Unwetter in Wachtberg Bange Blicke bei Blitz und Donner

GODESBERG/WACHTBERG · Da blitzte es wieder, das Damoklesschwert: Bei dem heftigen Sommergewitter am frühen Montagabend ist den Bonnern erneut verdeutlicht worden, wie unverhofft Unwetter über sie und die Region hereinbrechen können. Mancher bekam die Naturgewalt zum zweiten Mal binnen zwei Wochen am eigenen Leib und in der eigenen Wohnung zu spüren.

Und wie schon am 20. Juni zeigte sich, dass nicht nur unmittelbare Bachanlieger wie an der Mehlemer Straße (4) in Niederbachem von den plötzlichen Fluten betroffen sind. Schon vor 13 Tagen hatte das Unwetter flächendeckend und oft auch fernab der Bachläufe nahezu alle Ortsteile von Bad Godesberg und Wachtberg erfasst, wo es seitdem auch weiterhin Gesprächsthema ist - und wo die Sammlung möglicher Ursachen andauert.

Das Überschwemmungsgebiet

Überschwemmungsgebiet auf einer größeren Karte anzeigen"Praktisch jeder Ortsteil von Wachtberg war betroffen. Lediglich in Klein Villip hatten wir nur eine Erkundung", sagt Feuerwehrchef Markus Zettelmeyer. Ansonsten hätten sich die Schadensstellen von Niederbachem bis Fritzdorf und Pech gezogen. Ähnlich lag der Fall auf Bad Godesberger Gebiet, wo etwa den Menschen auf dem Heiderhof (13) das bislang seltene Erlebnis einer Überflutung zuteil wurde.

In Pech war am 20. Juni neben Kellern und Wohnungen wie am Heltenbachweg (11) auch die Infrastruktur für die Stromversorgung überflutet worden - dies geschah beispielsweise an der Seibachstraße (10), wo vom Wasser außer Funktion gesetzte Stromkästen in manchen Häusern dafür sorgten, dass etwa die elektrischen Rückschlagklappen nicht mehr funktionierten. Ebenso wenig wie die Hebeanlagen in Häusern, die tiefer als das Kanalnetz liegen. Ohne die elektrischen Helfer drang dann Abwässer aus dem Kanalnetz in Keller und Wohnungen ein. Mancherorts sorgten geflutete Stromkästen für Gefahr.

Was es heißt, wenn Wassermassen sich von den Hängen einen Weg talwärts suchen, war derweil etwa in Werthhoven zu beobachten. Anlässlich der Sondersitzung des Rates berichtet eine Anwohnerin anschaulich, wie das Wasser auf der Kapellenstraße (6) durch den Ort talwärts gerauscht ist. In Ließem wurde die Rodderbergstraße (12) zum Flusslauf. "Die Versiegelung eines großen Erdbeerfeldes durch Folientunnel hat die Situation sicherlich verschärft", meinte ein Anwohner während der Dialogveranstaltung des General-Anzeigers vor einigen Tagen.

Wegen der Folien habe das Wasser nicht im Feld versickern können und sei in den Ort geflossen. In Fritzdorf und Niederbachem liegt der Fall anders. Dort klagen Anwohner über schlammigen Ackerboden, der über die Straßen in ihre Häuser gespült worden sei. Sie bezweifeln deshalb, ob entlang der Felder funktionierende Abflussrinnen existieren und wollen darüber mit den zuständigen Landwirten ins Gespräch kommen.

Schlammmassen hatten sich am 20. Juni auch der Rolandstraße (5) in Niederbachem bemächtigt. Nach Schilderungen von Anwohnern bestand das Hauptproblem dort vor allem darin, dass die Wassereinlässe am Straßenrand zugewachsen oder durch Grünschnitt verstopft gewesen seien. Auf diese Weise wurde etwa eine Mietwohnung von Caroline Kutscher von den talwärts strömenden Wassermassen geflutet worden. "Verstopfte Abläufe sind bei uns bereits seit 2009 ein Thema, wir haben die Gemeinde wiederholt darauf hingewiesen", sagt sie. Und am Montagabend meldete sie: "Durch den Regen gerade eben hatten wir wieder Hochwasser, und es wäre fast wieder in die Wohnung gelaufen. Die Nachbarn haben schnell alle Gullys geöffnet und Schlimmeres verhindert".

Dass sich die Vertreter der betroffenen Kommunen zunächst auf die soeben neu erlassene "Überschwemmungsgebietsverodnung" kaprizierten oder aber abgelagerte Grünabfälle als vermeintliche Wurzel des Übels ausmachten, stößt manchen Beobachtern übel auf: So kritisiert etwa Dieter Mehlhaff aus Niederbachem, dass der Rohrdurchlass nahe der Alten Mühle viel zu gering sei, sodass sich das aufgestaute Wasser seinen eigenen Weg suchte.

"Der zwischen Rohrdurchlass und der Brücke an der alten Mühle liegende Bachbereich war frei von Gestrüpp und Bäumen", sagt Mehlhaff. Bachabwärts hingegen, an der Bachemer Straße (3) in Mehlem, zeugen noch immer Baumstämme und Geäst von ihrer Stauwirkung die während des Unwetters den dortigen Anliegern zum Verhängnis wurde. Vermeintliche Konstruktionsfehler in der baulichen Beschaffenheit des Bachbettes hatten - widersprochen vom Tiefbauamt der Stadt - bereits Anlieger des Mehlemer Domhofs (2) bemängelt, von wo aus die Flutwelle sich auf die Mainzer Straße (1) und das Unterdorf ergossen hatte. Fehler im System meint auch GA-Leser Gert Clemens aus Mehlem zu erkennen: Er könne sich nicht daran erinnern, so wirft er kritisch ein, den Auffangbehälter zwischen Mehlem und Niederbachem jemals in Betrieb gesehen zu haben.

Neben zahlreichen betroffenen Gebäuden in Villip wie der Burg Gudenau (9) und der alten Mühle hatte es auch Berkum schlimm getroffen. Wie in der Samstagsausgabe berichtet, waren vor allem Anwohner der Ahrweiler Straße (7) und der Alten Gasse (8) von den Fluten betroffen, welche von offenen Wiesen in ihre Häuser geflossen waren. Während in Internetforen seit einigen Tagen - auch unter reger wie ernster Beteiligung von Wachtberger Kommunalpolitikern - muntere Debatten über die Schuld an dem jüngsten Desaster entfacht sind, hört man von weiten Teilen der Bad Godesberger und Wachtberger Bürgerschaft vor allem zwei Forderungen: Sie erwarten neben einer umfassenden und ehrlichen Fehleranalyse nun sicht- und spürbare Veränderungen. Und so lange es die nicht gibt, wird jedes heraufziehende Sommergewitter erneut die Sorge um Hab und Gut wecken.

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