Langes Warten auf die erste Stunde im Sattel In Wachtberg gibt es kaum Reitunterricht für Kinder

Wachtberg · Eltern in Wachtberg, die für ihre Kinder Reitunterricht suchen, habe es derzeit schwer: In vielen Reitbetrieben sind die noch wenigen, verbliebenen Plätze ausgebucht. Vor allem auch die Pandemie hat die Situation verschärft.

 Reitstunden für Kinder und Jugendliche gibt die Reitlehrerin Hannelore Heiß im Haus Holzem in Berkum.

Reitstunden für Kinder und Jugendliche gibt die Reitlehrerin Hannelore Heiß im Haus Holzem in Berkum.

Foto: Axel Vogel

Seit mehr als einem Jahr sucht eine 42 Jahre alte Bonnerin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, Reitunterricht für ihre sechs Jahre alte Tochter. Vor allem in Wachtberg, das als Pferdegemeinde gilt, hält sie Ausschau. Bislang vergebens: Sie steht auf vielen Wartelisten.

Auch die Liste von Hannelore Heiß, Reitlehrerin und Betreiberin der gleichnamigen Reitschule im Haus Holzem in Berkum, ist lang. Mehr als 40 Interessenten sind vorgemerkt, so viele wie noch nie, sagt sie. Ganz viele Kinder ab sechs Jahren seien darunter. Tendenz weiter steigend. Heiß hat beobachtet: Seit Anfang 2020, mit dem Ausbruch der Corona-Krise, wollten immer mehr jüngere Kinder Reiten lernen. Die Chancen, dass sie auf der Warteliste der Reitlehrerin in absehbarer Zeit in den Sattel eines ihrer Schulpferde steigen können, stehen schlecht. Denn es fehlt schlicht an Kapazitäten.

Unterricht für knapp 200 Kinder und Jugendliche

Was den Pferdesport in Wachtberg und vor allem die Ausbildung des Nachwuchses angeht, kennt sich Heiß aus. Bereits seit ihrem zwölften Lebensjahr sitzt die heute 59-Jährige im Sattel. 45 Jahre Erfahrung hat sie, die sie in Reitställen in Wachtberg gesammelt hat. Seit Sommer 2012 ist Heiß mit ihrem Reitbetrieb im Haus Holzem zu Hause, wo sie knapp 200 Kinder und Jugendliche unterrichtet. Eigentlich hatte sie in Sachen Unterricht lange Zeit ihr Augenmerk eher auf erwachsene und junge Reitschüler gelegt, die mindestens zehn Jahre alt sind: „Erst ab diesem Alter entwickeln die Kinder das nötige Verständnis und die Aufmerksamkeit für das Pferd“, sagt sie. Auch der Knochenbau sei dann entwickelt.

Bereits in den vergangenen Jahren registrierte sie immer mehr Anfragen aus der Gruppe mit Kindern ab sechs Jahren. „Ich habe mich irgendwann erweichen lassen.“ Zumal sie es für besser hielt, dass auch Sechsjährige Unterricht von der Pike auf erhalten. Den Eltern habe sie trotzdem stets ihre Bedenken mitgeteilt. Um insbesondere die Sechs- und Siebenjährigen entsprechend unterrichten zu können, schaffte sie eigens drei Reitponys an.

Anfragen auch aus Köln

Mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie nahmen die Anfragen, die sogar aus Köln und Rheinach kommen, aus der Gruppe mit Kindern ab sechs Jahren zu. Zwei Faktoren macht sie dafür verantwortlich: Zum einen, dass Hallensportarten unter der Pandemie besonders stark zu leiden gehabt hätten. Hinzu kommt laut Heiß „dass es immer weniger Reitställe in der Umgehung gibt, die überhaupt noch Reitunterricht anbieten“. Schließlich sei genau ein solches Angebot sehr aufwendig und kostspielig für einen Reitstallbetreiber, sagt sie. Heiß hält allein 18 eigene Schulpferde inklusive Ponys für den Reitunterricht vor. Zwei weitere Reitlehrerinnen sind hier tätig.

Im Wachtberger Ländchen ist es mit Reitunterricht für Interessierte, die nicht Mitglied in einem Verein sind und kein eigenes Pferd haben, in der Tat schwierig. So hatte der renommierte Broichhof-Reitstall von Karl Schneider auf dem Rodderberg 2019 den Schulunterricht komplett eingestellt: „Das war damals eine Abwägung zugunsten der Besitzer unserer Pensionspferde, von denen viele im internationalen Spitzensport aktiv sind“, sagt er. Es habe gerade im Winter immer wieder Probleme bei der Hallennutzung gegeben, weil diese viele Stunden am Tag vom Schulbetrieb blockiert gewesen sei.

Unterricht ohne Mitgliedschaft auf nahe gelegener Anlage möglich

Auf der vereinseigenen Anlage des Reit- und Fahrvereins Oberbachem besteht allerdings seit November wieder die Möglichkeit für Kinder, auf den Ponys der Familie Tiemeyer Schulunterricht zu nehmen, sagt Schriftführerin Christiane Lauer: „Da es sich um eine Vereinsanlage handelt, müssen die Kinder aus versicherungstechnischen Gründen jedoch Mitglied im Verein sein.“ Für Anfänger bestehe zusätzlich die Möglichkeit, auf diesen Ponys auf der nahegelegenen Anlage von Mareile Welsch ohne Vereinsmitgliedschaft Reitstunden zu nehmen. Aber auch hier werde die Warteliste „immer länger“.

Zudem setzt die Pandemie Reitbetrieben zu. „Zwischen März und Juni 2020 hatten auch wir einen Lockdown, und für 80 Prozent der Kinder musste der Unterricht entfallen“, berichtet Heiß. Das sei nicht nur traurig für die Kinder gewesen, sondern auch existenziell für ihren Betrieb: „Die Umsatzeinbußen waren gravierend.“ Zwar sei seit Juli wieder so etwas wie Normalität in den Reitbetrieb eingekehrt, trotzdem blieben viele pandemiebedingte Probleme: „Es kommt gerade mit Anschwellen der Inzidenzfälle regelmäßig vor, dass Kinder kurzfristig den Reitunterricht absagen müssen, weil sie etwa einen Verdachtsfall in der Schulklasse haben“, so Heiß. Und sie bekräftigt: „Ich werde auf jeden Fall weiterhin den Unterricht anbieten.“ Unter den bestehenden Hygieneregeln.

Zudem sei die Beschäftigung mit den Pferden gerade in Corona-Zeiten eine wichtige Sache, bestätigt Kristina Wirfs, Betreiberin der Pecher Tierscheune. Der Betrieb bietet das Reiten auf der Wiesenau für Kinder ab drei Jahren an. „Viele Kinder haben durch die Beschäftigung mit dem Pferd gerade in der Corona-Zeit viel Halt gefunden.“

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