Landwirtschaft in Wachtberg Wie Bauern zwischen Katastrophenhilfe und Ernte stehen

Wachtberg · Wie Albert Schmitz haben viele Landwirte aus dem Ländchen nach der Flut im Kreis Ahrweiler und im Rhein-Sieg-Kreis geholfen. Der 43-Jährige hat seine Hilfe mittlerweile eingestellt. Ihm fehlen klar geregelte Zuständigkeiten vor Ort. Parallel zum Hilfseinsatz lief die Ernte, die vor allem beim Freilandobst durchwachsen war.

 An der Traktorschaufel sind noch Schlammreste von Albert Schmitz’ Einsatz an der Ahr.

An der Traktorschaufel sind noch Schlammreste von Albert Schmitz’ Einsatz an der Ahr.

Foto: Axel Vogel

Die Landwirte im Ländchen können sich derzeit über einen Mangel an Arbeit nicht beklagen. Viele sind ehrenamtlich bei Aufräumarbeiten im Kreis Ahrweiler und im Rhein-Sieg-Kreis tätig. Daneben geht die Ernte auf den heimischen Feldern weiter. Und zwischendurch immer wieder Regen. Immerhin bei einer Sache gibt der Wachtberger Landwirt Albert Schmitz auf GA-Anfrage Entwarnung. Das Getreide, das man auf Äckern im Ländchen nach dem Unwetter vor zwei Wochen liegen sah, habe auch schon zuvor nicht mehr aufrecht gestanden. „Vieles ist inzwischen geerntet, da haben wir kaum Schaden davongetragen“, meint der Villiper.

Den Maispflanzen habe der viele Regen sogar gut getan. „Der Mais braucht jede Menge Wasser, was er dann im Boden speichert“, erklärt der 43-Jährige. Die Böden seien sehr aufnahmefähig durch den ganzen Regen. Zudem komme das Wasser gebremst an, da es erst auf die großen Maisblätter treffe. Getreide selbst wirke, wenn es liege, wie eine Blockade. „Kann also gut sein, dass auch das Schlimmeres verhindert hat bei uns im Ländchen“, so Schmitz, der Vorsitzender der Initiative „Land schafft Versorgung“ in NRW ist.  Über Massen an Müll oder Schlamm auf den Feldern wie in Euskirchen weiß er von hiesigen Kollegen nichts. Der lehmige Sandboden in Wachtberg habe generell ein hohes Wasserspeichervolumen, bei den Kiesböden rund um Gimmersdorf und Villip versickere es schnell.

Zu schaffen gemacht hat das bislang feuchte Jahr dagegen den Obstbauern. Jedenfalls denen, die ihre Erdbeeren, Stachelbeeren und Johannisbeeren im Freiland haben. Ein Obstbauer, der anonym bleiben möchte, berichtet, dass es 2021 wie verhext gewesen sei. „Immer wenn wir die roten Erdbeeren rauspflücken wollten, kam der Regen und hat die reifen Früchte zerstört.“ Die (schlechte) Freilandsaison sei jetzt gelaufen, aber die Terminkulturen trügen noch Erdbeeren. „Dabei handelt es sich um sehr  starke Pflanzen, die vom Setzen bis zur Ernte nur acht bis neun Wochen brauchen“, so der Wachtberger. Aber selbst die hätten jetzt einen „Hau“ mitbekommen durch das Unwetter vom 14. Juli.

Albert Schmitz hatte von der Katastrophe an der Ahr zunächst gar nicht viel mitbekommen. Denn bis 5 Uhr morgens habe er dabei geholfen, den vollgelaufenen Keller des Limbach-Stifts abzusichern und trockenzulegen. „Dann bin ich erstmal ins Bett“, sagt der Villiper. Als er nachmittags erfuhr, dass die Tierarztpraxis der Schwester eines Freundes in Ahrweiler stark betroffen war, machte er sich mit dem Traktor dorthin auf. „Wie viele andere habe ich Nothilfe geleistet, Rettungswege passierbar gemacht und Querstraßen geräumt“, erzählt er. Keiner habe Anweisungen erteilt, weshalb er sich spontan entschied, Schutt und Müll auf zwei große Wiesen zu schütten. Tags drauf kam er mit dem Güllefass, um die Kanalisation zu spülen. „Da lief ja nichts mehr ab“, erinnert sich Schmitz. Mit Druck zu spülen sei auch jetzt noch sehr wichtig wegen der Keime, meint er.

Nicht jede Versicherung kommt nach Hilfseinsätzen für Schäden am Traktor auf

Ein Bekannter habe sich bei seinem Radlader alle vier Reifen zerstört. „Da die eine Drucklast von zwölf Tonnen haben, kostet jeder Reifen 2500 Euro.“ Die Versicherung des Mannes komme nicht dafür auf. Seine schon, wegen eines „Einsatzes in einem Katastrophengebiet“. In seinen vier Reifen steckten Nägel. Zwei habe er selbst repariert, zwei seien Schrott. Mittlerweile ist Schmitz nicht mehr vor Ort. Zum einen warten Aufträge der Gemeinde und von Privatkunden auf ihn, zum anderen habe er keine Lust mehr auf die nicht vorhandene Organisation gehabt. „Es kann ja nicht sein, dass man an einem Tag etwas mit der Bundeswehr vereinbart, und am nächsten ist die nicht mehr zuständig“, ärgert er sich.

In Whatsapp-Gruppen habe man sich besser organisiert als die Offiziellen. Überall finde sich Kompetenzgerangel, aber Verantwortung wolle keiner übernehmen. So habe man nach der Flut alte Leute von der Ahr eher nach Neuwied gebracht als ins wenige Kilometer entfernte Berkumer Limbach-Stift. Ein weiteres Aufregerthema für Schmitz: „Wie kann es sein, dass die Mülldeponie in Niederzissen um 18.30 Uhr schließt, obwohl wir nachts doch prima fahren könnten?“ Sein Fazit: Die Bürokratie behindert sich selbst.

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