuelles ist 240 Seiten stark. Da schlummert aus 30 Jahren gewiss noch die ein oder andere Geschichte:

BAUSCH: Absolut. Natürlich sind einige Geschichten nicht ins Buch gekommen. Mein erstes Buch war siebeneinhalb Monate auf der Bestsellerliste, das zweite habe ich nach vielen Lesungen zwischen Bad Tölz, Südsachsen und Rheinbach in die Bestsellerlisten gelesen. Es ist schön, dass die Menschen mich lesen, und es motiviert, weiterzumachen.

Karten gibt’s für 13 Euro in der Buchhandlung Kayser und bei der VHS. An der Abendkasse kosten sie 15 Euro.

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