Milde Witterung Blüten für die Vase

Wachtberg · Der Landwirtschaftsverband und die Bauern in Wachtberg beobachten die milde Witterung mit großer Aufmerksamkeit.

 In der Landwirtschaft gibt es auch dann viel zu tun, wenn die Felder vermeintlich leer sind: Das Foto zeigt den Arzdorfer Landwirt Bernd Welsch gestern Mittag beim Abdecken einer Silagemiete, die als Futter für seine Kühe dient.

In der Landwirtschaft gibt es auch dann viel zu tun, wenn die Felder vermeintlich leer sind: Das Foto zeigt den Arzdorfer Landwirt Bernd Welsch gestern Mittag beim Abdecken einer Silagemiete, die als Futter für seine Kühe dient.

Foto: Axel Vogel

Der plötzliche Wintereinbruch blockiert Eisenbahnstrecken und Autobahnen - so lauteten gestern Nachrichten aus Ostfriesland und Baden-Württemberg. Im Rheinland hingegen bleibt der "Winter" offenbar auch für den Rest dieser Woche mild. Erst vor wenigen Tagen hatte der General-Anzeiger mit der Veröffentlichung eines Fotos den sprießenden Osterglocken im Kurpark eine Reihe Schaulustiger beschert.

"Wächst das Gras im Januar, so wächst es schlecht im ganzen Jahr", heißt es in einer Bauernregel. Und auch andere Weisheiten deuten unmissverständlich darauf hin, dass ein warmer, nasser Januar für einen schönen Frühling wahrlich nichts Gutes bedeutet. Wie aber gehen die Landwirte selbst mit einer solchen Witterungslage um? Immerhin sind in Wachtberg drei Fünftel des Gemeindegebietes der Landwirtschaft gewidmet.

In milden Wintern fehlt dem Boden der Frost, die sogenannte Bodengare, wie es im Fachjargon heißt. Sie sorgt dafür, dass der gefrorene Boden später in viele kleine Krümel zerfällt und auf diese Weise gelockert wird. Mit den vielen Hohlräumen kann der Boden später umso mehr Wasser speichern.

Auch Luft und Wurzeln finden dann leichter ihren Weg. "Wenn der Boden wie Asche fällt", wie ein alter Bauernspruch besagt, dann sei er genau richtig für die Aussaat, sagt auch Andrea Bahrenberg, Sprecherin des Rheinischen Landwirtschafts-Verbandes (LVR). Wenn die milde Witterung noch einige Wochen länger anhalte und dann Ende Februar oder Anfang März ein strenger Frost ohne Schneeauflage komme, bestehe die Gefahr, dass das Wintergetreide, das ja bereits im Herbst ausgesät wurde und dann schon ein paar Zentimeter gewachsen ist, erfrieren könnte. In milden Wintern, so Bahrenberg, steige das Risiko, dass sich Schädlinge und Mäuse stärker ausbreiten.

Auch andere Krankheiten, wie Pilzbefall, würden stärker zunehmen, wenn sie nicht durch einen Winterfrost gestoppt würden. Mit Zwischenfrüchten sorgten die Landwirte dafür, dass die Bodenstruktur verbessert wird, wichtige Nährstoffe in den Boden kommen und dieser vor Auswaschung von Stickstoff geschützt wird, teilt der Verband mit Sitz in Duisdorf mit. Die Zwischenfrüchte seien zurzeit der einzige grüne Fleck in der Ackerlandschaft. Zwischenfrüchte wirken sich positiv auf den Humusgehalt aus. Zudem bieten sie Schutz und Futter für Wildtiere.

Auch der Arzdorfer Landwirt Maternus Schimmel beobachtet die Wetterlage derzeit besonders aufmerksam, auch wenn er außer dem eingesäten Winterweizen derzeit keine Früchte auf seinen Feldern stehen hat. Weil sich der Winterweizen entsprechend der Witterung (und nicht der Jahreszeit) bereits gut entwickelt hat, würde ihm ein plötzlicher, strenger Frost vermutlich zusetzen: "Dann kann der Weizen erfrieren", sagt Schimmel. Als Landwirt könne man derzeit nur abwarten, erklärt der Arzdorfer. Aber: "Das sind Sachen, mit denen man als Landwirt leben muss. Eine vollkommen ideale Situation gibt es ohnehin nur selten", so Schimmel.

Für überschaubar hält die Auswirkungen auf den Obstanbau bislang Dorothee Hochgürtel vom Wachtberger Streuobstwiesenverein: "Auch im vergangenen Jahr hatten wir einen vergleichsweise milden Winter und trotzdem einen reichen Ertrag an Obst." Ein Problem könnte sich ihrer Einschätzung zufolge aber daraus ergeben, dass die Befruchtungsbiologie durcheinandergerät. "Die Blüte, die man jetzt am Straßenrand sieht, ist nur für die Vase und somit praktisch umsonst", sagt die Expertin, denn eine Bestäubung durch die Bienen finde nicht statt. Zugleich verlaute von Imkern aus der Region, dass auch die Winterruhe der Bienenvölker durch das ungewöhnlich milde Wetter durcheinandergerate und somit auch deren Rhythmus gestört sei. Sie selbst, sagt Hochgürtel, könne die Veränderungen an ihren Ziegen ablesen: "Die Lämmer kommen zwei Monate früher, als dies normal ist. Auf diese Weise gibt es Weihnachts- statt Osterlämmer".

Langfristigen Wetterprognosen zufolge soll sich an der Witterung im Rheinland erst einmal nichts ändern. Bis Ende Januar werden dort Temperaturen durchgehend im Plusbereich des Thermometers vorhergesagt. Von Frost keine Spur.

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